Der alte Mann und die Sardinen – „Ein Ozean der Liebe“

Ältere Menschen scheinen den 1971 geborenen Autor Wilfrid Lupano zu faszinieren und zu inspirieren. Neben seiner Erfolgs-Serie „Die alten Knacker“, deren erste drei Alben in Frankreich die Schallmauer von einer halben Millionen verkauften Exemplare durchbrochen haben, veröffentlichte Lupano zusammen mit Zeichner Grégory Panaccione 2014 im Original den dicken Einzelband „Un Océan d’amour“, der bei Splitter als „Ein Ozean der Liebe“ soeben auf Deutsch erschienen ist.

Erzählt wird darin – ausschließlich in Bildern und ganz ohne Text – die Geschichte eines alten Mannes, der als Fischer mit seinem kleinen Boot aufs Meer fährt, Öl-Sardinen aus der Konserve ironischerweise nicht ausstehen kann und eines Tages in Seenot gerät. Und während der alte Fischer von Riesenwellen, Nebelbänken und gierigen Menschen bedoht wird, ist seiner kulinarisch versierten Frau kein Weg zu weit und kein Diktator zu gefährlich, solange sie die Chance auf eine Wiedervereinigung mit ihrem Gatten wahrt.

„Ein Ozean der Liebe“ könnte auch einer dieser oscar-prämierten Animations-Kurzfilme von Disney und anderen Verdächtigen sein, die komplett ohne Worte auskommen und dennoch große Wirkung haben. Um diesen Eindruck zu gewinnen, müsste man nicht mal wissen, dass der 1968 im französischen Antony geborene, heute in Mailand lebende Zeichner Grégory Panaccione schon an zahlreichen Trickfilm-Projekten mitgearbeitet hat – unter anderem an der stark animierten Adaption der Abenteuer von Hugo Pratts Seefahrer Corto Maltese.

Lupanos und Panaccione Kapitän ist weit weniger geschwätzig. Darüber hinaus hat das kreative Duo eine deutliche Botschaft und ungeachtet der Abwesenheit jedweder Buchstaben viel zu sagen. Hier landet man dann sogar wieder bei Lupanos Bestseller „Die alten Knacker“, denn auch dort geht Lupano mit dem kapitalistischen Raubbau an Mensch und Umwelt hart ins Gericht. In „Ein Ozean der Liebe“ prangert er vor allem die rücksichtslose Verschmutzung der Meere an, wenn ein riesiges Fangschiff, eine in einem Plastikring gefangene Möwe oder eine gewaltige Müllinsel die Szenerie auf hoher See beherrschen. Doch keine Sorge: Der Witz kommt in der charmanten, schön anzuschauenden Bildergeschichte trotzdem nie zu kurz. Dafür sprechen allein die kurzen Gastauftritte von Fidel Castro und Karl Lagerfeld …

Wilfrid Lupano, Gregory Panaccione: Ein Ozean der Liebe. Splitter, Bielefeld 2016. 224 Seiten, € 29,80