Hormonelles Armageddon – „Magdas Apokalypse“

Die Welt wird untergehen. Da ist sich die Wissenschaft einig. Über das Wie ist man sich noch uneins, aber irgendwann ist Feierabend, das steht fest. Dieses beruhigende Unwissen über den Zeitpunkt des Armageddon steht Magda leider nicht zur Verfügung. An ihrem dreizehntem Geburtstag ereilt die beunruhigende Nachricht den ganzen Planten: In genau einem Jahr geht die Welt unter. Als hätte ein Mädchen in Magdas Alter nicht schon genug mit dem hormonellem Irrsinn des eigenen Körpers zu kämpfen, muss sie nun auch noch mit ansehen, wie die Welt um sie herum zerbricht. Angesichts des sicheren Untergangs sind Anstand und Miteinander ein seltenes Gut, auch Magdas eigener Vater entschließt sich dazu, seine Familie zu verlassen und das letzte, ihm verbleibende Jahr an der Seite seiner bislang geheimen Geliebten zu verbringen. Magda wollte doch noch so viel erleben. Jetzt muss sie sich wirklich beeilen, um auch nur einen Bruchteil davon zu schaffen…

Magdas Apokalypse“ ist eine schonungslos ehrliche und aufwühlende Graphic Novel aus dem immer beliebter werdenden „Coming of Age“-Genre. Trotz seiner dekorativen, hip-modernen Präsentation mit einem wirklich herausragendem Gespür für Farbstimmungen ist das Buch aber auch ein wirklich verstörender und bedrückender Sog. Obwohl Magda eigentlich bloß sich selbst und die Liebe entdecken will, findet sie sich in einer feindseligen, sie missbrauchenden und komplett hoffnungslosen Welt wieder, die ihre Wünsche und Sehnsüchte immer nur für einen kurzen, meist zutiefst unehrlichen Moment lang erfüllen kann.

Obwohl „Coming of Age“ häufig auf eine junge Zielgruppe abzielt, ist hier ganz klar Vorsicht geboten. Auch wenn die Gewaltdarstellung im Buch nie einen jugendgefährdenden Grad erreicht, verströmt der Band ein beeindruckendes, aber auch toxisches und desillusionierendes Flair, das den durchschnittlichen jugendlichen Leser emotional überfordern oder verwirren könnte. Empathische, intelligente Kids könnten die schmerzhaften Metaphern in „Magdas Apokalypse“ durchaus begreifen, sollten aber auch auf keinen Fall mit den komplexen, moralischen Strukturen der Erzählung alleingelassen werden.

Ein bewegender, beeindruckender und extrem innovativer Comic, der vor allem erwachsenen Lesern auf eine brutal schonungslose Art und Weise vermittelt, warum es wichtig ist, die verschobenen Wertemaßstäbe eines pubertierenden Jugendlichen immer ernst zu nehmen. Kein Elternteil, das „Magdas Apokalypse“ gelesen hat, wird seinem heranwachsenden Sprössling wohl je wieder sagen, das etwas „doch kein Weltuntergang“ sei.

Chloé Vollmer-Lo, Carole Maurel: Magdas Apokalypse. Splitter, Bielefeld 2017. 192 Seiten, Hardcover, 24,80 Euro.