Im Juni dieses Jahr feierte unser aller liebster Geheimagent mit der Lizenz zum Töten nach genau 20 Jahren mit „Vargr“ ein grandioses Comic-Comeback, das es sogar schafft das neuste Kino-Abenteuer „Spectre“ reichlich alt aussehen zu lassen. So wollen echte Bond-Fans Bond: Ultrahart, kantig, lakonisch, brutal und genau so müssen echte Bond-Abenteuer aussehen: knochentrockener Agententhrill mit furioser Action und einem wirklich superbösen Bösewicht. Perfekt und trotz sanfter Modernisierung weitaus mehr im Geiste von Bond-Schöpfer Ian Fleming als viele der stark verkitschten Leinwand-Inkarnationen der letzten Jahrzehnte. Umso größer dann der Schock neulich: Band 2 „Eidolon“ wird verschoben! Sogar bis Frühling 2017! Kreisch!
Die ideale Zeit für einen Rückblick – welche Comic-Missionen hat 007 in den letzten Jahrzehnten eigentlich so absolviert?
1. Bond als Comicstrip
Die gezeichnete Version gab es schon vier Jahre vor dem ersten Leinwand-Auftritt („James Bond – 007 jagt Dr. No“, 1962), nämlich in Form eines Comicstrips in der britischen Boulevard-Tageszeitung Daily Express. Deren Besitzer Lord Beaverbrook hatte im Jahr davor bei Bond-Erfinder Ian Fleming angefragt, ob man seine Romane denn nicht als Vorlage für eine Comicstrip-Serie verwenden könne. Fleming war erstmal nicht unbedingt angetan, denn er befürchtete, dass diese Version qualitativ mit seinen Büchern nicht mithalten wird und sich eventuell sogar negativ auf den Verkauf der Romane auswirken könnte, da die Leser bei soviel Bond vermutlich schnell genug haben werden.
Aber es gibt kein besseres Hausmittel gegen Befürchtungen aller Art als Geld, zudem wurde Fleming das finale Wort zugesichert und so feierte am 07. Juli 1958 die Comic-Fassung von „Casino Royale“ Premiere, adaptiert von Anthony Hern (der den Schriftsteller bereits von einer früheren Zusammenarbeit kannte) und gezeichnet von John McLusky, der noch bis 1966 an der Reihe arbeiten sollte. Interessanterweise weicht das Aussehen des Geheimagenten in dieser Version deutlich von den Vorstellungen seines Erfinders ab: Fleming hatte – als Unterstützung für die Macher – eigens einen Zeichner angeheuert um seine Vision aufs Papier zu bringen, doch McLusky war der Vorschlag nicht zeitgemäß genug, weswegen er den Agenten deutlich kantiger und maskuliner anlegte, als es Fleming vorschwebte.
Die nun folgenden Geschichten wurden von Henry Gammidge adaptiert, bis auf eine Ausnahme: Für „Dr. No“ war Peter O’ Donnell verantwortlich, der ab 1963 mit „Modesty Blaise“, einer Serie um eine weibliche Geheimagentin zu lang anhaltendem Weltruhm kommen sollte (in den 1990er-Jahren flammte das Interesse vor allem dank einem gewissen Quentin Tarantino noch mal so richtig auf).
Ein interessanter Umstand am Rande: Die Strip-Version von „Thunderball“ blieb unvollendet, beziehungsweise wurde erst später in anderen Zeitschriften in nachträglich komplettierter Version veröffentlicht. Der Grund: Lord Beaverbrook und Fleming hatten einen Streit, da der Autor die Rechte an seiner Kurzgeschichte „The Living Daylights“ an die Konkurrenz der Sunday Times verhökert hatte. Der Lord war alles andere als amused und dampfte nicht nur die geschäftlichen Beziehungen zum Bond-Papa, sondern auch „Thunderball“ unverzüglich ein. Doch die beiden rauften sich wieder zusammen und 1964 ging es mit „On Her Majesty’s Secret Service“ weiter.
Im gleichen Jahr wurden in Japan offiziell abgesegnete, japanische Bond-Mangas von Zeichner und Autor Takao Saito veröffentlicht, die von den Titeln her („Thunderball“, „The Man With The Golden Gun“, „On Her Majesty’s Secret Service“ und „Live And Let Die“) zwar den Eindruck erweckten, dass es sich hierbei um Adaptionen der flemingschen Romane handelt, allerdings schon sehr von den Vorlagen abwichen, was vermutlich auch der Grund für die Einstellung der Reihe im Jahr 1967 war.
Der japanische Bond erlebt aber schon ein Jahr später eine Quasi-Reinkarnation in Saitos „Golgo 13“, dessen wortkarge Hauptfigur, ein Profikiller, eine schon ziemlich starke Ähnlichkeit mit Saitos Bond-Version hat. Die Manga-Reihe wurde mit über 280 Millionen verkauften Exemplaren (inklusive der natürlich obligatorischen Nebenprodukte wie Verfilmungen, Videospielen etc.) ein gigantischer Erfolg und läuft unglaublicherweise – mit Saito am Ruder! – immer noch, soll aber laut einer Ankündigung vom letzten Jahr allmählich zum Ende kommen.
Doch zurück zu unserem britischen Ladykiller: Ab 1966 übernahm Yaroslav Horak den Zeichenstift von McLusky und kümmerte sich zusammen mit Jim Lawrence um die Sprechblasen-Variante von sechs weiteren Fleming-Romanen und Kurzgeschichten, aber ebenso um „Colonel Sun“ von Kinsgely Ami, dem ersten James-Bond-Thriller, der nach dem Tod Flemings 1964 von einem neuen Autor geschrieben wurde.
Nach dem großen Erfolg von „The Man with the Golden Gun“ – das Buch erschien ein paar Monate nach dem Tod des Autors – erhielt man von der Treuhandgesellschaft die Erlaubnis komplett eigene Stoffe zu entwickeln, was dann ab 1968 der Fall war: Insgesamt folgten 20 Geschichten, von denen eine der im Bondiversum mit Sicherheit krudeste „The League of Vampires“ ist, in der es Bond mit einem Vampir-Kult zu tun bekommt. Auffallend ist, dass mit dem Beginn der Originalgeschichten von Horak und Lawrence Bond erstaunlich freizügig wurde, so wimmelt es nur von halbnackten oder auch ganz nackten Mädels – ebenso bemerkenswert, da es sich beim Daily Express eigentlich um eine sehr konservative Zeitung handelt.
1977 wurde die Reihe eingestellt, Horak und Lawrence produzierten bis 1984 aber weitere Geschichten für den Sunday Express, den Daily Star und für Publikationen außerhalb Großbritanniens. Die Zusammenarbeit wurde allerdings zweimal unterbrochen: Zwischen 1981 und 1983 gab es ein kurzes Comeback von John McLusky, der fünf Abenteuer mit seiner Kunst schmückte, „Doomcrack“ wurde 1981 von Harry North bebildert, der zeitgleich für die Filmparodien beim „MAD“-Magazin zuständig war. 1984 erschien vom Team Yaroslav Horak und Jim Lawrence mit „Double Eagle“ der letzte Bond-Comic-Strip.
Im Laufe der Jahre wurden die Geschichten vom britischen Verlag Titan Books in verschiedenen Sammlungen nachgedruckt, die günstigste Variante dürfte hier die „The James Bond Omnibus“-Reihe sein, von der sechs Teile erschienen sind (Volume 001-006). Eine absolut lohnenswerte Anschaffung.
Das erste Bond-Comicheft erschien 1963. Es handelte sich um die Adaption des ersten Spielfilms „Dr. No“ und ist gleichzeitig auch ein schönes Beispiel für eine klassische Fehleinschätzung.
Der Band erschien in der Reihe „British Classics Illustrated“, ein Ableger der US-Serie „Classics Illustrated“, die große Literatur („Der Graf von Monte Christo“, „Moby Dick“, „Robinson Crusoe“ etc.) in Comicform veröffentlichte. Als Zielgruppe hatte man in erster Linie junge Menschen im Blick, die man auf diesem Weg an die Welt der Hochliteratur heranführen wollte. Aus diesem Grund gab es in jedem Band auch eine Biographie des Autors und diverse Lehrmaterialien.
In den USA wurde „Dr. No“ allerdings nicht unter „Classics Illustrated“ veröffentlicht. Der US-Verleger „Independent News Corporation” glaubte nicht an einen erzieherischen Mehrwert (Hauptabnehmer waren Schulen und Büchereien), allerdings war die Firma in Besitz der „National Periodical Publications“, denen „DC Comics“ gehörte und so kaufte man die Rechte trotzdem und Bond fand sich bald – allerdings in heftig zensierter Form – unter lauter maskierten Superhelden wieder. Doch der Erfolg ließ zu wünschen übrig, was wohl daran lag, dass der Kinofilm erst ein paar Monate später startete und Flemings Buchreihe in Amerika nahezu unbekannt war.
Vielleicht lag es aber auch ein wenig an der Qualität, denn bei der mit gerade mal 32 Seiten nicht gerade umfangreichen Veröffentlichung handelt es sich um eine etwas obskure Produktion. Das Cover der US-Ausgabe stammt immerhin von Legende Bob Brown („Space Ranger“), die Geschichte aber wurde von „British Classics Illustrated“-Stammzeichner Norman J. Nodel ins Leben gerufen, der hier nicht nur deutlich hinter DC-Standard, sondern auch hinter seinem eigenen bleibt, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass Nodel lediglich auf das Drehbuch und diverse Standfotos (einige Panels imitieren diese auch fast eins zu eins) zugreifen konnte.
DC legte ihren Superspion jedenfalls zu den Akten, erst 1972 wurde das Thema wieder akut: Bond war mittlerweile ein weltweit erfolgreiches Phänomen und der frischgebackene DC-Geschäftsführer Carmine Infantino entdeckte überrascht, dass man damals einen 10-Jahres-Vertrag abgeschlossen hatte. Doch da Sean Connery zu diesem Zeitpunkt ankündigte, dass „Diamantenfieber“ sein letzter Bond-Film sein werde, war man sich bezüglich der Zukunft der Reihe unsicher und ließ die Option auslaufen.
Danach war erstmal rund 20 Jahre Pause, nach der sich Bond mit einer Adaption von „In tödlicher Mission“ (1981) unter der Marvel-Flagge auf dem Comic-Markt zurückmeldete, worauf 1983 dann „Octopussy“ folgte.
Quasi zur selben Zeit (1982) begann der schwedische Verlag Semic Press, die zuvor lediglich die britischen Strips in Skandinavien ausgewertet hatte, eine Reihe an eigenen Geschichten zu veröffentlichen, allerdings schaffte es davon kaum was über die Landesgrenze hinaus.
1989 übernahm Eclipse Comics das Ruder und veröffentlichten eine gezeichnete Version des wohl brutalsten Bond-Films aller Zeiten „Lizenz zum Töten“, Illustrator war Mike Grell, der im gleichen Jahr als Zeichner und Autor weiterhin „Permission To Die“ verantwortete, eine dreibändige Serie, die eine komplett eigenständige Geschichte erzählt.
Mit originalen Geschichten ging es ab 1992 dann auch weiter: Dark Horse Comics veröffentlicht eine Reihe an neuen Titeln – „Serpent’s Tooth“ (1992/1993), „A Silent Armageddon“ (1993), „Light of My Death“ (1993), „Shattered Helix“ (1994), „Minute of Midnight“ (1994)“, “The Quasimoto Gambit“ (1995) – von denen „A Silent Armageddon“ unvollendet blieb, es wurden von den geplanten vier nur zwei Hefte veröffentlicht und im Gegensatz zu „Thunderball“ gab es auch keine nachträgliche Komplettveröffentlichung.
Das gleiche Schicksal ereilte 1995 „GoldenEye“ von Topps Comics: Die Reihe zum James-Bond-Debüt von Pierce Brosnan sollte in drei Bänden veröffentlicht werden, schaffte es allerdings nicht über den ersten hinaus. Der Grund: Da man sich über das Cover der zweiten Folge nicht einigen konnte, beendete man die Reihe kurzerhand und auch alle Pläne für eine weitere, fortlaufende Bond-Serie wurden eingestampft.
Danach war erstmal wieder Schweigen im Comic-Walde – bis Dynamite Entertainment die Lizenz erwarb und der Doppelnull mit „Vargr“ ein grandioses Comeback spendierten, das wohl niemand so recht auf den Schirm hatte: Man kann den Verwaltern der James-Bond-Marke nur laut „DANKE!“ sagen, dass man es Warren Ellis gestattete so dermaßen ruppig mit ihrem Eigentum umzugehen, in heutigen Zeiten, in denen Franchisen dieser Dimension auf maximale Massenverträglichkeit ausgerichtet werden, nicht unbedingt erwartbar und man kann sich auch lauthals bei Splitter für die deutsche Version bedanken, denn das ist kurioserweise gerade bei einer solch legendären Marke alles andere als selbstverständlich – von den Ganzen hier vorgestellten Comics hatten es lediglich „Octopussy“ (Semic, 1983), „Im Angesicht des Todes“ (Ehapa, 1985) und das dreibändige „Der Zahn der Schlange“ („Serpent’s Tooth“) (FeestUSA, 1993) nach Deutschland geschafft!