The struggle is real, das hat sich sogar bis zu den Möchtegern-Monopolisten aus dem Hause Disney durchgesprochen. Nach der nahezu Totalinventarisierung des Marvelschen Figuren-Repertoires recycelt der Multimedia-Gigant frisch-fröhlich und unablässig auch allegorische Restbestände aus dem gedruckten Universum des Comic-Powerplayers und möchte so auf seinem Weg zur Herrschaft der Leinwände weltweit (manchmal) gesellschaftspolitische Relevanz beanspruchen. Der Zenit der Black Lives Matter-Bewegung ist, zumindest hinsichtlich ihrer medial angeleiteten Abwicklung, bereits überschritten, da trägt „Black Panther“ sie schon munter zu Grabe. Im bereits 18. Ableger des Marvel Cinematic Universe wird zum wiederholten Male der Konflikt ausgetragen, den die X-Men auf Papier in den Sechziger-, im Kino in den Nullerjahren begonnen haben (man könnte meinen, weil der Konflikt ja auch in der extradiegetischen Wirklichkeit nicht zum Erliegen kommt; viel eher aber ist dafür schlicht die Konvention ausschlaggebend: Narrativ haben Comicverfilmungen selten mehr zu bieten als die Zuspitzung des Kampfes zweier verfeindeter Parteien, meist zwischen Gut und Böse, selbst wenn hie und da pflichtschuldig ein paar Nuancen ins Spiel kommen). Trifft Professor X auf Magneto, ist selbst für Eingeweihte unschwer zu erkennen, wer für wen und wofür einstehen soll: der pazifistische Liberale im Rollstuhl für Martin Luther King – auch wenn der sich nicht im Traum liberal geschimpft hätte – und gewaltfreien Widerstand, der behelmte Radikalinski für Malcolm X und revolutionären Aufstand. (Der Vorwurf des „white washing“ ist heutzutage schnell parat, wäre aber nur dann haltbar, wenn man die früheren X-Men-Comics als Allegorisierung allein der Bürgerrechtsbewegung liest; allerdings handelt es sich ja bei dem einen um einen Querschnittsgelähmten, bei dem anderen um einen Shoah-Überlebenden, und beide sind Mutanten – sprich da braucht man nicht viel „appropriaten“, um auch abseits der Hautfarbe einen struggle zu erkennen.) So emanzipationspolitisch aufgeladen, wenn man so will, sind die Avengers-Kinoadaptionen selten, „Black Panther“ ist’s dafür umso stärker; dabei gefällt er sich darin, die Grenzen zwischen dem Protagonisten und Antagonisten bis zur schließlichen falschen Versöhnung (und Beseitigung des allzu Abseitigen) zu verwischen und damit so was wie den gesellschaftlichen Antagonismus schlechthin zu verschleiern.
Auch erzählerisch nimmt Regisseur Ryan Coogler größtmöglichen Abstand vom Mutter-Franchise, dessen Geschehnisse bis auf wenige Andeutungen außen vor bleiben, wenig Abstand dagegen von dem Ansinnen, die leidgeplagte Black History und Gegenwart für seinen Blackbuster in den Dienst zu nehmen. Seit Jahrhunderten gedeiht in Afrika der dank Alien-Technologie hochentwickelte Ethnostaat Wakanda, in dem Tribalismus und Monarchie herrschen, nicht von ungefähr absichtlich versteckt vor der restlichen Welt. Der König und titelgebende Hero muss den Thron gegen die royalen Ambitionen des Antagonisten verteidigen, der die Nation öffnen und die „Verdammten dieser Erde“ (im Sinn Frantz Fanons mehr denn der Prolet-Arier-Bewegung) mit Waffen ausstatten will. (Apropos Ausstattung: Die ist afrofuturistisch und oft auch, wie die Darstellung Teil-Afrikas insgesamt, ethnokitschig.)
Zum dritten Mal schon arbeitet Coogler mit Michael B. Jordan zusammen, der den kampferprobten und narbenübersäten Widersacher mit viel Swag mimt. Am Ende eines kaum aufregenden Showdowns gewinnt nicht dessen aggressive Identitätspolitik, sondern Wischiwaschi-Universalismus; der Panther gibt die NGO für schwarze Kids im Ghetto, tritt vors Weltpublikum, erklärt sich bereit, Wakanda-Technologie mit diesem zu teilen und spätestens, als er von einem single tribe namens Menschheit träumt, ist der Vergleich mit Martin Luther King (genauer: einer trivialisierten Schwundform von ihm) aufgelegt.
Das ist eben so lieb wie liberal und insofern vor allem auch zu verstehen als Eingemeindungsritual ins Marvel Cinematic Universe (geschlossene Grenzen und Ethnopolitik sind hier ein No-Go, denn Disney wie Kapital kennen weder Grenzen noch Rassen: Grenzen nicht, weil seine Produkte ja überall auf der Welt abgesetzt werden und Kapital frei fließen soll; „Rassen“ nicht, weil prinzipiell alle sowohl ausbeutungsfähig als auch Zielgruppe sein und diese Produkte gefälligst erwerben sollen – was nicht heißt, dass Kapitalismus Rassifizierungen und Rassismus nicht auch produziert und davon genauso wie von Grenzen auch profitiert).
Der Panther ist nun also fixer Bestandteil des weltweit operierenden und bunten Kinohelden-Teams Marke Walt Disney Company, der nach Marvel, Pixar und Lucasfilm usw. usf. nun seit kurzem 21st Century Fox und damit die X-Men gehören. Vom struggle wird demnach noch viel zu sehen, hören und lesen sein – wer aber von Monopolisierung nicht reden will, sollte auch vom ihm schweigen.
Ein Essay zum „popkulturellen Hintergrund des Black Panther“ findet sich hier.
Black Panther
USA 2018 – 134 min.
Regie: Ryan Coogler – Drehbuch: Ryan Coogler, Joe Robert Cole – Produktion: Kevin Feige, David J. Grant – Kamera: Rachel Morrison – Schnitt: Michael P. Shawver, Debbie Berman – Musik: Ludwig Göransson – Verleih: Walt Disney – FSK: ab 12 Jahren – Besetzung: Chadwick Boseman, Michael B. Jordan, Lupita Nyong’o, Danai Gurira, Forest Whitaker, Martin Freeman, Daniel Kaluuya, Winston Duke, Letitia Wright, Andy Serkis, Angela Bassett
Kinostart (D): 15.02.2018
David Auer ist gelegentlicher Filmkritiker. Hauptsächlich findet man seine Texte – meist über Blockbuster und Horror – im Wiener Stadtmagazin Falter, manchmal in der Filmzeitschrift kolik.film und auch auf filmgazette.de.