AKTE X / 30 DAYS OF NIGHT – Mulder und Scully im ewigen Eis

aktex30days_dummy_rgbEin schrecklicher Mord sucht die Einwohner von Wainwright, Alaska heim. Niemand weiß genau, wer oder was ein Dutzend der hier ohnehin spärlich gesäten Einwohner enthauptet, ausgeblutet und zu einer Art groteskem „Leichen-Baum“ verschnürt hat. Das FBI-Ermittler-Duo Scully und Mulder wird auf den Plan gerufen, die sich in der Vergangenheit (und der beliebten 90er-TV-Serie „Akte X“) als Spezialisten für übernatürliche Fälle unter Beweis stellen konnten. Während die kühle Dana Scully versucht den absurden Fall empirisch zu erschließen, ist sich Verschwörungstheoretiker Fox Mulder längst sicher – hier waren selbstverständlich Vampire am Werk.

Comic-Veteranen der Neunziger-Jahre erschaudern alleine beim Titel. Vor gut zwanzig Jahren gab es bei amerikanischen Comic-Heften zwei Indikatoren, die relativ sicher auf ein inhaltliches Desaster hindeuteten: Die Adaption von Filmen oder Fernsehserien und sogenannte Crossovers, bei denen zwei sonst nicht in Zusammenhang stehende Geschichten miteinander verknüpft wurden. Gleich Vorweg – diese Bedenken können bedenkenlos zerstreut werden. Steve Niles, der von Kritikern und Fans gefeierte Hauptautor der 2007 mit Josh Hartnett verfilmten Horror-Reihe „30 Days of Night“ (ebenfalls auf deutsch bei Cross Cult) beweist viel Fingerspitzengefühl darin, die beliebten Fernsehermittler schlüssig in sein düsteres Werk zu integrieren. So bleibt den Lesern die schnelle Fan-Abzocke mit einer publikumswirksamen Marke glücklicherweise erspart.

Mit den gleichermaßen genialen wie surrealen Artworks des „30 Days“-Stammkünstlers Ben Templesmith kann der diensthabende Künstler Tom Mandrake dabei nicht ganz mithalten. Zwar wissen viele Szenen durch kontrastreiche, klassische Horrorillustrationen durchaus zu gefallen, auf vereinzelten Bildern geraten die Gesichtsproportionen des „X-Files“-Gespanns aber doch etwas durcheinander, was den insgesamt professionellen und stimmungsvollen Gesamteindruck bei genauem Hinsehen manchmal etwas trübt.

Durch die Bank großartig geraten ist dafür aber die eigentliche Erzählung, in der die bedrohliche und kalte Atmosphäre von „30 Days“ brillant mit Scullys und Mulders Gesprächsdynamik verflechtet und so für eine extrem kurzweilige, spannende und flott inszenierte Vampir-Hatz im dunklen, ewigen Eis sorgt, mitsamt hollywoodreifem Final-Spektakel. „Akte X / 30 Days of Night“ kann dabei ohne jegliche Vorkenntnisse zu einem der beiden Franchises gelesen werden und funktioniert hervorragend für sich selbst.

Steve Niles, Adam Jones, Tom Mandrake: Akte X/30 Days of Night. Cross Cult, Ludwigsburg 2016. 144 Seiten, 25,00 €