SYMMETRY – Wie die schöne neue Welt aus den Fugen gerät

Die Zukunft sieht rosig aus, wenn man den ersten Seiten von „Symmetry“ glauben schenken möchte. Ein produktives Leben, umsorgt von Maschinen-Nannys erwartet uns. Medikamente und permanente Überwachung unserer Vitalwerte sorgt nicht nur für permanentes Wohlbefinden, sondern natürlich auch für maximale Produktivität und Effektivität aller emsigen Bürger dieser schönen, neuen Welt. Wie schon einst in der Antike ruht das System auf Werte-Säulen, die uns Frieden, Gleichheit oder Gemeinschaft als unverzichtbare Basiswerte der Gesellschaft vermitteln sollen. Ein kurzzeitiger, unfallbedingter Ausfall der künstlichen Intelligenz SOL, der treibenden Kraft hinter diesem Utopia, fördert jedoch schnell zu Tage, was der versierte Science-Fiction-Leser längst ahnt – hinter der schillernden Fassade verbergen sich selbstverständlich manipulative und erschreckende Wahrheiten…

Matt Hawkins hat schon in der Vergangenheit durch sehr politische Indie-Titel von sich hören lassen, vor allem durch die gefeierte Image-Veröffentlichung „Think Tank“, der (wie so oft dieser Tage) bald eine Hollywood-Adaption folgen soll. „Symmetry“ ist eine klassische Hochglanz-Dystopie in der Tradition von Orwells 1984, deren Ästhetik sich aber eher an modernen Film-Interpretationen des Themas orientiert, wie etwa „Gattaca“ oder der „Tribute von Panem“-Reihe. Maschinendesigns, geometrische Bildkompositionen und die grellbunte Kolorierung erinnern an mehr als einer Stelle an Filmsequenzen aus einem Videospiel, was die klinische Stimmung von „Symmetry“ häufig unterstützt. Allerdings wirken Hände, Mimik und Körperhaltung der handelnden, menschlichen Figuren häufig sehr statisch. Fast so, als habe man als bewusstes Stilmittel die Figuren und Szenen zunächst in einem uraltem 3D-Grafikprogramm komponiert, das nur über wenige Artikulationspunkte für Figuren verfügt. Was die zuhauf vorkommenden Roboter angeht, hätte diese Not mitunter tatsächlich zur Tugend werden können. Menschen in „Symmetry“ sehen so aber tatsächlich häufig ungewollt künstlich aus, was echt schade ist.

Denn die weit verzweigte, philosophisch-metaphorische Abhandlung über Rassentrennung, die aggressive, menschliche Natur oder den Unterschied zwischen Wahrheit und Perspektive ist ganz wunderbare, intelligente Science Fiction der alten Schule. Wer über die grafischen Ungereimtheiten hinwegsehen möchte, wird hier mit einer ausgesprochen gelungenen Melange aus klassisch-stimmungsvoller Genre-Literatur und modernem, amerikanischem Hochglanz-Design belohnt. Klarer Geheimtip, der vor allem Freunden des exzellenten US-Indie-Programms aus dem Hause Splitter mit Titeln wie „Lazarus“ oder „Black Science“ gefallen dürfte.

Matt Hawkins, Raffaele Ienco: Symmetry. Panini, Stuttgart 2017. 196 Seiten, 19,99 Euro.