KNV-Insolvenz trifft auch Comic-Branche schwer

Foto: Ultra Comix

Am Donnerstag teilte die KNV Gruppe mit, dass sie beim Amtsgericht Stuttgart Insolvenz beantragt hat, nachdem am Vorabend endgültig Gespräche mit einem Investor geplatzt waren. Der Großhändler beliefert den Buchhandel mit den Veröffentlichungen der Verlage und nimmt somit eine wichtige Schlüsselstellung im Vertrieb ein – zumal KNV in diesem Bereich die Marktführerschaft im deutschen Buchmarkt besitzt.

Der Insolvenzantrag von KNV traf Buchhändler und auch Comic-Läden völlig überraschend. Gegenüber der „Stuttgarter Zeitung“ äußerte Frieder Maier von der Sammlerecke in Esslingen, dass die Geschäftsbeziehung mit KNV auf allen Ebenen wunderbar funktioniert habe, Lieferungen seien immer pünktlich gewesen, nichts habe darauf hingedeutet, dass irgendetwas mit dem Großhändler nicht in Ordnung gewesen sei.

Ausgelöst haben soll die wirtschaftliche Schieflage bei KNV der Umzug der Logistik-Zentrale von Stuttgart und Köln nach Erfurt. Dieser soll nicht nur mit 150 Millionen Euro veranschlagt worden sein, sondern zusätzliche Belastungen gebracht haben, als es dabei zu massiven Verzögerungen kam, was beispielsweise zu erheblich erhöhten Kosten für das Personal führte, das zeitweilig sowohl an den alten westdeutschen Standorten wie auch Erfurt parallel vorgehalten werden musste.

Über das Barsortiment in den Buchhandel

Das 1829 gegründete Familienunternehmen gliedert sich in zwei Geschäftsbereiche auf. Koch, Neff & Volckmar (KNV) ist ein Barsortiment, über das sich Buchhändler – aber auch Comic-Läden – kleinere Mengen oder auch kurzfristig bestellte Bücher liefern lassen können, die sie nicht zuvor langfristig bei den Verlagen geordert haben. Auch der Online-Händler Amazon bedient sich umfangreich bei Barsortimenten, deren Lager teilweise in unmittelbarer Nähe zu Amazon-Niederlassungen angesiedelt sind.

Besonders große Bedeutung haben die Barsortimente für kleinere Verlage und darunter gerade den unabhängigen Comic-Verlagen in Deutschland wie Splitter, Cross Cult oder Salleck Publications, die größtenteils über den Peter Poluda Medienvertrieb (PPM) ausliefern lassen. Dieses vor allem als Comic-Fachhandelsvertrieb tätige Unternehmen nutzt nämlich für die zusätzliche Belieferung des klassischen Buchhandels – inklusive Amazon! – die Barsortimente und hier bisher vor allem KNV.

Woher kommen die nächsten Carlsen-Bände?

Die Insolvenz betrifft aber nicht nur das KNV-Barsortiment. Zur Unternehmensgruppe gehört auch die Koch, Neff & Oetinger Verlagsauslieferung (KNO VA). Eine solche Verlagsauslieferung wickelt die gesamte Vertriebslogistik für Verlage ab, kümmert sich also auch um die direkt bei den Verlagen eingehenden Orders. Zu den von KNO betreuten Verlagen gehören auch Carlsen oder Knesebeck sowie über das Tochterunternehmen Leipziger Kommissions- und Großbuchhandelsgesellschaft (LKG) Häuser wie Reprodukt und die Edition Moderne. Wobei anzumerken ist, dass sich der Insolvenz-Antrag derzeit nicht auf die LKG erstrecken soll.

Die vom Insolvenz-Antrag direkt betroffenen Unternehmen der KNV Gruppe betonen ausdrücklich, dass ihr Tagesgeschäft zunächst weiter läuft. Trotzdem überlegt sich natürlich jeder Verlag unter den derzeitigen Umständen ganz genau, ob er noch neue Ware an KNO und KNV liefern soll, zumal wenn er gerade ernsthaft um die Begleichung noch offener Rechnungen aus vorangegangenen Anlieferungen fürchten muss. Insbesondere ein Verlag wie Carlsen, bei dem Monat für Monat umfangreiche Novitäten-Pakete zur Auslieferung kommen, befindet sich hier in einer schlimmen Lage, wenn die ganze Auslieferungskette so überraschend wegbricht.

PPM stoppt KNV-Belieferung

Die Verlage beim PPM Vertrieb haben eine etwas komfortablere Lage, da ihnen nicht die Verlagsauslieferungen wegbricht – als die ja PPM fungiert –, sondern „nur“ ein wichtiges Barsortiment. PPM-Inhaber Peter Poluda hat Comic.de mitgeteilt, dass bereits Ende der Woche alle Lieferungen an KNV gestoppt wurden, die sonst täglich mehrere Paletten mit Ware umfassen. Poluda betont, dass alle etwaigen Zahlungsausfälle aus zurückliegenden Lieferungen an KNV von PPM nicht auf die betreuten Verlage abgewälzt würden und dass diese etwaigen Verluste den Vertrieb nicht in seiner Existenz bedrohen.

Derzeit bemüht sich PPM fieberhaft um Lösungen, um mit Hilfe von KNV-Konkurrenten wie Libri und Umbreit, bei denen die Auslieferungsmengen aufgestockt werden sollen, die Belieferung des Buchhandels weiterhin im vollen Umfang zu gewährleisten. Es wird aber abzuwarten bleiben, wie dies aus Kapazitätsgründen auch nur mittelfristig möglich sein könnte, wenn so ein Schwergewicht wie KNV tatsächlich komplett aus dem Geschäft ausscheiden müsste. Branchenexperten gehen deshalb davon aus, dass es in der ganzen deutschen Buchbranche in den nächsten Monaten zu erheblichen Verwerfungen kommen könnte.