Saitama ist ein guter Kerl und würde die Menschheit gern vor der stetig wachsenden Bedrohung durch Monster schützen. Deshalb trainiert er so erbarmungslos, dass ihm dadurch sogar die Haare ausfallen. Ihm zur Seite steht dabei der hübsche Cyborg-Jüngling Genos, dem nicht Bauernschläue und ein gutes Herz, sondern eine beachtliche Datenbank und ein wortwörtlich stählerner Körper bei der selbst auferlegten Mission als Held helfen sollen. Damit die Menschheit auch von ihren Heldentaten erfährt, muss sich das ungleiche Duo in einer Art Heldenverband registrieren lassen und sich, sehr zu Saitamas Leidwesen auch intensiv mit Theorie und den bürokratischen Aspekten eines heroischen Lebens befassen. Dabei müssen sie schnell feststellen, dass es auch unter Helden viele Grautöne zwischen schlichtem Gut und Böse gibt. Und dass auch aufrichtig gut gemeinte Heldentaten ohne das richtige Marketing gründlich in die Hose gehen können.
Die einst als Online-Manga begonnene Action-Persiflage „One Punch Man“ gehört zu den absoluten Senkrechtstartern des japanischen Comic-Sektors. Inzwischen erschien der fünfte Band inklusive stylischem Sammelschuber bei Kazé, die für Freunde der Animationskunst außerdem auch gleich die Animé-Fassung des Popkultur-Phänomens synchronisieren ließen. Der große Reiz liegt dabei in der Gegenüberstellung eines naiven, oft nicht besonders hellen aber gerade deshalb überaus sympathischen Pseudo-Helden, der uns auch an ganz alltäglichen Herausforderung wie Lebensmittel-Einkäufen teilhaben lässt. Einzig seine unermessliche Körperkraft, die Fähigkeit jeden noch so mächtigen Gegner mit nur einem einzigem Schlag den garaus zu machen verbindet den niedlichen, auch deutlich simpler als seine Kollegen gezeichneten Saitama mit der ihn umgebenden Welt voller Superkrieger und riesiger Monstrositäten.
Dieser eigenwillige Ansatz nutzt sich auch mit der fortlaufenden, herrlich haarsträubenden Handlung nicht ab, ganz im Gegenteil. Immer wieder nimmt „One Punch Man“ Anlauf, bereitet den Leser auf eine epische, nie dagewesene Schlacht vor und zertrümmert diese Vorlage binnen weniger Sekunden in einer augenzwinkernden Pointe. Dabei beweist die Reihe aber nicht nur, dass sie sich erzählerischer Längen ihres Genres bewusst ist und nimmt diese gekonnt aufs Korn. Sie zieht auch regelmäßig und bildgewaltig den Hut vor den großen Momenten in all den „Dragonballs“, „Narutos“ und „Attack on Titans“ dieser Welt. Denn in Sachen Inszenierung, Dynamik und Lesefluss steht der witzige kleine Saitama seiner Konkurrenz in nichts nach.
Immer mehr skurrile Charaktere finden ihren Weg in die überdrehte Massenschlacht und spielen dabei urkomisch mit gängigen Genre-Stereotypen. Das macht „One Punch Man“ nicht nur zur großartigen Unterhaltung für Manga-Fans, sondern durchaus auch für Leser, die der Materie bislang eher kritisch und kopfschüttelnd gegenüber standen.
One, Yusuke Murata: One Punch Man. Kazé, Lausanne 2017. Je 189 Seiten zu je 6,95 Euro.