„Descender 2“ – Maschinenmond

Jeff Lemires stimmungsvolle Aquarell-SF enttäuscht auch mit ihrer Fortsetzung nicht.

Der Roboter-Junge Tim-21 konnte nur durch ein Wunder in allerletzter Sekunde vor einem Heer blutrünstiger, kriegerischer Aliens gerettet werden. Eine Rebellion der Maschinen hat sich zusammengeschlossen und geschworen, alle Angehörigen ihrer „Spezies“ vor dem sicheren Tod durch intergalaktische Schrottjäger zu bewahren. Doch Tims Programmierung hat ihn nicht gelehrt, sich gegen die Menschheit aufzulehnen. Selbst dann nicht, wenn sie ihn und alle, die auch nur entfernt so sind wie er, töten will. Er ist ein Robot-Gefährte und in einer Familie mit dem kleinen Andy, seiner Mutter und dem mechanischen Hund Bandit aufgewachsen. Sein sehnlichster Wunsch ist es, zu dieser Familie zurückzukehren. Zu seinem Glück lautet die oberste Direktive seiner neuen Rebellen-Freunde: Höre stets auf deine Programmierung!

descender2coverAuch mit dem zweiten Band bleibt „Descender“ ein rührendes und rasantes Meisterwerk. Obwohl sich wohl kein Genre so sehr wie die Science-Fiction dazu eignet, sich als Autor in Zitaten und Stereotypen zu verlieren, erschafft Jeff Lemire (Sweet Tooth, X-Men) eine unglaublich glaubwürdige Welt zwischen rauher, kalter Endzeit und anrührendem Märchen. Sowohl der mysteriöse Maschinenjäger, als auch Großmaul-Mutant Blugger Vance bereichern das ohnehin schon ausgesprochen vielseitige Abenteuer um ungeahnte, neue Facetten. Bei aller Begeisterung für den absolut großartig erzählten Inhalt, der trotz seiner Qualitäten das Rad weder neu erfinden kann noch will, bleibt die große Stärke von „Descender“ seine atemberaubende Präsentation. Dustin Nguyens zarte Aquarelle verleihen dem kalten, zerfallenden Universum eine zerbrechliche, natürliche Schönheit, ohne damit die Bedrohlichkeit und Feindseligkeit des Szenarios zu zerstören.

Die klare Referenz im Scifi-Comic schmiegt sich passgenau in die klaffende Schlucht zwischen sperrigen, intellektuellen Stoffen und romantisch verklärter Pop-Kultur, weiß gleichermaßen vortrefflich zu unterhalten und stellt dem Leser existenzielle Fragen, die ihn auch über die Lektüre hinaus begleiten werden.

Jeff Lemire, Dustin Nguyen: Descender Bd. 2 – Maschinenmond. Splitter, Bielefeld 2016. 120 Seiten, 19,80 Euro