„Wika“ – Märchenwelt meets Steampunk

Wika_02_kleinBlicken wir kurz zurück: gerade noch so konnte Wika Grimm, die Tochter Claymores und der Fee Titania, mit Hilfe des Waffenmeisters Haggis Cornelly in Band 1 entkommen. Denn Erzbösewicht Oberon tötete in blinder Rache ihre Eltern und zerstörte ihre Burg. Seitdem sind Jahre vergangen und aus dem Baby wurde im Verborgenen eine hübsche junge Frau, die sich unerkannt in der Hauptstadt Avalon als Diebin verdingt und sich ihrer Herkunft erst spät bewusst wird.

Inzwischen tötete Oberon seinen Vater, König Wotan und machte sich damit selbst zum Herrscher. Wika wird nach ihrer Flucht aus Avalon und der Ermordung ihres geliebten Brans von den drei Schwarzen Feen aufgenommen, Feindinnen Oberons, die sie anschließend unter ihre Fittiche nehmen. Die drei Damen bilden Wika fortan aus. Von ihnen lernt sie Magie und Kampfkunst, bekommt wieder Flügel (als Fee unerlässlich) und muss schließlich auf Burg Grimm – ihrer Heimat – eine letzte Prüfung bestehen, ehe sie endgültig zu einer Hohen Fee wird und die Rache an Oberon auf ihre Tagesordnung gesetzt werden kann. Doch auch im Lager des Despoten hegen sich Zweifel. Sein Lieblingssohn Rage (seine Kinder nennt man „die Wölfe Oberons“ – und das nicht ohne Grund) und dessen Halbbruder, der von der Familie ob seiner Missbildung ungeliebte Hamelin, ziehen einen dauerhaften Frieden und damit das Ende der Eroberungen ihres Vaters in Erwägung. Und ahnen nicht, dass sie dabei nur ferngelenkte Figuren auf dem Schachbrett Oberons sind.

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Wika ist eine der Comic-Reihen, bei denen man zuerst auf die Optik schaut und staunt, sobald man einen Blick in den Band wirft. Denn die Zeichnungen stammen von Olivier Ledroit, der mit seiner Serie „Die Chroniken des Schwarzen Mondes“ bekannt wurde. Und auch hier enttäuscht er nicht. Seine Seiten sprengen immer wieder die handelsübliche Panelanordnung. Ornamentale Opulenz ist hier Trumpf! Orchestrierte Bilder-Kaskaden wechseln sich ab mit verspielten Symmetrien, die ganze Doppelseiten beherrschen. Seine Welt Pan ist bevölkert von Feen mit riesigen bunten Flügeln, von Herrschern, die masslos übertriebene Rüstungen tragen. Und zu der ganzen High Fantasy Welt kommt ein kräftiger Touch Steampunk Optik. Man trägt gerne Zylinder und Brillen. Sperrige Maschinen steuern Schiffe oder überwachen das Volk. Und das alles in bunten, prachtvollen Farben. Das ist – zugegebenermaßen – bisweilen nah am Kitsch, kriegt aber immer wieder die Kurve, weil die Story von Thomas Day (d.i. Gilles Dumay), der sonst gerne SF- und Fantasy-Romane schreibt, episch angelegt ist und dazu Hand und Fuss hat.

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Dabei bedient er sich des bekannten Rachemotivs: Wika, der als Kind, als Baby, alles genommen wurde und die als fesche Maid nicht gerade in feudalen Umständen aufwächst, erfährt ihre Herkunft und wird schließlich von den Schwarzen Feen auf ihre Rache, ihre finale Konfrontation mit Oberon, dem Mörder ihrer Eltern, vorbereitet. Der wiederum gibt einen waschechten Despoten, der weder Gnade noch Mitleid kennt, der Spaß am Töten und am Bösen hat. Ein wahrer Gegenpol zur lebenslustigen, unbeschwerten Wika. So muss das sein. Damit die Story nicht gleich Richtung Finale schreitet, baut Day diverse Figuren mit unterschiedlichen Interessen und Zielen ein. Die Schwarzen Feen verlangen ihr Reich zurück, Rage liebäugelt mit Frieden, andere Figuren tauchen wieder aus dem Totenreich auf. Das schafft Intrigen, Täuschungen und Verästelungen in der Story. Apropos Äste: Day bedient sich freimütig nicht nur in der Märchen- und Sagenwelt, sondern u.a. auch in der nordischen Mythologie, weshalb auch die Weltesche Yggdrasil in die Story integriert ist. So präsentieren Day und Ledroit einen (auch farblich) bunten und in jeder Hinsicht opulenten Genre-Mix, der stets Laune macht.

Thomas Day, Olivier Ledroit: Wika, Band 2: Wika und die Schwarzen Feen. Splitter Verlag, Bielefeld 2017. 72 Seiten, € 16,80