Der junge Ritter Gawain ist ein scheinbar ausgesprochen zurückhaltenes Exemplar seiner Berufsgruppe. Die zahlreichen Damen, die ihm Avancen machen behandelt er höflich, bleibt dabei aber auch stets auf Distanz. Als eines Tages ein monströser, grüner Ritter Feierlichkeiten bei Hofe stört, wächst der schlacksige Jüngling weit über sich hinaus. Der ungehobelte Riese offeriert, man könne ihm einen Streich mit der Axt verpassen, sofern er diesen im Anschluss auch erwidern darf. Als Gawain nicht nur die eigene Ehre, sondern auch die seines Königs in Gefahr sieht, schlägt er beherzt zu und trennt zur großen Verwunderung aller Anwesenden mit einem sauberen Hieb das frech grinsende Haupt vom massiven Körper des Herausforderers. Offenbar hat Gawains überaus gründliche Rasur jedoch noch immer nicht genügt, um die Unverschämtheiten des anmaßenden Störenfriedes zu beenden. Bevor er die sichtlich verdutzten Gäste der Feier in ihrer Ratlosigkeit zurücklässt, kündigt der trotz seiner Kürzung noch immer ausgesprochen redselige grüne Ritter Sir Gawains unausweichliches Schicksal an. In einem Jahr wird er den Schlag seinerseits einfordern, der Teil ihrer Vereinbarung war…
Mit bewundernswerter Liebe zum Detail haben Künstler Walter Pfau und Autor Christopher Bünte das spätmittelalterliche Sagenmotiv in ein augenzwinkerndes, aber trotzdem ausgesprochen dichtes und atmosphärisches Comic-Buch verwandelt. Man kann auf jeder einzelnen Seite ganz klar die Begeisterung sehen und lesen, die das Gespann für die zugrundeliegende Geschichte empfindet. Walter Pfaus extrem eigenständige Kombination aus Cartoon-Motiven und sakraler Buntglas-Optik sorgen für entzücktes Staunen bei jedem noch so versiertem Leser und strotzen vor liebevollen und witzigen Details, während Bünte das Kunststück gelingt, die altertümliche Sprache der Figuren zu bewahren, ohne dabei zuzulassen, dass episch verklausulierte Sätze der Comic-Adaption ihre Leichtigkeit oder ihren Witz rauben.
Einzig die soliden, aber deutlich glatter und dadurch manchmal etwas deplatziert wirkenden Schriften brechen ein wenig mit der sonst beeindruckend konsistenten Präsentation. Handlettering hätte Gawain zwar deutlich besser zu Gesicht gestanden, wäre aber natürlich auch mit einem ungleich höherem, zeitlichem und finanziellem Aufwand verbunden gewesen. Und dass dieser nicht betrieben wurde, das kann man Bünte und Pfau nun wirklich nicht unterstellen. Kräftige, matte Seiten und durchscheinende Bleistiftskizzen erzeugen geschickt die Illusion, durch die Originale des Künstlers zu blättern. Vom festen, partiell mit Kunstlack verziertem Einband bis hin zur Gastgalerie mit teilweise wirklich absolut hinreißenden Pin-Ups, unter anderem von Thilo Krapp, Felix Mertikat oder US-Star Skottie Young lässt außer einem fehlendem Verlagslogo hier wirklich gar nichts mehr auf eine Indie-Produktion schließen.
Eine hinreißend charmante Liebeserklärung an Aufrichtigkeit und moralische Werte, die mit buchstäblich unvergleichlicher Optik, wohlgesetzten Gags und nahezu kompromisslos aufwändiger Ausführung glänzt.
Christopher Bünte, Walter Pfau: Sir Gawain und der Grüne Ritter. Eigenverlag 2016. 192 Seiten, Euro 22,00