Eine Graphic Novel aus und über eine fremde Welt.
Graphic-Novel Autor Sascha Hommer reist zur Inspiration für sein neues Buch nach China, um in Chengdu, der Hauptstadt Sichuans zu leben. Seine Freunde Karl und Linda, die in der schmutzigen Millionenmetropole ihren Lebensunterhalt mit einem englischsprachigen Magazin für die zahlreichen Migranten verdienen, helfen ihm bei der Orientierung in der bizarren, fremden Welt. Stets mit dem für unsere kulturellen Begriffe absoluten Minimum an Komfort und Hygiene schlägt sich Sascha mit Gelegenheitsjobs wie dem Austragen besagter Magazine oder als deutscher Synchronsprecher durch. Inhaltlich soll er aber bitte nichts an den haarsträubend schlecht, dafür aber zertifiziert übersetzten Skripten ändern… So bahnt sich der Künstler seinen Weg durch seinen lauten, versmogten Alltag, durch ungezieferverseuchte, stinkende WG-Zimmer. Stets auf der Suche nach kulturellen Lichtblicken und der generellen Frage, ob China selbst oder seine Perspektive das Problem daran sind…
Sascha Hommers bei Reprodukt erschienener Band „In China“, angefertigt in einem reduziert-groben Cartoon-Stil, zeigt alle zugezogenen Einwohner Chengdus als fremdartige Wesen mit grotesken Masken, im Kontrast zur menschlich gezeichneten, chinesischen Bevölkerung. Diese Masken sorgen für die beinahe völlige Abwesenheit von Mimik, weshalb sich die jeweilige Gefühlslage des Reiseberichtes aus den oft tristen, düsteren und deutlich naturalistischer ausgearbeiteten Kulissen und Saschas abendlicher Messenger-Kommunikation mit seinen Freunden in Deutschland ableiten lässt. Jedes neue Kapitel beginnt mit einem stilistisch stark abweichenden Auszug aus einem der zahlreichen Romane, Comics oder Sachbücher, die der Künstler zur Recherche und weiteren Inspiration genutzt hat.
Was am Ende der trotz ihrer Informationsdichte sehr kurzweiligen Graphic-Novel bleibt, sind vor allem die abschließenden Worte von Sascha Hommers Sprachkurs-Lehrer in Chengdu. Die großen Entdecker, die China besuchten, bedauerten stets, welche beeindruckenden Epochen und Ereignisse der chinesischen Geschichte sie nun verpassen. Dass sie die versäumten Momente der nächsten Entdecker just in diesem Moment vor sich finden, erschloss sich ihnen nicht. Sie hätten einfach nur genau hinsehen müssen…
Sascha Hommer: In China. Reprodukt, Berlin 2016. 176 Seiten, broschiertes Softcover, € 20,00