Erst am Grab ihres Vaters begreifen die Geschwister Lizbeth und Leland, dass sich während ihrer langen Autofahrt offenbar explosionsartig eine grauenvolle Seuche in Nordamerika ausgebreitet hat. Menschen verwandeln sich in blutrünstige, hemmungslose Monstrositäten und ernähren sich fortan vom Fleisch der schwindenden Zahl jener, die sich die Kontrolle über Körper und Geist bislang noch bewahren konnten. Während die beiden sich mit letzter Kraft und gemeinsam mit weiteren Überlebenden den Weg zu einem von seinem geisteskranken Inhaber befestigten Hotel bahnen, versucht Lizbeths Ehemann gemeinsam mit ihren beiden Kleinkindern dem endzeitlichen Szenario zu trotzen, um die Familie bald wieder zu vereinen…
„Die Nacht der Lebenden Toten“ von Altmeister George A. Romero gilt als einer der absoluten Meilensteine, wenn nicht sogar als der wichtigste Vertreter, des modernen Zombie-Films. Aber es ist überhaupt nicht notwendig, mit dem Film vertraut zu sein, um das gleichnamige Comic-Werk genießen und verstehen zu können. Denn die Zusammenhänge zwischen Filmklassiker und bildschönem Comic-Schocker werden nur ganz langsam und zaghaft gesponnen, beschränken sich auf in grünen Nebel gehüllte Rückblicke. Die inzwischen zwei erschienen, großformatigen Hardcover-Alben verstehen sich als stilsichere Liebeserklärung an das Genre und seine oft stereotypen Charaktere und Handlungsbausteine. Wie Jean-Luc Istin allerdings all die kitschigen, wenig glaubhaften Puzzleteile mit viel Klasse und perfektem Spannungsbogen neu arrangiert, wird auch den abgebrühtesten Zombie-Veteranen viel Freude bereiten.
Das liegt aber nicht nur an misanthropischen Hoteliers mit Scharfschützen-Gewehren, Sonnenbrille tragenden Sprücheklopfern, psychotischen Kühltruhen-Bewohnerinnnen und eigentlich sehr spärlich gesäten Splatter-Sequenzen, sondern sicher auch an den großartigen Malereien des italienischen Künstlers Elia Bonetti. Superhelden-Freunden werden die opulenten Bilder des Comic-Künstlers sicher bereits durch seine Arbeiten für „Captain America“, „Death of Wolverine“ oder das Marvel-Event „Fear Itself“ ein Begriff sein.
Mit deutlich weniger Tiefsinn als in Sophian Cholets „Zombies“ (Band 4 ab Mai 2016), dafür aber mit zahllosen Genre-Zitaten und herrlichem Optik-Bombast reiht sich „Die Nacht der lebenden Toten“ nahtlos in Splitters großartige, europäische Untoten-Comics, die Anfang Juli durch die hübsche Krankenschwester „Alice Matheson“ weiteren Zuwachs erhalten werden. Die extrem kurzweilige und spannende Zombie-Hatz ist weit mehr als ein hübscher Lückenfüller vor der nächsten Seuchenwelle aus dem Hause Splitter und zollt mit stylischen Song-Zitaten der von der Kritik zu Unrecht unterschätzten Neuverfilmung von „Dawn of the Dead“ (2004) ihren verdienten Tribut. Volltreffer.
Jean-Luc Istin, Elia Bonetti: Die Nacht der lebenden Toten Bd. 2 – Mandys Dämonen. Splitter, Bielefeld 2016. 56 Seiten, € 14,80.