Während eines plötzlichen wie verheerenden Dauerregens beschließen Bizu und sein Kumpel, der Pilz Mukes, ihr Haus zu verlassen, ehe es von den Fluten mitgerissen wird. Sie stranden auf einem kleinen Inselchen im überschwemmten Wald von Frotteelande, auf dem sich auch bald Schnockbüll, der zottelige Dritte im Bunde, einfindet. Und noch jemand hat es hierher verschlagen: Keryna, „die boshafteste Fee der keltischen Welt“, wie Bizu erschrocken erklärt. Keryna, eigentlich eine adrette junge Dame, besitzt das Zeichen von Ys, ein Amulett, das nicht gerade den besten Einfluss auf seine Trägerin hat – war es doch auch die Fee, die für den Regen und die Flut verantwortlich war. Nachdem sie mit Schnockbüll und Bizu ihre Spielchen treibt und dabei die verbotene Formel aufsagt, erscheinen die Waldgeister, nehmen Karyna mit sich und verlangen von Bizu, das verhängnisvolle Amulett zu besorgen. Doch der hat selbst keine Ahnung, wo er suchen soll… („Das Zeichen von Ys“)
Szenenwechsel: inzwischen ist die Fee Karyna von ihrer Boshaftigkeit „geheilt“ und die Waldgeister sind wieder in ihre Dimension zurückgekehrt. Doch der Schnockbüll hat noch immer nicht seine eigentliche Größe wieder und macht Bizu deshalb Vorwürfe. Da taucht unvermittelt Bekar auf, ein fahrender Händler, in dessen kleinen Karren sich eine schier unerschöpfliche Masse an Dingen – nützliche und weniger nützliche – befindet. Dessen Vater namens Fis Dur unterrichtete einst die Waldgeister in Musik und ist seitdem verschwunden. Als Bekar die bereits bekannte verbotene Formel aufsagt, erscheinen die kleinen Männlein erneut – sehr zur Freude von Bizu, der mit deren Hilfe nun endlich Schnockbüll dessen ursprüngliche Größe wieder herstellen kann. Doch der ist verschwunden, genau wie Karyna. Mit Hilfe eines magischen, fliegenden Hinkelsteins machen sich Bizu, Mukes und Bekar auf, die beiden zu suchen… („Der Sohn von Fis Dur“)
Band 2 der Gesamtausgabe um den bretonischen Kobold behandelt ein weiteres kurioses Kapitel der ohnehin turbulenten Historie der Figur, die der ehemalige Zeichner von Spirou und Fantasio erdacht hatte. Fasste der erste Band die diversen Kurzgeschichten zusammen, die ab 1967 bis 1986 bei Dupuis erschienen sind (mit teilweisen langen Pausen dazwischen), bringt der zweite Teil nun die ersten beiden Einzelalben mit Bizu heraus, die binnen eines Jahres 1986 erschienen. Und zwar bei der Konkurrenz, im Verlag Fleurus. Eigentlich hatte Fournier bereits eine Zusage von Dupuis in der Tasche, Bizu als Serie zu veröffentlichen. Die meisten Seiten waren auch schon berechnet. Doch dann wurde Dupuis verkauft und das Magazin Spirou sollte neu ausgerichtet werden. Was bedeutete: kein Platz mehr für Bizu. So wurde Fournier ausgebootet und da es mit dem Verhältnis zwischen ihm und Dupuis, seitdem man ihm Spirou und Fantasio entzog (1979), sowieso nicht mehr zum Besten stand, bot ein sichtlich verzweifelter Fournier die Serie bzw. deren erstes Album der Konkurrenz an und bekam von Fleurus den Zuschlag.
Doch auch diese Zusammenarbeit währte nur die beiden Alben, danach kehrte Fournier zu Dupuis zurück und veröffentlichte dort die weiteren Bizu-Stories, die im dritten Band der Gesamtausgabe erscheinen werden. Die letzte Geschichte der Karyna-Trilogie mit dem Titel „Das große Chaos“ textete und zeichnete er bis zur Seite 35 und brach sie danach ab. Sie blieb unvollendet und wird hier in diesem Band erstmals überhaupt als Fragment veröffentlicht. Die Welt von Bizu spiegelt die Sagenwelt von Fourniers bretonischer Heimat wider. Mit dem Amulett von Ys bezieht er sich einmal mehr auf die Legende um die gleichnamige, versunkene Stadt. Der haarig-zottelige Schnockbüll ist ein musikalischer Korrigan und im Wald von Frottelande gibt es geheimnisvolle Orte und mystische Statuen. Mit alldem geht Fournier sehr liebevoll um, was sich auch in seinem Humor niederschlägt. So besteht der Ballon des kleinen Volkes der Waldgeister (das bisweilen im Design an die Gifticks erinnert) aus einem Dudelsack und in den Fußspuren des Schnockbüll wachsen sofort kleine Blumen. Dazu gesellen sich wunderbare Running Gags, wie das magische Zepter des „Königs“ der Waldgeister, das seinen eigenen Willen zu haben scheint.
Zeichnerisch entfernt sich Fournier nun endlich etwas von dem „Spirou-Stil“, der von Franquin vorgegeben war. Sein Strich wird feiner und nervöser, etwas realistischer, möchte man fast sagen. Beim Arrangement komischer Situationen, oder bei den Mimiken seiner skurrilen Figuren kommt ihm seine Spirou-Routine sichtlich zu Gute und lässt sich auch nicht leugnen. Dass Fournier auch von persönlichen Krisen nicht verschont blieb, zeigt der wie schon im ersten Band opulent bebilderte und ausführliche Sekundärteil. Eigentlich – so denkt man – sollte es für einen Zeichner, der immerhin zehn Jahre lang für eine Ikone der franko-belgischen Comic-Kultur verantwortlich war, ein Leichtes sein, seine Popularität zu nutzen und neue Geschichten mit neuen Figuren (wobei Bizu schon vor seiner Zeit bei Spirou entstand) zu kreieren und zu veröffentlichen. Doch Fournier haderte mit sich selbst, kam sehr langsam voran und verlor sich beinahe in seinem Bizu (auch ein Grund, weshalb er „Das große Chaos“ abbrach). Beinahe. Denn die beiden hier abgeduckten Alben zeugen von klugem Storytelling, von blühender Fantasie und originellem Humor. Und verhelfen einer (erst recht bei uns) unbekannten franko-belgischem Funny-Figur zu einer verdienten Würdigung.
Jean-Claude Fournier: Bizu Gesamtausgabe, Band 2. Egmont Comic Collection, Berlin 2017. 192 Seiten, 34,99 Euro