„Bob Morane Reloaded“ – Noch ein alter Held in neuem Gewand

Nigeria 2012. Hier stehen sich zwei Ethnien gegenüber, die sich spinnefeind sind: die christlichen Yoruba und die muslimischen Haussa. UN-Soldaten sollen die Ordnung im Land aufrecht halten und einen kriegerischen Konflikt verhindern. Als der französische Lieutenant Robert „Bob“ Morane dem Präsidentschaftskandidaten Kanem Oussman, der sich als Gemäßigter für eine Versöhnung und ein gemeinsames Miteinander einsetzt, das Leben rettet, hat das weitreichende Konsequenzen für beide. Denn Oussman gewinnt prompt die Wahl und engagiert den furchtlosen Idealisten als persönlichen Berater. Sechs Jahre später, 2018, scheint sich Moranes Job für beide auszuzahlen. Mit Bob als „Testimonial“ wird zwischen Nigeria und Frankreich die Operation „Bildung gegen Mineralien“ gestartet: das afrikanische Land versorgt die Grande Nation mit seltenen Erden und erhält im Gegenzug ein futuristisches Lernmittel, mit dem die Schüler ausgestattet werden sollen: den „Lernhelm“, ein neurotechnisches Modul, das sich mit dem Träger verbindet und den zu lernenden Stoff in dessen Gehirn „hochlädt“. Speed-learning sozusagen. Klingt gut, stößt aber in Nigeria auf massiven Widerstand, denn nicht jedem passt diese vermeintliche Abhängigkeit, die auch als Neo-Kolonialismus interpretiert wird. Was die Gegner des Joint-Ventures mit einem verheerenden Anschlag auch radikal zum Ausdruck bringen…

aus Band 1

Mit „Bob Morane Reloaded“ erfährt ein weiterer klassischer Held aus dem franko-belgischen Raum ein Reboot. Die Figur wurde bereits 1953 vom Schriftsteller Henri Vernes erdacht (Jahrgang 1918 und noch immer putzmunter). Sie erschien zuerst in Romanen und bereits ab 1959 auch in Comicform, stets geschrieben von dem äußerst produktiven Vernes. Und das beides höchst erfolgreich. Im Original umfasst die aktuell erhältliche Comic-Reihe 60 Alben (die zwischen 2012 und 2014 neu aufgelegt wurden; Romane gibt es etliche mehr und auch im TV war Bob Morane als Serie zu sehen). Bei uns fristet die Reihe bisher eher ein Schattendasein. Ihr erster deutsch-sprachiger Auftritt war 1976 im Zack des Koralle Verlages. Zu einem Album kam es dort nie, die erste Album-Veröffentlichung erfolgte erst durch den Feest Verlag, der zwischen 1988 und 1991 neun Bände in wilder Reihenfolge heraus brachte. Ein weiteres Album erschien bei Epsilon, gefolgt von dem Start einer Gesamtausgabe (auch hier nicht chronologisch), die nach vier Bänden dort seit Jahren irgendwo im Limbo verharrt. Fortsetzung ungewiss, bzw. eher ausgeschlossen. Vielleicht übernimmt ja auch hier Splitter, ähnlich wie bei den Leo-Serien oder der Rick Master Gesamtausgabe.

aus Band 1

Der bekannteste Zeichner, der sich in der Serie verewigte, war William Vance (u.a. „Ringo“, „Bruno Brazil“), der Bob Morane zwischen 1967 und 1979 umsetzte und der mit dem Agententhriller „XIII“ seinen größten Erfolg feierte. Andere Zeichner waren Felicísimo Coria, Dino Attanasio (der „Mausi & Paul“ von André Franquin übernahm) oder Gérald Forton. Beim Reboot, das sich im Original nicht „Reloaded“, sondern selbstbewusst „Renaissance“, also Wiedergeburt, nennt, kommt nun ein komplett neues Kreativ-Team zum Zuge: Als Autoren Aurélien Ducoudray und Luc Brunschwig, der hierzulande u.a. durch „Urban“ (Splitter) und „Holmes“ (Jacoby & Stuart) bekannt ist. Die Zeichnungen übernimmt Dimitri Armand, dessen Western „Sykes“ ebenfalls bei Splitter erscheint. Das Trio verordnet dem Helden gleich eine Frischzellenkur, indem es Bob Morane (und dessen Kumpel Bill Ballantine, der aber leider bisher nur eine Nebenrolle spielt) in ein modernes Szenario versetzt, das einen massiven politischen Hintergrund aufweist: Die Ausbeutung afrikanischer Entwicklungsländer und schwelende Religionskonflikte. Wobei keine Seite mit offenen Karten spielt und Bob Morane, grundehrlich und ein Tick zu vertrauensselig, zum politischen Spielball und gar zum Sündenbock wird.

In Band 2 tritt dann auch standesgemäß mit Ming erstmals der traditionelle Gegenspieler Bob Moranes auf. Ming ist hier noch nicht der altbekannte „Gelbe Schatten“, sondern vertritt in Person die (ebenfalls realen) Interessen Chinas in Afrika – er schuf sogar im unzugänglichen Norden des Landes aus dem verelendeten kleinen Dorf Zamosho eine hochentwickelte und hochmoderne Musterstadt, ein kleines Wakanda sozusagen. Eine Keimzelle einer friedlichen Welt, in der alle gleich sind, bzw. sein müssen. Aus seiner, aus Mings Sicht, versteht sich. Am Ende stellt sich der Visionär Ming ebenso als Despot heraus, geleitet von blindem Hass, wie auch der gewählte Präsident Oussman, der genauso rücksichtslos seine eigenen Ziele verfolgt. Und auch die revolutionäre Lernmethode mit den Helmen geht nach hinten los. Als Bob schließlich zwischen den Fronten stehend seine passive Rolle in dem Drama erkennt, muss er alles aufgeben. Als Persona non grata bleibt ihm nur die Flucht, verbunden mit der vagen Hoffnung auf Wiedergutmachung. Beinahe ein gefallener Held. Ende des ersten Zyklus‘.

aus Band 2

Eigentlich sind alle Zutaten eines typischen Bob Morane Abenteuers vorhanden. Ein Hauch Science Fiction, ausreichend Action und Intrigen, sowie altbekannte Charaktere (Bill Ballantine und Ming, dessen Hass auf Bob Morane auch schlüssig erklärt wird, zu dessen Entsetzen). Und das aktuelle, moderne Krisen-Setting ist durchaus ambitioniert. Trotzdem will der Funke nicht so recht überspringen. Anders als beispielsweise bei „Die neuen Fälle von Rick Master“, wo man geschickt und augenzwinkernd mit dem Serien-Erbe kokettiert, ist der Cut hier zu harsch (an dieser Stelle sei auf „Bob Marone“ verwiesen, die Serien-Parodie, die bei Carlsen erschien), die Handlung wirkt teilweise konstruiert (das Vertrauen der Franzosen in die Lernhelme, die doch offenbar ganz leicht zu anderen Zwecken missbraucht werden können), der politische Überbau ist zu wichtig. Anders gesagt: zu wenig klassisches, gradliniges Abenteuer. Auch die Zeichnungen sind bestenfalls solide – im Western-Ambiente von „Sykes“ war Armand deutlich besser und stimmiger unterwegs. Obwohl die beiden Bände im franko-belgischen Raum ein Verkaufserfolg wurden, hat sich das Verlagshaus Lombard inzwischen von den Autoren getrennt. Möglicherweise auch auf Betreiben des Serienschöpfers Vernes. Ob, wie und mit wem es weitergeht scheint ungewiss, ein dritter Band, der den zweiten Zyklus startet, ist bisher nicht erschienen.

Luc Brunschwig, Aurélien Ducoudray, Dimitri Armand: Bob Morane Reloaded 1: Seltene Erden. Splitter Verlag, Bielefeld 2017. 60 Seiten, EUR 15,80

Luc Brunschwig, Aurélien Ducoudray, Dimitri Armand: Bob Morane Reloaded 2: Den Ort, den es nicht gab. Splitter Verlag, Bielefeld 2017. 56 Seiten, EUR 14,80