Eingefrorener Zaubertrank

Foto: Egmont Ehapa Media Asterix®-Obelix®-Idefix® / © 2021 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

Panem et circenses – schönes Motto, aber das Volk will Abwechslung, weshalb Cäsar stets auf der Suche nach neuen Sensationen für den Circus Maximus ist. Der zwielichtige Wissenschaftler Globulus kommt ihm da gerade recht: Er berichtet von einem sagenhaften Monster, dem Greif, das in den unerforschten östlichen Gebieten der Welt zu finden sei. Wie passend, dass man gerade eine Vertreterin der dort ansässigen Sarmaten gefangen hat, die angeblich weiß, wo das Viech zu finden ist. Also nichts wie los mit einer Expedition in die Eiswüsten von Barbaricum, wo sich – so will es der Zufall, der ja nie wirklich einer ist – auch unsere Freunde aus dem kleinen gallischen Dorf aufhalten. Meisterdruide Miraculix hat nämlich einen Hilferuf seines Kollegen, dem Schamanen Terrine bekommen, den er zuletzt auf einer Konferenz für alternative Zauberei getroffen hatte. Unbill für den Greif sagt Terrine voraus, Rettung könne nur von den Galliern kommen, und dazu noch vom Kleinsten aus ihren Reihen. Die helfen natürlich gerne, auch wenn der Zaubertrank einfriert und deshalb vollkommen wirkungslos wird. Und während Mircaculix und Terrine versuchen, Nachschub zu brauen, finden sich Asterix und Obelix in die soziale Ordnung der Sarmaten ein.

Jean-Yves Ferri (Szenarist), Didier Conrad (Zeichner): „Asterix Bd. 39: Asterix und der Greif“.
Aus dem Französischen von Klaus Jöken. Egmont, Berlin 2021. 48 Seiten.
12 Euro (Hardcover), 6,90 Euro (Softcover)

Auch in ihrem fünften Album steht das Gespann Didier Conrad und Jean-Yves Ferri vor der Herkulesaufgabe, das wohl größte Vermächtnis der Comicgeschichte würdig fortzuführen. Albert Uderzo, der sich lange Jahre mit eher überschaubarem Erfolg auch als Texter der Serie versuchte, konnte hier letztmalig seine Ideen liefern, bevor er 2020 verstarb. Nach der fulminanten Episode „Asterix in Italien“ folgte zuletzt mit „Die Tochter des Vercingetorix“ ein nicht vollumfänglich gelungenes Abenteuer, aber schon dort war zu konstatieren: den übergroßen Fußabdruck eines Goscinny wird man nie füllen können, aber besser als die zuletzt mageren Solo-Versuche von Uderzo löst das Duo Ferri/Conrad die Herkulesaufgabe allemal. Zeichnerisch trifft Didier Conrad, wie auch Achdé für die „andere“ Goscinny-Reihe „Lucky Luke“, den genau richtigen Ton der Figuren und erfüllt somit die durchaus eng gesteckte Publikumserwartung, was allein schon lobenswert erscheint.

Mit weiten Landschaftsdarstellungen (inkl. einem komplett weißen Panel für eine Schneewüste) gelingt es Conrad aber auch, eine eigene Note einzubringen, die durchaus an die Optik der großen Western eines John Ford erinnert. Noch entscheidender ist allerdings die sprühende Komik, die die Glanzzeiten unserer Gallier kennzeichnet – und in dieser Kategorie findet man in diesem Band eine hübsche Grundidee, die fast schon in der gleichen Liga wie ein „high concept“-Movie kegelt: Zwei Expeditionen suchen aus gänzlich unterschiedlichen Motiven ein Fabelwesen, das kennen wir aus ungezählten George-Pal-Sonntagsmatinee-Filmen. Dass sich die Legende vom Greif am Ende als zweckdienlich hausgemacht erweist und das Untier eher wie eine Referenz auf das eingefrorene Ding aus einer anderen Welt, gepaart mit Godzilla, anmutet, bringt eine hübsche Note, auch wenn der Handlungsfaden in den letzten Zügen etwas an Dichte verliert.

Was Ferri wieder wunderbar gelingt, sind die satirischen Anspielungen auf aktuelle Entwicklungen: Da ist der Legionär Fakenius, dessen abstruse Verschwörungstheorien bei den Römern nur allzu gerne weitergesponnen werden (in der Tat ist es ja verdächtig, dass die Sonne jeden Morgen aufgeht, wo war sie denn die ganze Zeit?). Die Sarmaten-Frauen praktizieren außerdem ganz ungezwungen eine Umkehrung der klassischen Rollenbilder: „Krieg ist eben Frauensache!“, stampft die Königin, die mehr als einmal einer Gutemine wie aus dem Gesicht geschnitten scheint. Was leider etwas zu kurz kommt, sind die von Goscinny bei den Reiseabenteuern zur Meisterschaft geführten satirischen Überzeichnungen landestypischer Eigenschaften, die zumindest einmal kurz anklingen, als man über bisherige Kriegszüge sinniert und die Vorzüge der Germanen honoriert (hier dürfte die kongeniale Überstzung durch Klaus Jöken behilflich gewesen sein): „Die Wandalen, erinnert ihr euch? – Ja klar! Raue Burschen, aber immer korrekt! – Das Essen bei den Franken: for-mi-da-bel! – Und die Cervisia der Bajuwaren erst! – Bei den Sachsen war auch nicht alles schlecht!“

Mit Reminiszenzen an frühere Abenteuer (den versagenden Zaubertrank kennen wir aus dem „Kampf der Häuptlinge“), hübschen Running Gags (Ausdimaus und Globulus streiten sich permanent lautstark über missratene frühere Expeditionen) und einem auch inhaltlich gewichtigen Obelix, der sogar Zeit für eine kleine Romanze mit der feschen Casanowa hat, gelingt dem Team dennoch ein unterm Strich gelungener Beitrag. Und ganz am Ende, auf dem traditionell letzten Panel mit dem Festbankett, verabschiedet sich dann eine weinende Eule – das Lieblingstier Uderzos, der in „Asterix bei den Belgiern“ seinem Partner Goscinny mit einem traurigen Hasen seinerseits ein Denkmal setzte. Schöner kann man eine Hommage nicht beschließen. Wie üblich ist das Album bei Egmont Ehapa Media neben der üblichen Softcover Ausgabe als Hardcover Band erhältlich. Die Luxusausgabe (128 Seiten, limitiert auf 1.111 Exemplare) erscheint Anfang November.

Dieser Text erschien zuerst auf Comicleser.de.

Holger Bachmann ist Autor diverser Bücher und Aufsätze zur Film- und Literaturgeschichte. Neben Comicleser.de schreibt er auf kühleszeug.de über Konzerte und geistvolle Getränke.