Mignolas Mausling

Ungleiche Paare machen neugierig, welche Kraft so stark sei, dass sie solche Gegensätze zusammenhalten kann. Kein Zweifel: Der nordische Hüne Fafhrd und der flinke Zauberlehrling Mausling werden vor allem durch die sprudelnde Erzählfreude ihrer Schöpfer aneinander gekettet: „Fafhrd und der graue Mausling“, erfunden von Fritz Leiber, für den Comic adaptiert von Howard Chaykin, gezeichnet von Mike Mignola. Diesem Kreativ-Team verdanken wir höchst ansehnliche Sword-and-Sorcery-Fantasy mit viel Humor, neu aufgelegt bei Cross Cult.

Der Erzählkosmos um den Schwertkämpfer Fafhrd und seinen kecken Waffenbruder hat seinen Ursprung in den Fantasygeschichten des amerikanischen Unterhaltungsschriftstellers Fritz Leiber, der mehr Popularität in Fan-Kreisen genießt als unter Philologen – ein Schicksal, das er übrigens mit seinem zeitweiligen Brieffreund H. P. Lovecraft teilt. Leiber hat die beiden Sword-and-Sorcery-Helden zwischen 1939 und 1988 in 37 Texten unterschiedlichen Umfangs kämpfen, leiden und siegen lassen. Dieser Comic von Howard Chaykin, Mike Mignola und Al Williamson hat sich nicht zum Ziel genommen, diese Welt vollständig oder nur umfassend abzubilden, sondern wählt sieben Geschichten Leibers aus: „Ill Met in Lankhmar“ (1970), „The Circle Curse“ (1970), „The Howling Tower“ (1941), „The Price of Pain-Ease“ (1970), „Bazaar of the Bizarre“ (1963), „Lean Times in Lankhmar“ (1959) und „When the Sea-King’s Away“ (1960).

Howard Chaykin (Autor), Mike Mignola (Zeichner), Al Williamson (Tuscher): „Fritz Leibers Fafhrd und der graue Mausling.“ Cross Cult, Ludwigsburg 2020. 200 Seiten. 35 Euro

In „Ill Met in Lankhmar“ wohnen wir der der ersten Begegnung des schlagfertigen Duos bei, die aus unterschiedlichen Gründen zufälligerweise dieselben Diebe überfallen und sich bei ihrem gemeinsamen Hobby kennenlernen: „Die Motive unseres Hierseins scheinen mir identisch.“ – „Scheinen? Sie sind es wohl.“ – „Bitte?“ – „Ich sagte ‚Scheinen? Sie sind es wohl.‘“ – „Wie überaus zivilisiert…“ – „Zivilisiert?“ – „Im Eifer des Gefechts darauf zu achten, was gesagt wird – und wie…“ Tatsächlich nehmen Chaykin und Mignola neben dem „Was“ auch das „Wie“ des Erzählens sehr ernst: Die Geschichte ist so spannend wie humorvoll und zudem in diesem unverwechselbaren schattenreichen Mignola-Look gestaltet, der seinen Klassiker „Hellboy“ so berühmt gemacht hat. Lankhmar ist der Ort, an dem die beiden sich kennenlernen – und den sie zu hassen beginnen, als das Schicksal ihnen dort übel mitspielt. Aber sie werden im Laufe der kommenden Geschichten dorthin zurückkehren und mit dunkler Magie wie auch mit Intrigen zurechtkommen müssen.

Die Storys sind weder chronologisch arrangiert noch bauen sie notwendigerweise aufeinander auf – dies ist leider dem Band kaum zu entnehmen, der auch die ursprünglichen Publikationszusammenhänge nicht erläutert. Die vorliegende Kompilation ist vielmehr eine Geschmacksentscheidung vor allem von Mike Mignola, wie er selbst im Nachwort schreibt. Als Leser*in ist man also gut beraten, das unscheinbare „The End“ am Ende jeder Story ernst zu nehmen und nicht als Kapitelabschluss zu verstehen. Dann lassen sich die voneinander unabhängigen Geschichten gleich viel besser genießen.

Schon 1972 wurden die populären Storys ins Medium des Comics zu übersetzen versucht: In „Wonder Woman“ #202 (1972) traten die beiden Helden erstmals auf, und 1973 erhielten sie mit „Sword and Sorcery“ eine eigene, fünfteilige DC-Serie, für die Denny O’Neill („Green Lantern“, „Green Arrow“, „Batman“ etc.) die Leiber-Geschichten bearbeitete, mit Howard Chaykin als Zeichner. Bei Dark Horse sind diese später neu aufgelegt worden, in Deutschland hingegen sind nur die ab Oktober 1990 in vier Teilen bei Epic Comics publizierten Geschichten erschienen, wiederum mit Beteiligung von Howard Chaykin, diesmal aber als Autor, der auf seine eigenen Arbeiten der 1970er kritisch zurückblickt.

2007 erschien erstmals eine deutsche, längst vergriffene Ausgabe des amerikanischen Originals. Nun legt Cross Cult den Band in einer Auflage von 1.500 Exemplaren erneut auf. Der Umschlagtext täuscht etwas, wenn er verspricht, hier seien die vier Comics „zum ersten Mal in einem Band versammelt“. Zum zweiten Mal natürlich. Und das ist erfreulich, nicht nur wegen der herrlichen Zeichnungen, die Mignola auch im Rückblick noch lobt: „Von allen Sachen, die ich vor Hellboy gemacht habe, ist mir dies das Liebste.“

Gerrit Lungershausen, geboren 1979 als Gerrit Lembke, hat in Kiel Literatur- und Medienwissenschaften studiert und wurde 2016 promoviert. Er hat Bücher über Walter Moers, Actionkino und den Deutschen Buchpreis herausgegeben. 2014 hat er zusammen mit anderen das e-Journal Closure gegründet und ist bis heute Mitherausgeber. Derzeit lebt er in Mainz und schreibt für Comicgate und die Comixene. An der TU Hamburg-Harburg unterrichtet er Comic-Forschung.

Seite aus „Fafhrd und der graue Mausling“ (Cross Cult)