„Die zwei Leben von Balduin“ – Eine Graphic Novel mit großen Gefühlen

„Wir haben zwei Leben – das zweite beginnt in dem Moment, in dem wir erkennen, dass wir nur eines haben“, sagte Konfuzius. Das Zitat ist Fabien Toulmés Graphic Novel „Die zwei Leben des Balduin“ vorangestellt. Es illustriert sehr gut, um welche Art von Geschichte es sich hier handelt.

Balduin ist alleinstehend, Jurist, einsam und in seinen Lebensumständen gefangen. Sein Bruder Luc ist Arzt und Abenteurer, der überall auf der Welt im Einsatz ist. Als Balduin von einem Arzt eröffnet wird, dass er nur noch wenige Monate zu leben hat, will er in diese Zeit so viel hineinpacken, wie er nur kann. Er will Dinge erleben, die er sich zuvor nicht getraut hat. Jetzt, im Angesicht des sicheren Todes, fängt er endlich an, das Leben zu leben, das er immer hätte führen sollen.

Toulmé erzählt mit unaufgeregter, aber schöner Optik vom Mut, der manche erst beflügelt, wenn das Ende in Sicht ist. Balduin ist ein Mensch, der nicht ohne Einwirken von außen seinen goldenen Käfig verlassen hätte, und als er es dann tut, scheint alles zu spät, aber dafür wirkt jeder Moment und jede Erfahrung umso intensiver. Denn je näher der Tod kommt, desto prägnanter wird jede Kleinigkeit. „Nur die Menschen, die den Tod kommen sehen, haben das Glück, das so zu empfinden“, sagt ein Freund von Luc, der genau weiß, wovon er spricht.

„Die zwei Leben von Balduin“ ist ein gefühlvoller Hochgenuss. Eine Geschichte, die den Leser auffordert, sich selbst zu fragen, ob er wirklich lebt oder ob er nicht Tag für Tag genügend Gründe findet, mit dem immer gleichen Trott weiterzumachen. Denn irgendwann ist es einfach vorbei, und möchte man dann bedauern, nicht so gelebt zu haben, wie man sich das erträumt hat?

Fabien Toulmé: Die zwei Leben des Balduin. Avant-Verlag, Berlin 2017. 272 Seiten, € 30,00