Dystopischer Familienkrieg – „Lazarus Band 5“

Forever „Eve“ Carlyle ist der „Lazarus“ des Carlyle-Clans. In einem aktuell gar nicht so weit hergeholtem Zukunftsszenario erreicht die Schere zwischen armer und reicher Bevölkerung ihren perversen Höhepunkt und liegen sämtliche politischen Entscheidungen in der Hand weniger Familien, die den Rest der Weltbevölkerung als Sklaven unterjochen. Lazarus-Krieger wie „Eve“ sind nahezu unzerstörbar, erholen sich von jeder noch so dramatischen Verletzung und lassen sich selbst durch abgetrennte Gliedmaßen nicht wirklich aufhalten. Sie sind gleichzeitig Leibgarde, SEK und militärische Anführer dieser Familien. Nachdem Intrigen und Attentate die personelle Besetzung der Familien gründlich durcheinander wirbelten, berichtet Eve nun an die durchtriebene Carlyle-Tochter Johanna, die sie bislang für ihre Schwester hielt, sich selbst stets für einen Teil der Familie Carlyle. Doch nun scheint der Zeitpunkt gekommen, an dem Eve die vermeintlich ganze Wahrheit über ihre Herkunft erfahren soll. Und auch darüber, dass sie nicht so unersetzbar ist, wie sie bislang glaubte…

Auch die in diesem Band vorausgestellte Charakter-Übersicht wird einen späten Serien-Einstieg in „Lazarus“ nicht nennenswert erleichtern. Die komplexe Personenkonstellation sowie die verworrenen Ränkespiele entfalten ihr volles Bouquet eigentlich nur, wenn man die eigenwillig-elegante Scifi-Dystopie aus der Feder des umtriebigen US-Autors Greg Rucka von Beginn an nachvollzieht. Diese Investition lohnt sich aber, denn Lazarus schafft eine ganz eigene Zukunftsvision aus gesellschaftskritisch-futuristischem Polit-Thriller und herrlich überzeichneter Videospiel-Action in einem Shakespear-esquem, dramtischem Setting. Bildgewaltige Metaphern zeigen dabei die krankhaften Züge unserer gegenwärtigen Gesellschaft auf und finden mit jedem neuem Band geschickte Sinnabschnitte.

So dient „Familienkrieg“, der fünfte Band der ambitionierten Reihe vor allem dazu,  die Ausbeutung und die seelische Manipulation von Hauptprotagonistin Eve in den Vordergrund zu stellen. Die starke, charakterliche Kehrtwende der bislang so sinister gezeichneten Johanna Carlyle sorgt dabei nicht nur für frischen Wind, sondern wirft auch reichlich neue Fragen auf, die bereits jetzt die Erwartung an das kommende Kapitel von „Lazarus“ auf einen neuen Höchstwert schnellen lassen.

Starke, elegante Endzeitaction, die durch ihren intelligenten Plot und ihre komplexen Strukturen weit an der reichlich vorhandenen Genre-Konkurrenz vorbeizieht. Die perfekte Fusion aus Unterhaltung und Anspruch und eine der derzeit stärksten Serien im amerikanischem Indie-Sektor.

Greg Rucka, Michael Lark: Lazarus 5: Familienkrieg. Splitter, Bielefeld 2017. 144 Seiten, € 22,80