Comic-Salon Erlangen 2018 – Vielfalt und alte Veteranen

Internationaler Comic-Salon Erlangen – Foto: Erich Malter, 2018

Für Fans ist der Comic-Salon in Erlangen auch deshalb ein Paradies, weil so unglaublich viele Comickünstler anreisen, die ihre Bücher mit handgezeichneten Bildern signieren. Die längsten Schlangen gibt es bei Klassikern wie Jean-Claude Mézières „Valerian und Veronique“-Serie, die im vergangenen Jahr als Luc-Besson-Verfilmung in die Kinos kam. Lange musste man auch bei Comic-Veteranen anstehen, die plötzlich wieder veröffentlichen. Gerhard Seyfried hat seinen Berliner Anarcho Zwille ins 21. Jahrhundert geholt. Und Brösel bringt nach 18 Jahren mal wieder ein „Werner“-Buch raus. Rötger Feldmann (Brösel): „Das ist genauso ein Hype wie früher, es hat sich nichts geändert ich hätte nicht gedacht, dass die Menschen auf Werner noch so abfahren – aber sie tun es.“

Tatsächlich wurde der neue „Werner – Wat Nu?“-Comic im Internet-Handel schon als Bestseller geführt, bevor er am vergangenen Freitag überhaupt rausgekommen ist. Der linke Rocker-Rebell funktioniert als Marke offenbar immer noch. Rötger Feldmann (Brösel): „Werner ist einfach ein Mensch wie du und ich, der einfach seine Ruhe und seinen Spaß haben will, und wenn den einer nervt, dann muss er sich zur Wehr setzen. Das sollten ja eigentlich alle tun. Wenn das alle tun würden, dann würde die Politik ein bisschen anders laufen in diesem Land. Aber die Menschen laufen ja nur noch ferngesteuert mit ihren Smartphones rum, und die werden ja nur gefüttert mit irgendwelchen Fake News, die sollen sich mal wieder besinnen, wie sie früher waren. Wir haben uns gegen das Establishment aufgebäumt und unser eigenes Ding gemacht.“

Internationaler Comic-Salon Erlangen – Foto: Erich Malter, 2018

Rund 30.000 Besucher hat der Comic-Salon in diesem Jahr gezählt – das ist ein neuer Rekord. Auch die Organisation des Festivals wurde zur Herausforderung, denn der übliche Veranstaltungsort – das Erlanger Kongress-Zentrum – war wegen Sanierung geschlossen. Die Stadtbibliothek und die Universität wurden deshalb zu Ausstellungsorten umfunktioniert. Und das Stadtmuseum zeigte eine umfangreiche Ausstellung zum Comicjournalismus mit Klassikern wie Joe Saccos Reportagen aus Krisengebieten und eher unbekannten Projekten aus aller Welt. Dazu gab es ein umfangreiches Diskussionsprogramm. Anders in diesem Jahr war auch: Die Aussteller waren in Messezelten in der Innenstadt verteilt – so dass man zwischen den Lesungen, Signierstunden und Diskussionen durch Innenstadt und Schlosspark schlenderte. Für den Festivalleiter Bodo Birk eine ziemlich teure Lösung – nur für diesen einen Comic-Salon: „Wir haben es ein bisschen befürchtet, dass wenn wir es einigermaßen ordentlich hinkriegen mit dem Provisorium, dass es vielen Leuten sehr gut gefallen wird, und wir bekommen tatsächlich viel Feedback, dass es schön wäre, wenn man aus diesem Provisorium eine Dauerlösung macht. Weil man das Gefühl hat, die ganze Stadt lebt in der Zeit und atmet während dieser Zeit dieses Festival.“

Der Comic-Salon ist auch deshalb ein Großereignis für die Szene, weil man sich hier einen Überblick über sämtliche Comicsparten verschaffen kann – einen kleinen Überblick gibt die Liste der Nominierten für den renommierten Max-und Moritz-Preis, der in Erlangen vergeben wird. In den vergangenen Jahren sind die Nominierten immer vielgestaltiger geworden – ein Zeichen dafür, wie stark der Comic in ganz vielen Bereichen ist. Durch die Preisverleihung führen ganz traditionell der Comicexperte Christian Gasser und Comicliebhaberin Hella von Sinnen – und die prämieren nicht nur Kinderbuchklassiker, sondern auch eine erotische Autobiografie. Als bester deutscher Comickünstler aber wird Reinhard Kleist gekürt: „Es ist halt schon so eine Auszeichnung nicht nur für den Moment, sondern für die ganze Arbeit, die man geleistet hat bis zu diesem Punkt, wo man jetzt gerade ist und das war ja bei mir schon so eine ganz schöne Achterbahnfahrt.“

Internationaler Comic-Salon Erlangen – Foto: Erich Malter, 2018

Im vergangenen Jahr hatte Reinhard Kleist mit seiner Musikerbiografie von Nick Cave großen Erfolg. Biografien sind seine Spezialität. Und während der Feier zur Preisverleihung erzählt der Comickünstler, was er als nächstes vorhat: „Ich sitz jetzt halt grad so an den Vorzeichnungen zu dem nächsten Projekt, das wird eine Geschichte über einen Boxer wieder, das wird die Geschichte von Emile Griffith ein Boxer in den 60er, 70er Jahren aus Amerika, der wahnsinnig erfolgreich war, Weltmeister mehrere Jahre lang, in verschiedenen Gewichtsklassen sogar. Und der war halt nicht nur Boxer, sondern auch Sänger und Damenhutdesigner, war mehr oder weniger offen schwul, und der hat eine unglaubliche Lebensgeschichte. Und danach möchte ich gern wieder einen Musiker machen – und ich möchte gerne zu „Starman“ zeichnen.“

Also nicht wieder eine ganze Musikerbiografie – sondern die Entstehungsgeschichte eines einzelnen Songs von David Bowie. Genug Stoff also für die kommenden Comic-Salons in Erlangen.

Dieser Text erschien zuerst auf: Deutschlandfunk.

Andrea Heinze arbeitet als Kulturjournalistin u. a. für kulturradio rbb, BR, SWR, Deutschlandfunk und MDR.