Am 19. März diesen Jahres verstarb Comic-Legende Bernie Wrightson nach einem langem Leidensweg und hinterlässt einen klaffenden, traurigen Krater in einer Kunstform, die sich heute zunehmend schnellen, digitalen und weichen Präsentationsformen zuwendet. Unzählige Künstlerkollegen nutzten das Internet für persönliche Nachrufe und machten so deutlich, dass Wrightson auch zwischenmenschlich ein ganz besonderer Kollege gewesen sein muss, den niemand wirklich ziehen lassen wollte.
Der amerikanische Künstler ist eine Ikone des Horror-Comics und schuf gemeinsam mit Autor Len Wein die legendäre Figur „Swamp Thing“ für den Superhelden-Verlag DC. Zu den unumstrittenen Höhepunkten seiner Karriere zählen aber auch die Beiträge zu den Magazinen „Creepy“ und „Eerie“ für den Warren-Verlag. Für den deutschen Markt hat Splitter der ursprünglich bei Dark Horse erschienenen Gesamtausgabe all jener wirklich umwerfend inszenierten Kurzgeschichten, Covers und Pin-Ups ein neues, gebührend aufwändiges Erscheinungsbild spendiert. Im ursprünglichem gegenüber dem US-Comic-Standard deutlich vergrößertem Magazin-Format, mit dicken Seiten und in großartiger Druckqualität kann sich der geneigte Leser nun einen vollständigen und authentischen Überblick über Wrightsons Kupferstich-artige, kontrastreiche und extrem detaillierte Arbeiten für die Grusel-Formate machen.
Allen Vorurteilen zum Trotz, die das mit reichlich Schund verwässerte Genre nach wie vor als Bürde trägt, befindet sich dabei auch die inhaltliche Qualität der Beiträge fast immer sowohl sprachlich als auch was das erzählerische Handwerk angeht auf hohem Niveau und begeistern mit sorgsam zugespitzten Geschmacks-Eskalationen. Zwar mag dem zynischem Betrachter auffallen, dass männliche Horror-Autoren offenbar das schwierige Verhältnis zu Frauen und dem Dämon Alkohol eint, das Resultat bleiben trotzdem makabere, dicht erzählte Schauer-Episoden, denen Bernie Wrightsons schraffierte Kunstwerken unglaublich viel Klasse und Flair verleihen.
Nicht zu Unrecht bildet dabei eine geniale Comic-Adaption von Edgar Allen Poes Kurzgeschichte „The Black Cat“ den haarsträubenden Auftakt der beeindruckenden Collection, bei der Bernie Wrightson auch für Konzept und textliche Realisation verantwortlich war. Mit ihrer zeitlosen, dichten Atmosphäre macht die Umsetzung des literarischen Klassikers deutlich, dass man mit diesem Band keine Pin-Up-Sammlung für verschrobene Freunde und Sammler makaberer Groschengeschichten in den Händen hält. Sondern ein Stück Kunstgeschichte.
Eine weiterer, noch deutlich umfangreicherer Band der „Creepy“-Gesamtausgabe ist außerdem von Underground-Comiclegende Richard Corben erhältlich.
CREEPY präsentiert: Bernie Wrightson. Splitter, Bielefeld 2014. 144 Seiten, Euro 22,80