„Starlight“ – Wenn Helden altern

STARLIGHT_Softcover_363Duke McQueen ist 62 Jahre alt und noch recht gut in Form, aber eben nicht mehr der Jüngste. Vor einem Jahr verlor er seine Frau an den Krebs. Jetzt ist er allein, seine beiden Söhne leben mit ihren Familien ihr eigenes Leben, in dem der Vater nur mehr eine kuriose Randnotiz ist. Denn was keiner glaubt, auch die Söhne nicht: vor fast 40 Jahren war Duke McQueen der größte Held der Galaxis, der Befreier des Planeten Tantalus, auf den er zufällig durch einen Riss im All gelangt ist und wo er den Diktator Typhon praktisch im Alleingang besiegte. Zurück auf der Erde nahm ihm niemand seine Geschichte ab, für die er auch keine Beweise liefern konnte. Für einen Moment bestimmte er zwar die Schlagzeilen, wurde aber bald belächelt und schließlich schnell vergessen. Jetzt, am Jahrestag des Todes seiner Frau, geschieht Ungeheuerliches: ein Raumschiff landet vor seinem Haus. Von Tantalus. Sein Pilot ist ein Junge namens Krish Moor. Der bittet Duke erneut um Hilfe. Denn die Kriegerrasse der Brotianer unter Führung des Tyranns Lord Kingfisher unterjocht den Planeten mit ganzer Härte und beutet gnadenlos dessen Bodenschätze aus. Nach einigem Zögern willigt Duke ein und kann sich auf Tantalus schließlich dem dünn besetzten aber zu allem entschlossenen Widerstand um die ehemalige Anführerin der königlichen Leibgarde, Tilda Starr, anschließen. Die setzt alle Hoffnung in den neuen alten Helden, den jedes Kind auf dem Planeten kennt…

Starautor Mark Millar (u.a. Kick-Ass, Wanted, Kingsman, Jupiter’s Legacy), dessen Werke bei Panini demnächst in einer eigenen Collection erscheinen, verneigt sich mit „Starlight“ vor einem uramerikanischen Science-Fiction Heldengenre, das in der ersten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts zuerst in Pulp-Magazinen, dann in Comics und schließlich in Film-Serials erblühte. Noch vor den Superhelden. Mit Namen wie John Carter, Buck Rogers und vor allem Flash Gordon. Sie alle gelangten als furchtlose, strahlende Abenteurer in ferne Welten, wo sie Schurken gehörig aufmischten, Aggressoren besiegten, sich mit Mad Scientists herumschlugen und leicht geschürzte Prinzessinnen retteten. So auch Captain Duke McQueen. Mit einem kleinen aber feinen Unterschied: Duke hat all dies schon lange hinter sich. Sein Space-Abenteuer ist abgeschlossen. Vermeintlich. Auf der Erde glaubt ihm niemand. Selbst seine Söhne betrachten ihn als Spinner. So hält ihn nach dem Tod seiner Frau nichts mehr auf der Erde, als er überraschenderweise Besuch von Tantalus bekommt. Dort ist er DER Held, ihm zu Ehren wurden Denkmäler errichtet. Dort gibt es etwas, das sich zu retten lohnt. Dort wird er erneut gebraucht. Welch ein Gegensatz zu seinem Leben hier… starlight-int

Überall in der Story finden sich Anklänge an amerikanische Heldenmythen weg von den genannten Pulp-Figuren. Natürlich kämpft Duke – selbst der Name erinnert an die Haudegen John Wayne, genannt „The Duke“ und Steve McQueen –mit Laserpistole und mit Schwert. Sein Raumschiff samt Interieur ist aus den „Flash Gordon“ Serials geborgt (wobei es nicht knattert und nicht an Fäden hängt). Wie in Eastwoods „Gran Torino“ stirbt die Frau des Helden und die Söhne betrachten ihren Vater als skurrilen Eigenbrötler. Die Szene mit den Widerständlern und der Blick in den Hangar mit den diversen Raumschiffen sind dann wieder direkt aus „Star Wars“ entlehnt. Und der junge Krish Moor mit seiner rosa Zickzackfigur schaut aus, als sei er einem Manga entsprungen, um später in einem Final Fantasy Teil zu kämpfen (gut, das ist jetzt japanisch…). All das wirkt eingebunden in die Story aber nicht zusammengeklaut, sondern eher bewusst und voller Liebe zum Detail und als Hommage an die Vorbilder inszeniert. Dazwischen brilliert immer wieder der typische Millar-Humor. Beispiele: Duke witzelt diverse male gekonnt und pointiert über sein Alter. Wes Adams, ein (anfänglicher) Mitstreiter trägt ein typisches Rock’n’Roll Outfit der Fünfziger, komplett mit Schmalztolle und erkundigt sich – offenbar in irdischen Dingen nur rudimentär informiert – nach der Beziehung zwischen Tom Cruise und Nicole Kidman.

Die Optik des Bandes, der alle sechs US-Hefte beinhaltet, die in den USA bei Image erschienen, blickt dagegen über den amerikanischen Helden-Tellerrand und präsentiert sich zeitweise recht europäisch: Die Anfangssequenz, ein Rückblick von Dukes Abschied von Tantalus, sowie alle Szenen, die in dem ehemaligen Königreich der Waldriesen spielen, erinnern verblüffend mit ihren klaren Linien und ihren kräftigen, kaum abgestuften Farben und geometrischen Formen an diverse Werke von Moebius (vgl. Der Incal, Die Sternenwanderer), auch das Design der Uniformen und Rüstungen der Kriegerrasse der Brotianer könnte ebenso gut aus einem Moebius Comic oder aus „Valerian und Veronique“ stammen. Insgesamt zeigt uns der Kroate Goran Parlov hier einen auf das Wesentliche reduzierten Strich (Detail-ärmer, heller und bunter als beispielsweise in der Punisher Collection „Killt das Marvel-Universum“, ebenfalls neu erschienen, wo sich Parlovs Stil eher an den von John Buscema orientiert) und verlässt sich dabei ganz auf Millars Story und die Wirkung des kantigen Profils des Helden Duke McQueen. Gegen Ende treiben es Millar und Parlov mit dem Guten auf die Spitze: als Duke mit einem 1972er Mustang Zigarre-rauchend als furchtloser Held und als letzte Hoffnung des Planeten in die Arena einzieht, verleihen sie dem Geschehen endgültig parodistische Züge, vermischt mit einer überzogenen Hommage an unkaputtbare amerikanische Helden. Und die kommen nie aus der Mode.

Mark Millar, Goran Parlov: Starlight: Die Rückkehr des Duke McQueen. Panini, Stuttgart 2016. 172 Seiten, 19,99 Euro

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