FAX AUS SARAJEVO – Eine wahre Geschichte

Joe Kubert (1926-2012) war ein Meister der Neunten Kunst. Sein vielleicht größtes Werk erschien 1996: „Fax aus Sarajevo“. Im darauffolgenden Jahr erhielt er dafür den Eisner und den Harvey Award. Es ist eine wahre Geschichte, die er hier auf mehr als 200 Seiten erzählt. Das Motto: „In 1945 we told the world: Never Again. In 1992 we forgot our promise.“

Im April 1992 begann der serbische Angriff auf Bosnien. Unter den Eingeschlossenen in Sarajevo befand sich Ervin Rustemagic, ein Agent namhafter Comic-Zeichner in Europa und den USA. Als seine Wohnung und sein Büro bei den Bombardements auf die Stadt zerstört wurden, kamen er und seine Familie im Hotel „Holiday Inn“ unter, von dem aus die Journalisten aus aller Welt über das offenbar unabwendbare Sterben der Stadt berichteten. Die ganze Zeit über suchten sie nach Wegen, die von Gewalt und Tod gezeichnete Stadt verlassen zu können. Per Fax hielt Rustemagic Kontakt zu seinen Freunden in aller Welt, um ihnen von dem Schrecken des Krieges und den Schwierigkeiten und Ängsten seiner Familie zu berichten.

Einer der Empfänger dieser Fax-Mitteilungen war Joe Kubert, der schon lange mit Rustemagic befreundet war. Beide hatten sich erstmals 1973 getroffen und blieben über die Jahre in Kontakt. Rustemagic war sein Agent für den europäischen Markt und brachte „Abraham Stone“ bei verschiedenen Verlagshäusern unter.

Auf der Grundlage dieser Korrespondenz zeichnet Joe Kubert die Erlebnisse einer Familie nach, die in einem völlig aus den Fugen geratenen Teil der sogenannten zivilisierten Welt um das nackte Überleben kämpft. So entsteht die Chronik eines Krieges, die trotz aller persönlichen und individuellen Nuancen exemplarisch für unzählige Schicksale steht. Eine Geschichte aber auch, die die Teilnahmslosigkeit der restlichen Welt gegenüber dem Schicksal der Menschen in Sarajevo anklagt.

Über zwei Jahre hinweg hatte Kubert fast jeden Tag ein Fax erhalten und miterlebt, wie es Rustemagic und seiner Familie ging. Er hatte versucht, der Familie zu helfen, doch es war unmöglich für sie, das Land zu verlassen. Als es ihnen endlich gelang, dachte Kubert darüber nach, diese Geschichte in Comic-Form zu erzählen, weil sie wichtig war, weil sie erzählt werden musste.

Kubert schloss die Graphic Novel ab, bevor er überhaupt einen Verleger hatte. Mit dem fertigen Buch trat er an verschiedene Verlage heran und entschied sich für Dark Horse, weil man dort bereit war, es so zu machen, wie es der Künstler wollte: Hardcover, Überformat, Photographien. Dark Horse war gewillt, Kuberts Wünschen exakt zu entsprechen. In dieser Form erschien nun auch eine Neuauflage aus dem Hause Erko. Mit einem Nachwort von Ervin Rustemagic, der sich an seinen Freund Joe Kubert erinnert.

Joe Kubert: Fax aus Sarajevo. Erko Verlag, Wuppertal 2017. 208 Seiten, € 29,95