„Alf“ Oder: Wie ein Alien von Melmac nach Bergisch Gladbach kam

Seit 1977 schrieb der Schriftsteller und Comicautor Peter Mennigen zunächst deutsche Geschichten für Comicreihen wie „Gespenster Geschichten“, „Spuk Geschichten“, »Conny«, „Biggi“, „Vanessa“, „Felix“, „Lasso“, „Phantom“, „Axel F.“ und zahlreiche weitere Serien des Bastei Verlags. Ab den 90er Jahren arbeitete er für andere Verlage wie Egmont (Disney-Magazine), Panini („Jessy“, „Sternentänzer“, „Willi will‘s wissen“) und Ravensburger (u.a. „Fix und Foxi“). In dieser Zeit verfasste er auch internationale Comics: „Lucky Luke“, „Schlümpfe“, „Bessy“ und „Isnogud“. Aktuell arbeitet er zusammen mit Ingo Römling an der Mystery-Steampunk-Serie „Malcolm Max„. Für comic.de blickt er in unregelmäßigen Abständen zurück auf seine Arbeit im deutschen Comicverlagsgeschäft.

Als ich mich im Frühjahr 1987 für einige Zeit in New York aufhielt, lief dort gerade eine neue Fernsehserie namens „ALF“. Zurück in der Heimat berichtete ich Werner Geismar, dem Chefredakteur der Bastei-Jugendredaktion, dass da eine Wahnsinnsserie im Anmarsch sei, die von ihrem Merchandising-Potential alles Bisherige in den Schatten stellen könnte. Da ALF in Europa noch komplett unbekannt war, sollte ich etwas Material zusammenstellen, damit er sich ein genaueres Bild machen könnte. Was sich damals, im Vor-Internet-Zeitalter (für Privatleute), noch etwas schwieriger gestaltete.

Ab Sommer 1987 strahlte das holländische Fernsehen die ersten ALF-Folgen aus, von denen ich einige auf Video aufzeichnete. Die Tapes schickte ich dann an Bastei und deutete in einem Begleitschreiben dezent an, dass ich meine Schreibtätigkeit für die Jugendredaktion komplett einstellen würde, falls man dort keine ALF-Comicserie herausbringen würde. Drei Tage später erhielt ich einen Anruf des Chefredakteurs: „Wahnsinns-Serie, machen wir unbedingt!“

Geplant war eine – wie bei Bastei damals üblich – selbst produzierte Comicreihe, die parallel zu der deutschen Fernsehausstrahlung auf den Markt kommen sollte.
Inzwischen hatte das ZDF die Rechte an der TV-Serie gekauft und lud potentielle Lizenznehmer zur Vorstellung der Serie nach Mainz ein. An die zweihundert Produzenten von Bettwäsche, Kaffeetassen, Schreibutensilien, T-Shirts usw. kamen. Verkauft hatte das ZDF keine einzige Lizenz. Keiner der Marketing-Experten konnte etwas mit ALF anfangen, alle hielten die Serie für einen Flop.

Lediglich Bastei war an den Comic-Rechten interessiert. Doch zu dem Zeitpunkt war der US-Verlag Marvel bereits einen Schritt weiter und publizierte jeden Monat einen ALF-Comic. Bedeutete: Marvel besaß die Comic-Rechte und Bastei konnte bestenfalls die Marvelhefte in Lizenz veröffentlichen. Was immer noch besser war als nichts. Die Sache hatte nur einen gewaltigen Haken: Die Rechte an Marvel-Veröffentlichungen in Deutschland besaß seinerzeit ein direkter Konkurrent der Bastei-Jugendredaktion: der Condor Verlag.
Zwar zeigte Condor (noch) keinerlei Interesse an ALF, doch das würde sich mit Sicherheit ändern, sobald man dort spitz bekam, dass Bastei die Serie publizieren wollte. In dem Fall würde Condor sie garantiert umgehend selbst verlegen.
Deswegen flog Werner Geismar in einer Nacht- und Nebelaktion nach New York und überredete Marvel vor Ort zu einem Deal, der Bastei die Veröffentlichung der ALF-Comics in Deutschland sicherte.

Nach Ausstrahlung der ersten Folgen im ZDF brach über Deutschland ein ALF-Hype ungeahnten Ausmaßes herein. Und zwar in Generationen übergreifenden Dimensionen, wie es sie in der Form bis dato noch nie bei einer TV-Serie gegeben hatte.
So langsam fiel auch bei den Lizenznehmern, die ALF in Mainz die kalte Schulter gezeigt hatten, der Groschen, was für einen kapitalen Bock sie geschossen hatten. Nun versuchten die Marketing-Leute ihren Fehler wett zu machen. Doch bevor deren Merchandising-Maschinerie ins Rollen kam, war Bastei längst mit seinen ALF-Comics auf dem Markt und profitierte entsprechend von dem Hype.
Rückblickend gehört ALF in Bezug auf die Verkaufszahlen sicherlich zu den erfolgreichsten Serien in der Bastei Historie. Da ich auch einen kleinen Anteil daran hatte, übertrug man mir die Übersetzung der Comics.