Ein Henson, der es nie auf die Leinwand geschafft hat – „Tale of Sand“

Bekannt wurde Jim Henson natürlich vor allem durch seine Puppentrickfilme, für die Muppets oder die Sesamstraße. Aber auch düstere Fantasy-Spielfilme wie „Der dunkle Kristall“ oder „Die Reise ins Labyrinth“ sind für immer mit dem klangvollen, ikonischen Namen des viel zu früh verstorbenen Amerikaners verbunden. Deutlich weniger bekannt sind Hensons künstlerische Realfilm-Ambitionen, die er zum Beispiel mit seinem surrealen Kurzfilm „Time Piece“ realisierte. Obwohl es ihm immer eine Herzensangelegenheit war, konnte er „Tale of Sand“, eine aufwändige Langfilmfassung dieser Bildsprache, nie umsetzen. Post mortem war es der amerikanische „Archaia“-Verlag, der den genialen Ramón K. Pérez (u.a. Wolverine & Die X-Men) das vollendete Drehbuch „wenigstens“ als Graphic Novel adaptieren ließ.

Gefällige, familienkompatible Unterhaltung sollte man von „Tale of Sand“ allerdings nicht erwarten. Obwohl die verworrene und extrem skurrile Geschichte um eine unfreiwillige Hetzjagd durch die Wüste immer wieder mit Hensons unverkennbarem, cartooneskem Humor glänzt, steckt die surreale Odyssee voller Analogien auf Hensons persönliche Biographie, wirkt der bildschöne Comicband wie ein Fiebertraum des Puppen-Königs, in dem er für den Betrachter chiffriert die Unwegsamkeiten seiner Karriere verarbeitet. Ein Eindruck, den Hensons Tochter im Nachwort des redaktionell ungewöhnlich liebevoll begleiteten Buchs auch bestätigt.

Bildgewaltig präsentiert und extrem wertig verarbeitet sind 24 Euro wirklich kein schlechter Preis für das deutsche Hardcover aus dem Dani-Books-Verlag. Trotzdem ist seit dem Erscheinen des kunstvollen Comic-Kleinods Anfang 2014 nicht einmal die erste Auflage über die Ladentische gewandert. Vielleicht liegt es einfach an der Diskrepanz zwischen dem wirklich einzigartigen, rauschartigen Inhalt und den Assoziationen, der freudig-nostalgischen Erwartung, die der Name Jim Henson in den Leserköpfen schürt. Ist man der Enttäuschung über die Abwesenheit pelziger Knubbelmonster aber erst einmal entronnen, kann man sich mit „Tale of Sand“ tief in die bunte, irrwitzige und bildgewaltige Gedankenwelt des Puppen-Papis entführen lassen. Wer eine Geschichte nicht immer interpretatorisch sezieren muss, sondern sie auch einfach mal auf sich wirken lassen kann, den wird diese maßgeschneiderte Graphic Novel dafür reich belohnen. Für das Sammelregal künstlerisch aufrichtig interessierter Comicfreunde ist der Titel ohnehin absolutes Pflichtprogramm.

Henson, Juhl, Pérez: Tale of Sand.  Dani-Books, Groß-Gerau 2014. 160 Seiten, Hardcover, 24,00 Euro.

Englischer Trailer zur Graphic Novel:

Ausschnitt aus dem Quasi-Vorgänger „Time Piece“