Die Kreiszahl π hat die Mathematik seit Jahrtausenden im Griff. Ein Sachcomic widmet sich der Geschichte und der Bedeutung der widerspenstigen Konstante.
Man nehme ein beliebiges Geburtsdatum und verwandle es in eine Zahlenfolge. An irgendeiner Dezimalstelle von Pi wird sie sich finden. Aber nicht nur an einer. Die Zahlenfolge findet sich unendlich oft in Pi, so wie jede andere Zahlenfolge in jeglicher Länge auch. Zumindest sind sich Mathematikerinnen und Mathematiker sicher, dass das so ist. Beweisen konnte es noch niemand.
Das ist nur eines von vielen faszinierenden Beispielen, mit denen das Sachcomic „Verrückt nach Pi“ illustriert, was es mit dieser buchstäblich weltumspannenden Kreiszahl auf sich hat. Das Buch erschien pünktlich zum Pi-Day, der am 14. März gefeiert wird, im amerikanischen Kalender 3.14 – die ersten drei Ziffern von π.
Schon vor langer Zeit haben Menschen bemerkt, dass es etwas gibt, das alle kreisförmigen Dinge, vom Punkt auf dem Marienkäfer bis zum Vollmond, gemeinsam haben. Ganz egal, wie groß der Kreis ist, das Verhältnis zwischen dem Umfang und dem Durchmesser ist immer gleich. Erst im 18. Jahrhundert prägte William Jones den Begriff Pi, abgeleitet vom griechischen „perimetros“ (Umfang).
„DU. KANNST. PI. NICHT. ENTKOMMEN“, lautet einer der Sätze auf den ersten Seiten von „Verrückt nach Pi“, wo gleich nach einer anschaulichen Einführung in die mathematischen Basics die Bedeutung der irrationalen, unendlichen Zahl aufgerollt wird. Der Mathematiker und Magier Jean-Baptiste Aubin hat zusammen mit der Historikerin Anita Lehmann und dem Zeichner Joonas Sildre ein rasantes Buch gestaltet, das sich an ein jüngeres Publikum richtet, aber durchaus auch unbedarfte Erwachsene überraschen dürfte.
Das Buch serviert übersichtliche Wissenshappen zusammen mit anschaulichen Illustrationen und klassischen Comicstrips, in denen wir den Mathematikern (und ein paar Mathematikerinnen) dabei über die Schulter schauen, wie sie sich im Lauf der Geschichte die Zähne ausbeißen an der Zahl mit den unendlichen Dezimalstellen. Einer der wichtigsten Protagonisten ist Archimedes, der sich vor 2300 Jahren ausrechnete, dass Pi einen Wert zwischen 3,14 und 3,15 haben muss. Seine letzten Worte, bevor ihn römische Soldaten töteten, sollen gewesen sein: „Legt euch nicht mit meinen Kreisen an!“
Ab diesem Zeitpunkt startete ein regelrechter Wettlauf darum, wer die nächsten Dezimalstellen berechnen konnte. „Verrückt nach Pi“ widmet sich liebevoll den Geeks und Besessenen, die, über den ganzen Erdball verstreut, oft ihr ganzes Leben damit verbrachten. Das Buch zeichnet auch die jeweils verwendete Methodik gut verständlich nach – bis hin zu Srinivasa Ramanujan (1887–1920) aus Madras in Indien, dem jene Formeln im Traum kamen, die heute noch von Computern genutzt werden. Gespickt ist das ganze mit erhellenden Gedankenspielen und Fun Facts, am Ende schließt sich der Kreis mit eindrucksvoll anwendungsfreundlichen Kniffen, Tricks, Paradoxen und den passenden Formeln dazu. Ob die eingestreuten Pi-Witze sein müssen, ist eine Frage des Geschmacks – oder des Nerdfaktors.
Genauso wie die Dezimalstellen von Pi einfach kein Ende nehmen, können es auch die Menschen nicht lassen, die Zahl weiter zu berechnen. Seit dem Computerzeitalter jagt ein Rekord den nächsten: Mittlerweile sind Billionen von Pi-Dezimalstellen bekannt. Auch wenn die ersten 15 Stellen völlig ausreichend sind, um eine Rakete zum Mars zu schicken, wie zu lesen ist. Längst ist es schon eine Art Sport geworden, möglichst viele Stellen auswendig aufzusagen. Den (offiziellen) Rekord hält der indische Gemüsebauer Suresh Kumar Sharma, der 2015 in 17 Stunden 70.030 Ziffern aufsagte.
Auch wenn man nicht zu denen gehört, die komplett verrückt nach Pi sind, so steckt das Buch doch an mit der Faszination für die Schönheit der Mathematik. Und bringt nebenbei in Feierlaune. Besonders exakte Pi-Anhängerinnen und -Anhänger feiern übrigens am 14.3. um 13:59:26 Uhr und erreichen die Kreiszahl damit bis zur siebten Nachkommastelle (3.14 1:59:26 pm). Happy Pi-Day!
Diese Kritik erschien zuerst am 13.03.2025 in: Der Standard – Comicblog Pictotop.
Jean-Baptiste Aubin (Autor), Anita Lehmann (Autorin), Joonas Sildre (Zeichner): Verrückt nach Pi • Helvetiq, Basel/Schweiz 2025 • Hardcover • 88 Seiten • 22,00 Euro
Karin Krichmayr arbeitet als Wissenschaftsredakteurin für Der Standard. Außerdem betreibt sie für die österreichische Tageszeitung den Comicblog Pictotop.