„Gespenster Geschichten“ – Teil 2 Oder: Von „Gespenster Geschichten“ zu „Malcolm Max“

Seit 1977 schrieb der Schriftsteller und Comicautor Peter Mennigen zunächst deutsche Geschichten für Comicreihen wie „Gespenster Geschichten“, „Spuk Geschichten“, „Conny“, „Biggi“, „Vanessa“, „Felix“, „Lasso“, „Phantom“, „Axel F.“ und zahlreiche weitere Serien des Bastei Verlags. Ab den 90er Jahren arbeitete er für andere Verlage wie Egmont (Disney-Magazine), Panini (Jessy, Sternentänzer, Willi will‘s wissen) und Ravensburger (u.a. Fix und Foxi). In dieser Zeit verfasste er auch internationale Comics: „Lucky Luke“, „Schlümpfe“, „Bessy“ und „Isnogud“. Aktuell arbeitet er zusammen mit Ingo Römling an der Mystery-Steampunk-Serie „Malcolm Max“. Für comic.de blickt er in unregelmäßigen Abständen zurück auf seine Arbeit im deutschen Comicverlagsgeschäft.

Hier findet sich der 1. Teil zu „Gespenster Geschichten“.

Ermutigt durch den Erfolg der „Gespenster Geschichten“ erweiterte die Bastei Jugendredaktion ab Ende der 1970er Jahre kontinuierlich das Portfolio der Eigenproduktionen. Weitere Lizenzserien waren „Bessy“, „Phantom“, „Silberpfeil“, „Biggi“ oder „Lasso“. Später entwickelte man sogar eigene Comicreihen wie „Arsat“ (in „Spuk Geschichten“), „Manos“ (in „Geister Geschichten“), „Vanessa“ oder „Axel F.“, für die ich fast alle Geschichten verfasste.

Selbst bei der Fülle von Szenarios wurde das Schreiben für mich nie zu einer monotonen Fließbandarbeit. Vielmehr sah ich jede einzelne Story als Herausforderung, sie möglichst gut und – im Rahmen der Vorgaben – möglichst originell zu gestalten. Und obwohl sich meine Arbeit als Comicautor quasi zu einem rund um die Uhr 7-Tage-Job entwickelte, empfand ich das damit verbundene Pensum zu keiner Zeit als lästig. Es war großartig, ein Privileg, der beste Job der Welt, die Erfüllung meines Lebenstraums. Weshalb es bei mir auch niemals so etwas wie ein „Burn-out-Syndrom“ gab. Im Gegenteil, je mehr ich schrieb, desto mehr Ideen hatte ich. Hinzu kam, dass mir die Struktur, der dramaturgische Aufbau von Geschichten, so in Fleisch und Blut überging, das oft ein Bild oder ein Wort genügte, schon bastelten meine grauen Zellen eigenständig eine Story daraus.

Cover „Gespenster Geschichten Spezial“ #126

Der Erfolg der „Gespenster Geschichten“ weckte auch Begehrlichkeiten bei anderen deutschen Verlagen. Anfang der 1980er Jahre meldete sich der Condor Verlag bei mir, um mich als Autor von Bastei abzuwerben. Der Kontakt war über Hajo F. Breuer zustande gekommen. Er schrieb seinerzeit nicht nur die Sprechblasentexte meiner Comics für Bastei, sondern übersetzte für Condor auch verschiedene Marvel-Titel. Condor plante eine Comicreihe ganz im Stil der „Gespenster Geschichten“. Dafür bot man mir ein weitaus höheres Seitenhonorar, als Bastei zahlte. Trotzdem lehnte ich das Angebot ab. Das war für mich eine Frage der Loyalität, weil mir die Jugendredaktion meinen Einstieg als Autor ermöglicht hatte.

Allerdings schwebt über dem Kopf eines Comicautors auch immer das Damoklesschwert des Jobverlustes. Die Party kann abrupt vorbei sein. Bereits 1977, bei meinem zweiten Besuch im Bastei Verlag vertraute mir Werner Geismar an, dass der Verleger Gustav Lübbe die Jugendredaktion lieber heute als morgen schließen würde. Lübbe strebte Ende der 1970er Jahre einen Imagewechsel seines Verlagshauses an. Weg vom „Romanheftchen“-Publisher hin zum „seriösen“ Buchverlag. Das einzige, was ihn von der Schließung seiner Comicabteilung abhielt, war, dass die Jugendredaktion mit ihren „Heftchen“ richtig Geld machte. Als sich Gustav Lübbe im Jahre 1993 gesundheitsbedingt vom operativen Geschäft zurückzog und die Leitung des Verlages seinem Schwiegersohn Dr. Roggen übertrug, läutete das auch das Ende der Jugendredaktion ein. Nach dem Tod von Gustav Lübbe im Mai 1995 wurden sämtliche Redakteure der Jugendredaktion auf einen Schlag entlassen. Alle Comicserien wurden eingestellt – bis auf die „Gespenster Geschichten“. Ewald Fehlau betreute die Serie noch einige Jahre, wenngleich auch nur auf der Basis eines freien Mitarbeiters in Teilzeit.

Nach Auflösung der Jugendredaktion schränkte ich meine Arbeit an „Gespenster Geschichten“ zunehmend ein. Zu der Zeit schrieb ich bereits Bücher und Comics für andere Verlage, Skripte für Fernsehsender und erstellte Inhalte fürs Internet. Aufgrund sinkender Auflagenzahlen erschienen in „Gespenster Geschichten“ ab Heft 1199 nur noch Nachdrucke alter Comics. Im März 2006 wurde die Reihe dann nach 1654 Heften eingestellt.

Heft #2 der Neuauflage der „Gespenster Geschichten“ vom Tigerpress Verlag mit einem „Malcolm Max“-Hörspiel als Beilage

„Gespenster Geschichten“ gehört zu den langlebigsten Comicreihen Deutschlands. In Bezug auf die Verkaufszahlen war das Heft nie ein Überflieger gewesen, trotzdem blieben die Zahlen über die Jahre hinweg konstant auf einem guten Level. Bei Bastei erschienen immer wieder Comics mit bedeutend höheren Abverkäufen. Manche Serien fanden über 400.000 Leser pro Heft. Gleichwohl schrumpften die Verkaufszahlen bei derart populären Reihen oftmals wieder ebenso rasant, wie sie empor geschnellt waren. „Gespenster Geschichten“ überlebte sie alle. In der Reihe erschienen meine allerersten veröffentlichten Comics überhaupt und die letzten, die ich für den Bastei Verlag schrieb.

Doch Totgesagte leben bekanntlich länger. Im Sommer 2008 rief Ewald Fehlau an und teilte mir mit, der Tigerpress Verlag werde die alten „Gespenster Geschichten“ nachdrucken. Als Beileger seien Hörspiele geplant, für die man nun einen Autor suchte. Da das Gros der „Gespenster Geschichten“ aus meiner Feder stammte, fiel die Wahl für das Projekt auf mich. Jan Wickmann, dem Verleger von Tigerpress, gegenüber äußerte ich allerdings meine Zweifel, ob die alten Storys noch eine ausreichende Leserschaft finden würden. Bei Bastei hatte ich die „Gespenster Geschichten“ über die Jahre hinweg stets dem aktuellen Zeitgeist angepasst, sodass sie möglichst modern statt angestaubt rüberkamen. Erst mit der Auflösung der Jugendredaktion war bei mir – was mein Engagement für die Serie betraf – die Luft raus. Und von „zeitgemäß“ waren die von Tigerpress geplanten Nachdrucke meines Erachtens inzwischen ein Stück weit entfernt. Offensichtlich sahen es die Leser ähnlich, denn die zweimonatlich erscheinende Nachdruckreihe wurde nach nur drei Ausgaben wieder eingestellt. Dennoch hatte die gescheiterte Wiederbelebung etwas Gutes: Für die als Beilage gedachten Hörspiele konzipierte ich „Malcolm Max“. Anders ausgedrückt: Ohne „Gespenster Geschichten“ hätte es auch niemals „Malcolm Max“ gegeben.

Seltsam? Aber so steht es geschrieben…

Cover Gespenter Geschichten Spezial #219


Zu den ehemaligen Zeichnern der „Gespenster Geschichten“, die später richtig Karriere gemacht haben, gehört der Kroate ESAD RIBIC.
Heute ist er einer der ganz großen Starzeichner bei Marvel. Zu Beginn seiner Karriere setzte er auch einige meiner Skripte für „Gespenster Geschichten“ grafisch um.
Thor Cover: Copyright Marvel Comics


Einer der wenigen Illustratoren, die bei Bastei ihre Comics selbst schrieben, war der legendäre „Sigurd“-Zeichner HANSRUDI WÄSCHER. Nach Schließung des Lehning Verlages heuerte er bei Bastei an. Dort schrieb und zeichnete er jedes zweite Heft der Westernreihe „Buffalo Bill“. Nach Einstellung der Serie setzte er seine Arbeit für „Gespenster Geschichten“ fort. Zwischen 1982 und 1986 erschienen insgesamt 49 Gespenster Comics aus seiner Feder.


Mitte der 1980er Jahre veröffentliche der spanische Verlag Editorial Bruguera insgesamt elf Einzelhefte und zwei Sammelalben mit Nachdrucken aus „Gespenster Geschichten“.


Ein Artikel aus der SPRECHBLASE von Gerhard Förster anlässlich der Neuauflage der „Gespenster Geschichten“ aus dem Tigerpress Verlag.


Manchmal trifft man sich wieder: Einmal als Cover eines „Gespenster Geschichten“ Comics aus den 1980er Jahren von Bastei und dann bei einem MALCOLM MAX Hörspiel von 2015 vom Verlag Romantruhe.