Nachdem mit der Nummer 17 der aktuelle Band der Italowestern Serie als Einzelalbum erschienen ist, beginnt der Splitter-Verlag nun wie angekündigt mit der chronologischen Veröffentlichung der Reihe als Gesamtausgabe in Sammelbänden, die jeweils drei Geschichten enthalten.
Los geht Durangos Reise mit „Wölfe heulen im Winter“, dem Serienauftakt von 1981: Wyoming, im Februar 1896. Durango, prominenter Revolverheld, der beinahe so schnell schießt wie sein Schatten, wird von seinem Bruder nach White Valley gerufen. Denn hier regiert der Viehbaron Howlett. Nicht gemäß Gesetz, sondern nach Willkür: konkurrierende Farmer werden aus dem Weg geräumt, ihr Besitz übernommen. Howletts rechte Hand, der Mann fürs Grobe, ist der brutale wie gewissenlose Angus Reno, der es auch auf Durango abgesehen hat… Im folgenden „Gewalt aus Angst geboren“ – inzwischen schreiben wir Mai 1896 – erholt sich ein noch sichtlich angeschlagener Durango vom blutigen Showdown in White Valley. Ganz in der Nähe dient das Kaff Peaceful Church (Nomen est Omen) als Unterschlupf für „Crazy“ Callahan und seine Bande, die gerade wieder eine Bank überfallen haben. Als Callahans Sohn ermordet wird, schwört dieser blutige Rache und die nicht gerade kampferprobten Bürger sehen sich unter der Führung Durangos gezwungen, sich zu verteidigen. Gut zwei Jahre später, im Juni 1898, meldet sich Durango zurück im Geschäft. In „Eine Falle für einen Killer“ übernimmt er – frisch bewaffnet mit einer modernen „Mauser“ Automatik-Pistole, mit der er mit seiner kaputten Hand seinen „Job“ wieder ausüben kann – einen Auftrag in Arizona, wo er den Minenbesitzer Allen beschützen soll. Doch plötzlich liegt Allen tot in Durangos Hotelzimmer. Der erkennt, dass er zum Sündenbock gemacht werden soll, damit der korrupte Lokal-Politiker Deale, ein Feind Allens, freie Hand bekommt…
Mit „Durango“ brachte der Belgier Yves Swolfs, damals noch am Anfang seiner erfolgreichen Karriere als Comic-Künstler, den Italowestern in das Genre. Mit all seinen Facetten: Das Setting ist dreckig, wie auch die Bösewichte, die keinen Hehl aus ihrer Gesinnung machen und die gleich im Auftakt durch einen Angus Reno verkörpert werden, dem Swolfs symbolisch wie stereotyp das Antlitz von Klaus Kinski gab (aus „Leichen pflastern seinen Weg“, 1968 von Sergio Corbucci inszeniert). Durango, unser Held, ist wortkarg, entschlossen und dabei tatkräftig. Er mischt sich stets ein, nicht immer gerne und nicht immer perfekt. Er macht Fehler, tappt in Fallen und zeigt so seine Fehlbarkeit. Trotzdem weiß er auch ungünstige Situationen zu seinem Vorteil zu nutzen, wobei er nicht selten massiv einstecken muss. Ein harter Hund eben, der seine Mission erfüllt, ohne Rücksicht auf andere oder eigene Verluste. Ein Einzelgänger, den es nirgendwo lange hält und der nach Beendigung seiner „Arbeit“ stets einsam zu neuen Ufern aufbricht. Dazu gibt es massenweise Tote bei Freund und Feind, die Genre konform spektakulär und blutig-explizit erschossen werden.
Bemerkenswert: obwohl die Geschichten jeweils abgeschlossen sind, gibt es eine gewisse zeitliche Kontinuität. Die ersten beiden Storys passieren unmittelbar hintereinander (Februar und Mai 1896), weshalb wir im zweiten Band einen noch arg ramponierten Durango sehen, der –zum Grobmotoriker geschossen – nur mit einer streugewaltigen Schrotflinte sein Werk verrichten kann. Dann, nach einer offenbar langen Rekonvaleszenz, treffen wir ihn zwei Jahre später wieder. Er kauft eine deutsche „Mauser“-Pistole – fortan sein Markenzeichen –, macht so mit moderner Technik sein Handicap (zerschossene Hand) wieder wett und kann seiner „Arbeit“ weiter nachgehen. Erfreulicherweise unterscheiden sich auch die drei Storys und beharren dabei nicht nur auf eindimensionalen Italowestern-Klischees, die das Genre filmisch schließlich (auch qualitativ) tot ritten. Dient der erste Band auch der Vorstellung des Helden, der aus persönlichen Gründen „sein Ding“ durchzieht und dabei mehrfach angeschossen wird, ist die zweite Story sehr gradlinig und erinnert in ihrer Handlung an diverse Edelwestern (Rio Bravo, Zwölf Uhr mittags) –natürlich Italo-Mäßig brutalisiert –in denen der Held sich alleine einer schurkischen Übermacht stellen muss. Die Arizona-Episode ist dann erfreulich komplexer angelegt, mit einem Durango, der Opfer einer Verschwörung wird, diese zu entwirren versucht und dabei nicht immer die erste Geige spielt.
Noch ein Wort zu den Zeichnungen. Swolfs gestaltete bekanntlich die ersten 13 Bände selbst, danach beschränkte er sich aufs Schreiben der Storys. Zu Beginn sind seine Panels noch etwas holprig, er sucht noch seinen Stil. Übergroße Kulleraugen und schiefe Gesichter zeugen davon. Aber die Richtung ist schon klar: man strebt die Tradition eines Giraud (Blueberry) an, was die Gestaltung von (winterlichen) Landschaften, Städten und Interieurs beweist. Dazu kommen (auch farbliche) Anklänge an „Jonathan Cartland“ und fertig ist eine realistische (wir reden von den Zeichnungen, wohlgemerkt) Westernserie, die sich – und das zeugt von Qualität – bis heute hält. Schon in der dritten Episode festigt Swolfs seinen Stil, wird sicherer und eleganter. Später werden andere Zeichner übernehmen, zuerst Thierry Girod („Wanted“), dann Iko („Finsternis“) – der neue aktuelle Zeichner – und diese Tradition erfolgreich fortführen. Mit dem ersten Band der Gesamtausgabe, die leider kein Zusatzmaterial enthält (weshalb die Bezeichnung „Sammelband“ eigentlich treffender ist) haben Neuleser nun erstmals die Gelegenheit, die Reihe von Anfang an und komplett in einheitlichem Design und aus einem Verlag zu lesen.
Eine Leseprobe findet sich hier.
Yves Swolfs: Durango Gesamtausgabe Band 1. Splitter Verlag, Bielefeld 2017. 144 Seiten, 29,80 Euro