Anklage gegen den Krieg

Shigeru Mizuki eignet sich nicht für den Krieg, das wird schon auf den ersten Seiten seines Mangas deutlich. Wenn sein Schlaflager nachts von Mäusen heimgesucht wird, schreit er laut und wenn er auf seinem Schiff Wache halten soll, beobachtet er so verträumt den feindlichen Torpedo, der auf die eigene Flotte zuschießt, dass er vergisst, Meldung zu machen.

Mizuki erzählt all das in munteren Slapstickeinlagen, in denen fast folgerichtig erscheint, dass er von seinen Vorgesetzten beschimpft und geschlagen wird. Allerdings wird schnell klar, dass fast alle Soldaten der unteren Ränge Prügel beziehen. Die japanische Armee ist ein Ort der Demütigungen und Shigeru Mizuki macht das mit dem für ihn typischen robusten Humor deutlich.

Shigeru Mizuki (Autor und Zeichner): „Kriegsjahre“.
Aus dem Japanischen von Nora Bierich. Reprodukt, Berlin 2020. 488 Seiten. 24 Euro

Genüsslich inszeniert Mizuki Kontraste. Auch in seinen Zeichnungen. Die exotische Landschaft etwa zeichnet er fast fotorealistisch. Mizuki ist auf einer Pazifikinsel in der Nähe von Papua-Neuguinea stationiert, wo Palmenhaine sich mit üppigen Sumpflandschaften abwechseln und die Sonne malerisch im Meer versinkt.

Vor diesem ausdifferenzierten Hintergrund wirken die Figuren grob und wie aus einem Funny-Comic: Wenn es mal wieder Schläge gibt, sehen sie Sterne und immer wieder steht ihnen der Angstschweiß auf der Stirn. So gezeichnet wirken die Soldaten, als wären sie dazu da, von einer misslichen Lage in die nächste zu tapern.

In kleinen Exkursen zu den Hintergründen dieses Krieges wird deutlich, dass die japanische Regierung ihre Soldaten tatsächlich immer wieder in ausweglose Gemetzel geschickt hat. Auch weil die japanische Wirtschaft bei weitem nicht so gut aufgestellt war wie die amerikanische. Während die USA ihre Flugzeuge im Laufe des Zweiten Weltkriegs immer weiter verbessern konnten, fiel es den Japanern schwer, die abgeschossenen Flugzeuge überhaupt neu zu produzieren.

Der autobiografische Manga „Kriegsjahre“ ist eine einzige Anklage gegen den Krieg und zeigt auf knapp 500 Seiten dessen Absurdität und Unmenschlichkeit. Shigeru wird verwundet, ein Zahnarzt wird ihm einen Arm amputieren – und zwar so schlecht, dass die Entzündung lebensbedrohlich ist. Der andere Arm ist von einem Ekzem entstellt. So zugerichtet liegt er in einem Erdloch und wird von amerikanischen Fliegern beschossen. So etwas kann nicht wahr sein, denkt man beim Lesen. Und das so etwas niemand heil überstehen kann.

Der Mangaka Shigeru Mizuki blieb zeitlebens vom Krieg versehrt – und lebte mit nur einem Arm weiter. Mental schien er aber erstaunlich heil herausgekommen zu sein, möglicherweise auch wegen seines schwarzen Humors.

Im Manga „Kriegsjahre“ erzählt er, wie er nach dem Krieg auf eine kaputte japanische Gesellschaft trifft und endlich seinen Interessen folgt. Er wird Manga-Zeichner und damit aufmerksam, fleißig und erfolgreich. Shigeru Mizuki zeigt im zweiten Teil seiner Autobiografie, wie der Krieg zum Wendepunkt in seinem Leben wird – und legt ein ungeheuer vielschichtiges Panorama über die japanische Armee im Zweiten Weltkrieg vor.

Dieser Beitrag erschien zuerst am 02.12.2020 auf: kulturradio rbb

Andrea Heinze arbeitet als Kulturjournalistin u. a. für kulturradio rbb, BR, SWR, Deutschlandfunk und MDR.

Seite aus „Kriegsjahre“ (Reprodukt)