Jiro Taniguchis „Travel Book“

venedig-cvrMan kann keinen Text über „Venedig“ schreiben, ohne daran zu denken, dass Jiro Taniguchi, der Autor und Zeichner des Bandes, am 11. Februar 2017 im Alter von 69 Jahren gestorben ist. Denn Venedig, das ist schließlich nicht nur der Ort für romantische Hochzeitsreisen, sondern auch ein Ort des Morbiden und Vergänglichen. Dieses Motiv wurde in der jüngeren Kulturgeschichte immer wieder aufgegriffen, erinnert sei nur an „Tod in Venedig“ oder „Wenn die Gondeln Trauer tragen“. Die Lagunenstadt lädt förmlich dazu ein, denn es ist eine Stadt im beständigen Niedergang, in jeder Beziehung.

Deshalb ist es vielleicht erstaunlich, dass Taniguchi das Morbide und Makabre völlig ausblended in seinen weitgehend hellen, lichten, farbenfrohen Bildern. Er erzählt in „Venedig“, das für die „Travel Books“-Reihe des Mode-Labels Louis Vuitton entstand, eine sehr leicht hingetupfte Geschichte über einen Japaner, der im Nachlass seiner Mutter ein paar handgemalte Postkarten findet, die Motive aus La Serenissima zeigen, und sich dann auf Spurensuche begibt. Was hat sein Großvater in Vendig gemacht?

Es ist keine große Geschichte, mehr ein roter Faden, der die Leser durch die Stadt führt, vorbei an den Sehenswürdigkeiten, die Taniguchi hinreißend festhält, ganz im Stil der Postkartenmalerei, die die Geschichte in Bewegung gesetzt hat – und dabei die Millionen Touristen, die in der Realität über die engen Straßen und Kanäle flanieren, weitgehend ausspart. Manchmal ist dieses Venedig fast leer.

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Aber das ist in Ordnung. Dies ist ein verklärtes Venedig der Erinnerung und der Imagination – bei aller Akkuratesse der gezeigten Paläste, Brücken und Plätze – , keine Kritik am Massentourismus. Die wenigen Momente, in denen die Realität des Jetzt aufblitzt und die Idylle durchbricht – etwa das Bild eines Ozeanriesen, der sich zwischen den Häusern durchschiebt – zählen dennoch zu den Besten des Bandes, vielleicht gerade weil sie die gewisse Überhöhung etwas erden.

Und natürlich zählen dazu auch die vielen stillen Momente zwischen dem Sightseeing, wenn Taniguchi einfach nur die Menschen zeigt. Auf dem Markt, im Café, beim Essen und Spazierengehen. Und die Hunde natürlich. Hunde sind wichtig für ihn, das weiß man spätestens seit „Träume von Glück“. In diesen Momenten ist Taniguchi ganz bei sich und man weiß, was man vermissen wird, wenn nun keine neuen Werke dieses bemerkenswerten Künstlers mehr erscheinen.

Abb. © 2014 Jiro Taniguchi/Editions Louis Vuitton. © 2017 Carlsen

Jiro Taniguchi: Venedig. Carlsen, Hamburg 2017. 144 Seiten, € 29,90