Jugend ohne Grenzen – „Fugazi Music Club“

Warschau, Anfang der Neunziger Jahre. Eine Gruppe Freunde um den jungen Waldek will die neu gewonnene Freiheit nach dem Zerfall der Sowjetunion in vollen Zügen genießen. Nach anfangs noch zaghaften Versuchen mit einem Jugendcafé, dessen Hauptattraktion eine simple Tischtennisplatter ist, wollen die jungen Männer Kunst und Prestige ins graue, eintönige Polen Einzug halten lassen. Ohne die heute übliche, strenge Kontrolle durch staatliche Instanzen und durch intensiv gepflegte Kontakte in die polnische, alternative Musikszene entsteht allmählich der „Fugazi Music Club“ und prägt nachhaltig die polnische Jugendkultur. Beseelt von ihrem überraschenden Erfolg, der Liebe zur Musik und der entstehenden Gemeinschaft bemerken Waldek und seine Freunde erst viel zu spät, dass Korruption, Drogen und Gewalt stille Teilhaber des florierenden Unternehmens geworden sind.

Es ist bemerkenswert, mit welcher Leidenschaft und Authentizität der erst 25-jährige Künstler Marcin Podolec den Geist einer Epoche einfängt, die erst kurz nach seiner Geburt aufflammte und in rasendem Tempo verglühte. Wer nach der Lektüre der sehr reduzierten und poetischen Graphic Novel des jungen Polen die umfangreiche Fotosammlung aus dem echten Fugazi durchforstet, sich Podolecs Anmerkungen und Reflexionen zu seinen ausführlichen Gesprächen mit Club-Gründer Waldek aufmerksam durchliest, bekommt eine ungefähre Ahnung von der künstlerischen Leistung hinter „Fugazi Music Club“.

Trotz großer erzählerischer Parallelen ist die biographische Geschichte dabei deutlich weniger emotional als Tobi Dahmens genialer „Fahrradmod“ (Carlsen). Das mag daran liegen, dass Podolecs Sicht auf Waldeks romantische Erinnerungen deutlich kritischer und düsterer ist. Jeder Geistesblitz, jeder Hoffnungsschimmer wird mit einer einschneidenden, oft lebensbedrohlichen Erfahrung quittiert. Der Traum vom Kulturzentrum Europas scheitert an der Naivität der unerfahrenen und idealistischen Geschäftsleute und ihrem aggressiven, bedrohlichen Umfeld.

Entgegen allem Drama und aller Ernüchterung versprüht Waldeks Geschichte aber auch viel künstlerischen Pioniergeist und eröffnet eine völlig neue Perspektive auf eine Jugendkultur, die in unserem westlichen Umfeld eine ganz andere, deutlich gemäßigtere Rebellion bedeutete als in den Trümmern des Sozialismus. „Fugazi Music Club“ aus dem Egmont-Verlag ist ein bewegender und nachdenklich stimmender Blick auf einen langsam zerbrechenden Traum.

Marcin Podolec: Fugazi Music Club. Egmont Comic Collection, Berlin 2016. Broschiertes Softcover, 240 Seiten, € 22,99