Live-Trickfilm auf der Bühne

Am Sonntag hat ein besonderes Experiment im Dortmunder Megastore Premiere gefeiert. Zum dritten Mal erweckt das Schauspiel der Stadt zusammen mit dem Künstlerkollektiv sputnic einen Roman als Live-Trickfilm zum Leben. ‚Live Animation Cinema‘ nennt sich die eigens dafür erfundene Kunstform, durch die die Künstler bereits Michel Houellebecqs „Die Möglichkeit einer Insel“ inszenierten. Nun soll der Science Fiction-Klassiker „Der Futurologische Kongress“ von Stanislaw Lem auf die Bühne gezaubert werden.

Neben dem Piloten Prix ist Ijon Tichy die wohl bekannteste Figur des polnischen Science-Fiction Autors Stanislaw Lem. In seinen „Sterntagebüchern“ darf Tichy von den absurdesten Momenten aus seinem Leben als Weltraumreisender erzählen. Wie viel Wahrheit in seinen Berichten steckt, bleibt dabei stets sein Geheimnis. Er ist die perfekte Mischung aus Baron Münchhausen und Käpt‘n Blaubär, mit dem Unterschied, dass er seine Abenteuer keinem kleinen Bären aufbindet, sondern seinen ahnungslosen Lesern.

In „Der Futurologische Kongress“ verschlägt es Tichy zusammen mit Professor Trottelreiner in das fiktive Land Costricana zu einer – wie der Name es schon sagt – zukunftsweisenden Weltversammlung. Kaum angekommen, erleben er und die Anwesenden einen Angriff auf die Bevölkerung, der auch die Kongressteilnehmer betrifft. Psychopharmaka und Chemikalien beeinflussen die Menschen, lassen Realität und Wahn miteinander verschmelzen – oder ist am Ende alles nur ein böser Traum? Lems Erzählung hat auch nach über 40 Jahren nichts von seiner Aktualität verloren. Seite für Seite ist gespickt mit Problemen, Themen und Visionen von der Zukunft, sodass man die Gegenwart als eine real gewordene Dystopie wahrnimmt.

Friederike Tiefenbacher Carlos Lobo T.D. Finck von Finckenstein Marlena Keil Uwe Schmieder

Friederike Tiefenbacher, Carlos Lobo, T.D. Finck von Finckenstein (Musik), Marlena Keil, Uwe Schmieder. Foto © Birgit Hupfeld

Unter der Regie von Nils Voges (sputnic) hat das Team um Malte Jehmlich (Bühne, sputnic), Julia Zejn (Illustration) und T. D . Finck von Finckenstein (Musik) „Der Futurologische Kongress“ für das ‚Live Animation Cinema‘-Verfahren adaptiert. Das Herzstück bildet hierbei die ‚Animation Plates‘, die die Aufgabe der traditionell verwendeten Trickfilm-Cels übernehmen. Mehrere Künstler bedienen sie während der Aufführung an diversen Tricktischen, die auf Knopfdruck auf eine Leinwand projiziert werden. So lassen die Schauspieler den Animationsfilm zum Text entstehen.

Wer sich immer noch nicht vorstellen kann, wie solch ein phantastisches Unterfangen gelingen soll, dem sei das ‚Making-Of‘ zu „Die Möglichkeit einer Insel“ (s.u.) empfohlen.

Karten gibt es noch für die Veranstaltungen am 18. und 28. Juni sowie am 7. Juli. Die Bühne befindet sich im Megastore (Felicitasstr. 2, Dortmund-Hörde). Karten gibt es für 19 Euro u. a. direkt beim Schauspiel zu kaufen. Weitere Vorstellungen sind in Planung.

Großes Bild ganz oben: Friederike Tiefenbacher, Carlos Lobo, T.D. Finck von Finckenstein (Musik), Marlena Keil, Uwe Schmieder. © Birgit Hupfeld