SHAOLIN COWBOY: SHEMP BUFFET – Eine Edel-Schlachtplatte

shaolincowboy_rgbEin dicklicher Shaolin-Mönch in Blue-Jeans und roten Chucks zerlegt mit durch Bambusstangen verbundenen Kettensägen in in bester Asian-Cinema-Manier Heerscharen nackter, tätowierter Zombies. Inhaltsangabe fertig. Ernsthaft.

Die meisten Worte verbraucht der 144 Seiten starke, im schicken Großformat präsentierte Hardcover-Band in seinem Vorwort. Insgesamt erstrecken sich die Abenteuer des „Shaolin Cowboy“ nämlich auf zwei Geschichten, die in zwei US-Verlagen erschienen sind. Die Einleitung von „Shemp Buffet“, einem Sammelband der die vier bei „Dark Horse“ erschienenen Ausgaben vereint, beschreibt die deutlich komplexere, dabei aber nicht minder groteske Handlung der ersten sieben Hefte, die bei „Burlyman Entertainment“ das Licht der Welt erblickten. Bislang wurde dieses Abenteuer jedoch leider nicht ins Deutsche übersetzt.

Der in mikroskopisch kleinen Buchstaben geschriebene lange Text dient dabei eher der atmosphärischen Einstimmung auf die bevorstehende Edel-Schlachtplatte, statt als ernstzunehmende, inhaltlich relevante Wissensgrundlage. Denn so viel Spaß die Synopsis der überspitzen Fieberträume von Künstler Geof Darrow auch machen mag – allzuviel inhaltlicher Zusammenhang ist faktisch nicht vorhanden.

Shaolin Cowboy: Shemp Buffet“ ist eher ein Artbook als ein Comic-Band, mehr ausgereifte Animationsstudie als Graphic Novel. Und das ist im besten und respektvollsten Sinn zu verstehen. So bringt es eine einzige Kampfsequenz aus nur einer Perspektive auf sagenhafte 44 wortlose, bluttriefende und eindrucksvoll choreographierte Seiten. Und auch außerhalb dieses atemberaubenden, vor Details strotzenden Kleinods der Comic-Action braucht „Shemp Buffet“ nicht viele Worte, um seinen seltsam warmherzigen Charme zwischen all den umherfliegenden Körperteilen und Innereien zu verströmen. Die entschlossene Mimik des knuddelig-übergewichtigen Antihelden in rosaroter Sonnenuntergangs-Farbpalette beherrscht die Bildsprache jederzeit und jeder Gewalt oder Absurdität zum Trotz. Kein Wunder, dass Geoff bereits mit Comic-Legenden wie Moebius (La Cité Feu, 1984) und Frank Miller (Hard Boiled, 1990) zusammenarbeiten durfte oder maßgeblich am grafischen Konzept der Matrix-Filme beteiligt war.

Es ist Cross Cult ausgesprochen hoch anzurechnen und zeugt von viel Liebe zum Medium, ein so risikoreiches Werk ins Programm aufzunehmen, das dem potentiellen Käufer „Unterhaltung“ vom Cover entgegenbrüllt, um in seinem Innern dann ein visuelles, extrem inhaltsreduziertes Kunstwerk zu offenbaren. Die Limitierung ist somit sicher nicht nur als verkaufsförderndes Argument zu verstehen, sondern auch als Zugeständnis an den angesichts von Verlags-Hits wie „The Walking Dead“ oder „Hellboy“ deutlich eingeschränkten Käuferkreis. Dennoch sollten auch Comic-Fans auf der Suche nach Unterhaltung zumindest einmal den Blick über „Shaolin Cowboy: Shemp Buffet“ schweifen lassen. Selbst dem entschlossensten Kunst-Muffel wird es schwer fallen, sich der Magie, der Ausdrucksstärke und auch dem Unterhaltungsfaktor von Darrows Bildern zu entziehen, den selbst renommierte Künstler wie Frank Quietly als Inspiration nennen. Amitoufu.

Geof Darrow, Stewart: Shaolin Cowboy: Shemp Buffet. Cross Cult, Ludwigsburg 2016. 144 Seiten, € 25,–