Colorado im Jahre 1886. Es wird eng im weiten Land. Schuld daran ist der Viehbaron Wallace, der seinen Einfluss bei den örtlichen Honoratioren nutzt, um sein Land und seinen Viehbestand zu vergrößern. Die kleine Ranch der Cottens, die nach dem Tod des Vaters von den Geschwistern Wayne und Katherine geführt wird, ist ihm dabei ein Dorn im Auge. Denn die Cottens, die lediglich von dem alternden Haudegen Garth unterstützt werden, wollen nicht verkaufen und wehren sich tapfer gegen Wallace und seine Söhne. Ein Unwetter könnte die festgefahrene Lage ändern. Zwar verenden etliche Longhorns der Cottens am Stacheldrahtzaun von Wallace, dann aber entdecken die Geschwister einen halbtoten Mann, den sie gesund pflegen und der sich als Craig Bellamy vorstellt, offenbar ein Revolverheld, was der güldene Colt vermuten lässt. Aus Dankbarkeit für seine Rettung begleitet Bellamy die Cottens auf ihrem langen Viehtrieb nach Abilene. Denn der Verkauf eines Teils der Herde dort könnte die finanzielle Schieflage der Cottens beheben. Was auch Wallace weiß…
Christophe Bec, der das Szenario für diesen Western schrieb, kennt man in erster Linie von gewaltigen, ausschweifenden Science-Fiction-Epen wie „Prometheus“, „Eternum“ oder jüngst „Olympus Mons“. Dazwischen zeigt er immer wieder seine Vielfalt abseits des fantastischen Genres, so behandelt seine Fliegerserie „Aeropostale“ das Leben berühmter französischer Postflieger. Jetzt versucht er sich im Western und legt einen erstaunlich konventionellen Beitrag vor, der bisher wenig Überraschungen bietet und sich ganz dem Genre und dessen klassischen Motiven ergibt. Die Story schafft schnell und schnörkellos Klarheit: Auf der einen Seite die Cottens als Underdogs, die Guten, stets tapfer und chronisch knapp bei Kasse. Ihr Gegenspieler auf der dunklen Seite ist der ver- und erbitterte Cattle King Wallace, mächtig und nach einem Unfall vor Jahren an den Rollstuhl gefesselt. Craig Bellamy, der Mann mit der noch (diffusen) Vergangenheit – angeblich ein Killer, er wird nicht umsonst von den Rangern gesucht –, kann diesem Ungleichgewicht entgegenwirken und fungiert als neue „Geheimwaffe“ der Cottens gegen Wallace und seine Leute.Als Zeichner gewann Bec einen echten Western-Routinier. Michel Rouge setzte als einziger bereits beide großen und klassischen franko-belgischen Western-Serien in Szene: Für „Blueberry“ zeichnete er das dritte Marshal-Album und als Nachfolger von Hermann übernahm er für fünf Bände Gregs „Comanche“. Dabei sind seine Zeichnungen denen Girauds näher als denen Hermanns und somit stilistisch auch in der Western-Tradition von François Boucq („Bouncer“) oder Ralph Meyer („Undertaker“) verortet. Auch inhaltlich lassen sich Elemente der beiden klassischen Western-Serien ausmachen: Die Cotten-Ranch, als Hafen des Redlichen und in ständiger Geldnot steckend, erinnert an Comanches Triple Six Ranch, während die titelgebende Figur des Gunfighters optisch Mike Blueberry (und Jonas Crow, dem Undertaker) ähnelt. Bellamys Charakterzüge sind noch nicht ganz ausgearbeitet. Einerseits soll er ein Gunfighter, ein Revolverheld sein, zeigt sich dann nach seiner Genesung recht zugänglich, weshalb Katherine Cotten ein Auge auf ihn wirft.
Rouge setzt den Band schön klassisch um. Realistisch stimmige Panels, von beindruckenden, nächtlichen Unwetter-Episoden zu Beginn über Saloon- und Lynch-Szenen bis zu den Weiten der Prärie, durch die der Rinder-Treck führt, ist alles an Bord. Ja, das mag schon fast altmodisch, aber auf jeden Fall konventionell sein. Macht aber genau deshalb als kerniges, traditionelles Western-Abenteuer auch Laune. Da der Auftakt im Original bei Glénat auch gerade erst erschienen ist, werden wir uns für die Fortsetzung wohl etwas gedulden müssen.
Dieser Text erschien zuerst auf: Comicleser.de
Bernd Weigand ist schon über vier Jahrzehnte in Sachen Comics unterwegs: lesen, sammeln, übersetzen. Schreibt auch seit 20 Jahren über Comics, seit 2010 auf comicleser.de.