Es ist alles relativ – „Das Geheimnis der Quantenwelt“

geheimnis-quantenwelt-cvrDer junge Bob ist ein Universalheld, der mit seinem Hund Rick jede Menge Abenteuer zu Lande, zu Wasser und in der Luft bestanden hat. Zumindest scheint das in den Comicalben so, die Bob gerne liest. Jetzt aber ist Rick tot und steht ausgestopft auf dem Kaminsims. Daher staunt Bob nicht schlecht, als Rick ihn plötzlich anspricht und sagt, das mit dieser Depression, das gehe so nicht weiter. Bob solle sich aufmachen, das ultimative Rätsel zu lösen, das das Innerste der Welt zusammenhält: die Quantenphysik, die uns umgibt und das Universum jenseits aller Begriffe wie tot oder lebendig erklärt.

Auf mysteriöse Weise erhält Bob eine Einladung zur 25. Solvay-Konferenz, DEM Zusammentreffen der führenden Köpfe der Quantentheorie. Dort versinkt er buchstäblich in einer faszinierenden Welt: er wird in seinen Sessel gezogen und auf einer Wiese wieder ausgespuckt, wo ihm ein freundlicher Herr begegnet, der friedlich am Lagerfeuer sitzt. Der stellt sich ihm als Max Planck vor, seines Zeichens Urvater der Quantentheorie. Planck erklärt dem staunenden Bob in möglichst einfachen Worten seine Theorie der neuen Naturkonstante „h“ und der zugehörigen Gleichung, die mindestens ebenso bahnbrechend war wie Einsteins berühmte Formel. Planck entwickelte den Grundgedanken, dass Energie nicht gleichmäßig, sondern in Blöcken verteilt ist – somit also quantifizierbar. Bob wandert weiter durch den Wald und trifft bald auf einen Mann, der ihm erzählt, wie er Plancks Theorien weiterdachte. Niemand anders als Albert Einstein erläutert seine Gedanken zu Lichtquanten und Interferenzen sowie seiner Theorie der Unendlichkeitstabelle, die alle möglichen Verhaltensvarianten eines Atoms erfassen sollte. Diese beiden Denkrichtungen – Materie versus Lichtwellen – bringt dann der Dandy Herzog de Broglie zusammen, bevor sich Bob auf den Weg nach Helgoland macht, um dort einen genialen jungen Deutschen namens Heisenberg zu treffen…

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Auch wenn Gott laut Einstein bekanntlich nicht würfelt, bleiben viele Dinge des Universums dennoch unerklärlich, ja widersprüchlich – und wenn man zu lange darüber nachdenkt, läuft man Gefahr, den Verstand zu verlieren. Darauf weist schon der gütige Max Planck den staunenden Bob hin („Die meisten Physiker finden den Weg nicht zurück“) – umso spannender ist der Streifzug durch ein Thema, das den meisten Normalsterblichen hermetisch verschlossen ist.

Der theoretische Physiker Thibault Damour breitet nacheinander die großen Theorien der Quantenmechanik aus, die von ihren jeweiligen geistigen Vätern selbst vorgetragen und erklärt werden. Da treten die Lichtwellenthesen eines Einstein genauso auf wie die Schrödinger-Gleichung, die die Theorien von Planck und Einstein auf Wellen und Zeit anwendet. Nicht fehlen darf natürlich auch Schrödingers Katze, das berühmte Gedankenexperiment, in dem eine Katze zugleich tot und lebendig ist und auf diese Weise veranschaulicht, warum im Gegensatz zur klassischen Physik in der Quantentheorie ein Teilchen durchaus gleichzeitig an zwei Orten sein kann (was für einen theoretischen Physiker namens Sheldon Cooper auch praktische Nutzanwendungen hat, wie sein leidgeprüfter Mitbewohner Leonard Hofstadter erfahren muss, der plötzlich gleichzeitig Sheldons Freund und Feind ist). Ebenso dürfen wir erfahren, dass Heisenberg nicht von Anfang an an der Grenze zu Mexiko Designer-Drogen kocht, sondern im realen Leben erst einmal Einsteins Tabellen hin zu Matrizen weiterentwickelte. Schon allein an diesen beiden Referenzen der populären Unterhaltung (für Nicht-Serien-Schauer: Big Bang Theory und Breaking Bad) wird deutlich, dass die faszinierenden Welt der Quantentheorie, deren berühmtesten Ausdruck e=mc² zwar jeder kennt, aber außer Eingeweihten niemand zu deuten weiß, als Schlüssel zum Universum eine ungemeine Attraktion ausübt – gerade weil diese Gedankenwelt jenseits einer kleinen Gemeinschaft abstrakt und hermetisch wirkt. das-geheimnis-der-quantenwelt-int3

Mit vielen plastischen Beispielen schafft es Damour, zumindest die Grundzüge und auch die widerstreitenden Thesen darzulegen, die dann von Mathieu Burniat in fast ausschließlich monochromen, an die ligne clair angelehnten, teilweise symbolischen Zeichnungen umgesetzt werden. Identifikationsfigur für den Leser ist dabei der arme Bob, der bei jeder neuen Theorie immer mehr ins Schwitzen kommt – allzu verständlich, was jeder bestätigen kann, der sich schon einmal wie ich zu Studentenzeiten mit theoretischen Physikern ein Haus teilte und trotz wohlwollender Versuche nicht im Ansatz verstand, was die Herren den ganzen Tag trieben. Dass mindestens einer davon den Verstand schon verloren hatte (und etwa gerne nach Mitternacht in voller Lautstärke Mahler-Symphonien hörte), daran blieb allerdings kein Zweifel.

Das Geheimnis der Quantenwelt“: Knesebeck bringt diesen – fürwahr zum Verlagsmotto „Das besondere Buch“ passenden – Band in schöner Aufmachung und einem reichhaltigen Anhang, in dem die wichtigsten Personen und Theorien nochmals erklärt werden. Viel Erfolg…

Thibault Damour, Mathieu Burniat: Das Geheimnis der Quantenwelt. Knesebeck, München 2017. 168 Seiten, € 19,95