Ohne Erinnerung an ihre Vergangenheit lebt Lady Mechanika in den Schatten eines viktorianischen Englands, in dem elegante, retro-futuristische Mechanik auf Magie und Okkultismus treffen. Mit ihrem ausgesprochen schlagkräftigen, biomechanischen Körper kämpft die mysteriöse Schönheit dabei für Unterdrückte und Verfolgte und gegen skrupellose Kriegstreiber wie den diabolischen Waffenhändler Blackpool oder seine uniformierten Schergen. Mehr und mehr kommt sie dabei den Geheimnissen ihrer eigenen Entstehung auf die Spur…
Obwohl der erzählerische Aspekt ganz offensichtlich nicht die erste Inspriation für die stimmungsvolle Steampunk-Aktion aus der Feder von Topcow-Veteran Joe Benitez war, weiß die düstere, kleine Detektivgeschichte durchaus zu unterhalten. In „Lady Mechanika“ treffen dramatisch überzeichnete Comic-Stereotypen, wie sie schon immer fester Bestandteil des Topcow-Kosmos waren, auf eine deutlich elegantere Welt mit einer zurückhaltenderen Farbpalette und gleichermaßen züchtigerer wie detaillierterer Garderobe. Diese Gegensätze schaffen eine tolle, gestalterische Spannung, die dem manchmal an moderne Batman-Episoden erinnerndem Abenteuer einen angenehm unverbrauchten Anstrich verleiht.
Natürlich steht außer Frage, dass der erste Band von „Lady Mechanika“ vor allem ein Fest für die Augen ist und es auch sein sollte. Laut Künstler Benitez‘ eigenen Angaben inspirierten ihn vor allem Cosplayer, die er auf Conventions traf, zu einer fortlaufenden Serie in einem Steampunk-Setting. Dieser zunächst möglicherweise oberflächlich oder wenig inspiriert klingende Ansatz wurde aber schnell zum leidenschaftlichen Credo für dieses kleine Design-Juwel, das von mechanischen Details und Verzierungen, über die authentisch wirkende Gaderobe, bis hin zu atemberaubenden, stets effektvoll gerahmten Titelmotiven samt imitiert-historischer Kalligraphie- und Druckverfahren keinerlei Wünsche offenlässt.
Der tragische Trunkenbold Lewis, die rotzige kleine Allie oder die illustre Zirkus-Gemeinschaft bieten bereits jetzt mehr als genug interessantes Material, um zukünftigen Bänden einen groben, inhaltlichen Sinn zu geben. Mit viel mehr Tiefe möchte man sich doch auch gar nicht von der tollen Optik von „Lady Mechanika“ ablenken lassen.
Joe Benitez, Peter Steigerwald: Lady Mechanika Bd. 1 – Das Geheimnis der mechanischen Leiche. Splitter, Bielefeld 2017. 112 Seiten, 19,80 Euro