Spielberg revisited – „Evil Road“

Man nehme: zwei schon etwas betagte Männer, ein noch älteres Auto, eine abgedrehte Geschichte in den Weiten des amerikanischen Südwestens, viel Action und einen Comic-Künstler, der das in eine starke Geschichte umsetzt. Mit „Evil Road“ hat Dominique Montfery einen Comic vorgelegt, der mich echt begeisterte – sicher eine der „coolsten“ Geschichten, die der Splitter-Verlag im Sommer 2017 veröffentlicht hat.

Erst mal der Reihe nach: Helias und Helis sind Zwillingsbrüder. Der eine arbeitet als Lehrer, der andere hat eine Tankstelle, in der er auch Reifen wechselt oder kleinere Reparaturen erledigt. In ihrer Freizeit restaurieren sie in einer unfassbaren Arbeit ein altes Auto. Nachdem sie das erledigt haben, brechen sie zu einem großen Abenteuer auf: Sie wollen einmal mit diesem Oldtimer quer durch die Vereinigten Staaten reisen. Irgendwo im Südwesten des riesigen Landes kommt es zu einer unheilvollen Begegnung. Helias muss unterwegs pinkeln und uriniert in einer menschenleer wirkenden Landschaft gegen einen Abschleppwagen, der offenbar herrenlos im Gelände steht. Doch der Wagen hat sehr wohl einen Besitzer, der auf einmal eine Fehde mit den beiden alten Herren beginnt.

Dominique Monfery (Text und Zeichnungen): „Evil Road“.
Aus dem Französischen von Harald Sachse.
Splitter Verlag, Bielefeld 2017. 48 Seiten. 14,80 Euro

Klar: Jeder, der diese Geschichte zum ersten Mal erzählt bekommt oder in den Händen hält und ein wenig auf Kino-Klassiker steht, dem kommt sie bekannt vor. In seinem Frühwerk „Duell“ machte der spätere Erfolgsregisseur und Produzent Steven Spielberg eine ähnliche Begegnung zum zentralen Element einer Geschichte: ein wuchtiger Truck gegen ein kleines Auto. Das ist jetzt allerdings gut vierzig Jahre her, und „Evil Road“ ist alles andere als ein Remake oder gar ein Plagiat.

In Dominique Montferys Geschichte geht’s vor allem in der zweiten Hälfte ganz schön knackig zu. Es gibt Action – durchaus ironisch bei zwei alten Herren als „Helden“ – und Explosionen, verzweifelte Taten und schräge Sprüche, und das alles so schnell und unterhaltsam präsentiert, dass ich es einfach klasse fand. Der Autor kann erzählen, auch wenn er nicht viele Worte benutzt. Seine Figuren sind wortkarg, sie halten keine langen Monologe. Und doch gelingt es ihm, die beiden alten Männer mit ihren teilweise verschütteten Konflikten ebenso ans Licht zu holen wie ihr Kampf gegen den unbekannten Gegner. Hier wird der Autor durchaus grundsätzlich – seine Figuren leben und leiden, und was sie tun, ist nicht selbstverständlich.

Wobei der Comic-Zeichner Dominique Montfery noch besser ist als der Comic-Autor… Die weite Landschaft des amerikanischen Südwestens setzt er ebenso gut in Szene wie die Gesichter der beiden Protagonisten oder ihr Auto. Action illustriert er mit viel Dynamik, Beziehungsgespräche mit viel Herzblut. Das ist alles richtig klasse gemacht.

Ich könnte mir vorstellen, dass so ein Comic ein wenig „durchfällt“, weil er sich den Konventionen entzieht. „Evil Road“ ist kein Genre-Thema, es ist kein Krimi und keine Science Fiction, es ist keine politische Graphic Novel und schon gar kein Funny. Aber ich möchte ihn trotzdem allen Comic-Freunden empfehlen, die eine spannende Geschichte lesen wollen, die sie nicht zum letzten Mal in der Hand haben werden. Garantiert!

Dieser Text erschien zuerst auf: perry-rhodan.net

Klaus N. Frick ist Chefredakteur der Science-Fiction-Heftroman-Serie „Perry Rhodan“ sowie Autor zahlreicher Romane und Kurzgeschichten.