Die unglaubliche Geschichte des Mr. W – „EC Archiv: Wally Wood“

Filmplakate waren schon immer etwas Wunderbares, vor allem in den seligen 50ern, als Horror- oder Science-Fiction-Streifen nicht zuletzt durch phantasievoll-reißerische Plakate punkten mussten, um die Teenie-Horden in die Drive-In-Kinos zu locken. Oft wurde dabei mit kleinen Bild-Inlays auf die gebotenen Attraktionen hingewiesen: „See disembodied hand that crawls!“ „See a city in terror!“ Und (mein ewiger Favorit): „See space monster tear huge elephant apart!” Das alles, und noch viel mehr, gilt auch für diese monumentale Anthologie, die das Werk des großen Wallace Wood (Wally durften ihn nur seine Freunde nennen) unter dem Motto „Alle Science Fiction & Fantasy Storys!“ präsentiert und dabei die Geschichten versammelt, die Wood ab 1950 für die Magazine „Weird Fantasy“ und „Weird Science“ zeichnete (als Autor betätigte er sich nur in wenigen raren Ausnahmen). Beide Hefte stammten aus dem Rennstall EC, der unter dem Label „An Entertaining Comic“ in den 50er Jahren auf den SF-Boom aufsprang und derart haarsträubende Covers bot, dass nicht zuletzt die EC-Produktion zum Stein des Anstoßes für Fredric Werthams Hetzkampagne gegen das Medium Comic wurde, die unter dem Titel „Seduction Of The Innocent“ 1954 über die Comicwelt hereinbrach.

Wallace Wood (Zeichner): „EC Archiv: Wally Wood Band 1“.
Aus dem amerikanischen Englisch von Jörg Bennert. All Verlag, Wipperfürth 2018. 160 Seiten. 29,80 Euro

In den insgesamt neunzehn hier aufgelegten Storys zeigt sich in unterschiedlichsten Facetten das Talent Woods, den EC-Verleger Ed Gaines als den „besten Science Fiction-Künstler, den es je gegeben hat“ bezeichnete: Wallaces Stil war anfangs noch eher funnyhaft-cartoon-artig (hier zu bestaunen etwa in „Nur die Zeit wird es zeigen“/„Only time will tell“ aus „Weird Fantasy“ 13 von 1950 oder „Die schwarzen Künste/„The black arts“ aus „Weird Fantasy“ 14 aus demselben Jahr), was nicht zuletzt der zeichnerischen Zusammenarbeit mit Harry Harrison geschuldet war, mit dem gemeinsam Wood seine ersten vier SF-Beiträge für EC ablieferte. Harrison wandte sich in Folge dem Texten und später der Schriftstellerei zu – unter anderem ersann er die „Stainless Steel Rat“ und die Vorlage für die düstere Film-Dystopie „Soylent Green“ -, während Wood spätestens mit „Die dunkle Seite des Mondes“/„Dark side of the moon“ im Oktober 1950 zu seinem ureigenen Ausdruck fand. Von da an stand Wood synonym für Raumfahrer in hautengen Anzügen und Weltraumhelmen, die aussahen wie umgedrehte Goldfischgläser, für detaillierte exotische Landschaften, schlanke, innen vollgestopfte Raketen, monströse Aliens und attraktives weibliches Personal in figurbetonten Oberteilen. Somit lieferte Wood die Blaupause für die zahllosen Space Operas, die unter der Ägide von George Pal ab 1950 die Kinos durchfluteten – „Destination Moon“, „When Worlds Collide“, „Rocketship XM“, die Ästhetik all jener Produktionen mit ihren pfeilförmigen Raumern und Kugelhelmen atmet eindeutig den Geist von Wood.

Auch inhaltlich stand das Autorengespann Bill Gaines und Al Feldstein, die nach Harrisons Abgang übernahmen, dem zeitgenössischen SF-Kino nahe: Da landen Außerirdische grundsätzlich in einem Meteor knapp hinter dem Horizont einer einsamen Farm, nehmen menschliche Gestalt an und manipulieren Menschen per Hypnose („Zusammenbruch“/„Breakdown“ aus „Weird Fantasy“ 7 von 1951), so wie das im Guten Jack Arnold in „It Came From Outer Space“ und im Abseitigen William Cameron Menzies in den „Invaders From Mars“ vorführten. Auch die Tücken der Zeitreise inszenierte Wood früh, von der nicht durchbrechbaren Abfolge der Ereignisse in „Only time will tell“ bis hin zur Erkenntnis, dass einer der wenigen Überlebenden den „Untergang der Titanic“ („Sinking of the Titanic“, „Weird Science“ 6 von 1951) letztendlich selbst herbeiführt, als er in die Vergangenheit reist und die Katastrophe abwenden will. Generell steht die Erzähltechnik dieser Short Stories häufig im Zeichen eines Twists, einer Ironie des Schicksals, einer Zeitschleife oder eines fast schon griechisch-tragisch anmutenden unabwendbaren Geschicks, dessen Schlinge sich immer mehr zuzieht, je mehr der Protagonist dagegen ankämpft. So ergibt sich die formidable Werkschau eines einflussreichen Künstlers, dessen Stil sogar noch in den „Mars Attacks!“-Sammelkarten der 60er Jahre Nachhall fand. Schön aufgemacht in Hardcover und versehen mit Vor- und Nachwort, darf man den Band getrost allen Freunden gepflegten SF-Horrors ans Herz legen. Die Ausgabe ist auf insgesamt vier Bände ausgelegt – wir warten gespannt.

Dieser Text erschien zuerst auf Comicleser.de.

Holger Bachmann ist Autor diverser Bücher und Aufsätze zur Film- und Literaturgeschichte. Neben dem Comicleser.de schreibt er auf kühleszeug.de über Konzerte und geistvolle Getränke.