Seit 1977 schrieb der Schriftsteller und Comicautor Peter Mennigen zunächst deutsche Geschichten für Comicreihen wie „Gespenster Geschichten“, „Spuk Geschichten“, „Conny“, „Biggi“, „Vanessa“, „Felix“, „Lasso“, „Phantom“, „Axel F.“ und zahlreiche weitere Serien des Bastei Verlags. Ab den 90er Jahren arbeitete er für andere Verlage wie Egmont (Disney-Magazine), Panini (Jessy, Sternentänzer, Willi will‘s wissen) und Ravensburger (u. a. Fix und Foxi). In dieser Zeit verfasste er auch internationale Comics: „Lucky Luke“, „Schlümpfe“, „Bessy“ und „Isnogud“. Aktuell arbeitet er zusammen mit Ingo Römling an der Mystery-Serie „Malcolm Max“. Für comic.de blickt er zurück auf seine Arbeit im deutschen Comicverlagsgeschäft.
Im Verlagswesen ist der Job des Redakteurs ziemlich risikobehaftet – vor allem in der Comicbranche. Die Kündigung kann einen jederzeit – manchmal sogar ohne Vorwarnung – treffen. Man kommt wie jeden Morgen zur Arbeit und findet dann auf dem Schreibtisch eine böse Überraschung in Form seines Entlassungsschreibens vor.
Einmal habe ich den Chefredakteur eines großen Verlages vor seinem Urlaubsantritt gewarnt, dass etwas gegen ihn im Busch sei. Es war kein Insiderwissen, das mich zu dieser Annahme bewogen hatte, vielmehr hatte ich im Laufe der Jahre ein gewisses Gespür entwickelt, wenn Unheil in der Luft lag. Meinen Hinweis kommentierte er lachend und meinte, niemand könne ihm auf seinem Posten etwas anhaben. Als er nach einigen Wochen aus den Ferien kam, war sein Posten neu besetzt und er musste sich einen anderen Job suchen.

Damit begann alles: Von „FELIX“ erschienen von Juli 1958 bis Juli 1981 insgesamt 1114 Hefte.
Copyright © Bastei Verlag
In den vergangenen Jahrzehnten habe ich des Öfteren solche zyklischen Verläufe erlebt. Manche verliefen relativ glimpflich mit der Einstellung einiger Serien, vereinzelte endeten dramatischer in der Insolvenz eines Verlages. Dass jedoch eine komplette Redaktion weniger wegen schwindender Verkaufszahlen, sondern womöglich aufgrund einer persönlichen Fehde zwischen dem Verleger und einem Chefredakteur geschlossen wurde, erlebte ich nur ein Mal. Und zwar Mitte der 1990er-Jahre beim Bastei Verlag.
1953 hatte Gustav Lübbe den kleinen, vor dem Konkurs befindlichen Bastei Verlag übernommen und damit den Grundstein zu einem Imperium gelegt. Weil der Verleger früher als Redakteur tätig war, besaß er einen Spürsinn für lukrative Stoffe. Zudem wusste er die Leistungen seiner Angestellten entsprechend zu würdigen. Ende der 1950er-Jahre erkannte Gustav Lübbe das Potenzial von Comics und rief in seinem Verlag die Jugendredaktion ins Leben. Was mit Heften wie „Felix“ und „Bessy“ begann, weitete sich dank deren Millionenauflagen zu einer Erfolgsstory aus. Vom Ende der 1960er bis weit in die 1980er-Jahre war Bastei die unangefochtene #1 unter den deutschen Comicproduzenten. Dabei war der Verleger alles andere als ein Fan dieses Mediums. Er betrachtete die „Heftchen“ als das, was sie damals der allgemeinen Meinung nach waren: Schundliteratur.

Von „BESSY” erschienen von Februar 1965 bis November 1985 insgesamt 992 Hefte.
Cover Artwork: Vandersteen
Copyright © Bastei Verlag
Dann trat Anfang 1990 der Verleger Gustav Lübbe in den Ruhestand. Die Geschäftsführung übernahm sein Schwiegersohn Dr. Peter Roggen, von Beruf Anwalt. Im Gegensatz zu seinen Redakteuren und Chefredakteuren, die zumeist auf jahrelange Erfahrung in dem Metier zurückblicken konnten, war das Verlagswesen für ihn quasi Neuland. Das wäre eine Erklärung für sein autoritäres Auftreten. Als Erstes schränkte er die Freiheiten der bis dahin mehr oder minder autark agierenden Chefredakteure ein. Gustav Lübbe hatte sich aus deren Arbeit herausgehalten, solange die Ergebnisse stimmten. Dieses System funktionierte besonders bei der Jugendredaktion ausgezeichnet. Dagegen wollte der neue Verleger über die Aktivitäten in seinem Verlag genauestens informiert sein und als oberste Instanz alle anstehende Entscheidungen treffen. Ab sofort liefen sämtliche Vorgänge aus der Jugendredaktion über den Chef.

Von „LASSO” erschienen von 1965 bis 1985 insgesamt 646 Hefte. Wegen eines Druckerstreiks wurde eine Ausgabe übersprungen, weshalb das letzte Heft die Nummer 647 trägt.
Cover-Artwork: Angelo Di Stefano
Copyright © Bastei Verlag
Zu einem solchen Redaktionsmeeting war ich ebenfalls geladen. Was auch immer ich mir darunter vorgestellt hatte, diesen Ablauf hatte ich so nicht auf dem Schirm: Dr. Roggen saß an einem Kopfende des langen Konferenztisches, Werner Geismar an dem gegenüberliegenden Ende. Die Redakteure und ich hatten an den Seiten Platz genommen. Niemand sagte ein Wort, während der Verleger länger als eine halbe Stunde über die verschiedene Formen des Gummiabriebs auf dem Asphalt referierte, der entstand, wenn der Held einen heißen Reifen fuhr. In einem der Hefte wurde nämlich erwähnt, dass ein Sportwagen beim Anfahren eine Reifenspur hinterließ. Zum Abschluss gab der Verleger uns eine Fülle von Verbesserungsvorschlägen und Anweisungen mit auf den Weg.
Nach der Besprechung ging ich mit Werner Geismar in dessen Büro. Er verlor kein Wort über das Meeting. Allerdings konnte jeder an seiner versteinerten Miene ablesen, was in ihm vorging. Das war für mich der Augenblick, in dem mir bewusst wurde, dass das Schicksal der Jugendredaktion besiegelt war. Während sich die übrigen Redakteure wahrscheinlich an die Hoffnung klammerten, sich irgendwie mit dem neuen Verleger zu arrangieren, hatte die Jugendredaktion in meinen Augen keine Zukunft mehr. Ich wusste nicht, wie das Ende kommen würde, ich wusste nur, dass es unaufhaltsam näherrückte. Als meine Befürchtung am Tag X Wirklichkeit wurde, erwischte mich die Art des Ablaufs trotzdem eiskalt.

Von „GESPENSTER GESCHICHTEN” erschienen von März 1974 bis März 2006 insgesamt 1654 Hefte.
Cover Artwork: Prieto Muriana
Copyright © Bastei Verlag
Im Frühjahr 1990 stand Werner Geismar an einem späten Sonntagabend ohne telefonische Vorwarnung und dementsprechend unerwartet vor meiner Haustür. Er hatte einen braunen Aktenkoffer dabei, dessen Inhalt die Programmpalette der Jugendredaktion revolutionieren würde. Als Erstes entnahm er dem Koffer eine Videokassette, die ich abspielen und dann meine Meinung dazu äußern sollte. Ich sah eine unsynchronisierte Folge der Trickfilmserie „Die Simpsons“. In den USA lief die Show schon im Fernsehen. Auch in Deutschland war eine Ausstrahlung geplant. Mit Matt Groening, dem Erfinder der „Simpsons“, hatte Werner Geismar bereits einen unterschriftsreifen Vertrag ausgehandelt, der Bastei die exklusiven Rechte sicherte, eigene Comics der „Simpsons“ zu produzieren. Ich fand die Serie klasse, worauf ich den Auftrag bekam, umgehend die Exposés für die ersten Comichefte der „Simpsons“ zu schreiben. Damit ich mich in die Materie einarbeiten konnte, erhielt ich mehrere Videos mit Trickfilmen.

Von „CONNY“ erschienen von August 1980 bis Juni 1989 insgesamt 462 Hefte.
Cover Artwork: Ertuğrul Edirne
Copyright © Bastei Verlag
Während der kommenden Woche verfasste ich die Exposés für zwei „Simpsons“-Hefte und nach deren Genehmigung durch die Redaktion die Skripte. Parallel dazu übersetzte ich die ersten Mangas, schrieb Konzepte und Exposés für eine Serie über Kids und Computergames und eine Comicreihe mit fiktiven und realen Wrestlingstars, die ich dann an Bastei sandte. Ich saß gerade an den Geschichten für das dritte Heft der „Simpsons“, da rief mich Werner Geismar an. Mit unüberhörbarer Verbitterung verkündigte er das Aus der geplanten Comics. Angeblich sei sein Chef unfähig, deren Potential zu erkennen.

Von „DAN COOPER” erschienen von Oktober 1981 bis Dezember 1983 insgesamt 33 Hefte.
Cover Artwork: Celal Kandemiroglu
Copyright © Bastei Verlag
Laut Werner Geismar hatte sich Dr. Roggen die Präsentation der geplanten Comicserien geduldig angehört, ehe er sie dann abschmetterte. „Die Simpsons“ waren ihm zu krass, zu destruktiv, zu anarchistisch, zu subversiv. Dem Verlagsleiter schwebte bei Comic-Adaptionen von Trickfilmen so etwas wie „Biene Maja“ vor. Von der gelben Hautfärbung abgesehen, ähnelten sich die Protagonisten beider Animationsserien allerdings wenig. Für die „Simpsons“ sah er deshalb keinen Platz in seinem Verlag. Mit „Wrestling“ wusste er überhaupt nichts anzufangen. Und in Bezug auf Mangas fällte er ebenfalls ein vernichtendes Urteil: Comic-Taschenbücher in Schwarzweiß, noch dazu von hinten nach vorne gelesen? Das erschien ihm zu exotisch, als ob sich dafür auch nur ein Comicleser in Deutschland interessieren könnte. Heute weiß man, dass seine Weitsicht den Chefredakteur der Jugendredaktion nicht getäuscht hatte und allein die Veröffentlichung von Mangas dem Verlag einen Geldsegen ohnegleichen beschert hätte. Werner Geismar verlor in der Folgezeit kein Wort mehr über seine abgelehnten Pläne. Dennoch saß der Stachel offenbar tief. Als sich ihm eines Tages die Gelegenheit bot, deswegen Revanche bei seinem Chef zu nehmen, ergriff er sie.

Von „CAPTAIN FUTURE“ erschienen von Oktober 1980 bis 1983 insgesamt 80 Hefte .
Cover Artwork: Celal Kandemiroglu
Copyright © Bastei Verlag
Als Werner Geismar davon hörte, sah er möglicherweise eine Gelegenheit, seinem Vorgesetzten – wegen seiner abgelehnten Projekte und der Beschneidung seiner Kompetenzen – eins auszuwischen. Er beantragte die Gründung einer Unterabteilung in der Jugendredaktion für die Herstellung von Kalendern. Dr. Roggen erteilte ihm die Erlaubnis, da das Geschäft mit Kalendern immer lukrativer wurde. Nachdem Werner Geismar die Bewilligung hatte, bot er Stefan Lübbe die Leitung der Kalenderabteilung an. Diese Gefälligkeit sollte sogar Früchte tragen, denn die Produktion machte Profit. Für einige der witzigen Kalender schrieb ich seinerzeit die Texte. Es ist anzunehmen, dass der ausgetrickste Dr. Roggen die Parteinahme von Werner Geismar für seinen Schwager als ein Votum gegen sich wertete. Wenn er gekonnt hätte, hätte er den Chefredakteur der Jugendredaktion vermutlich auf der Stelle entlassen. Allerdings gab es keinen hinreichenden Kündigungsgrund.

Von „BIGGI“ erschienen von Mai 1982 bis September 1989 insgesamt 316 Hefte.
Copyright © Bastei Verlag
In dieser Zeit trafen Werner Geismar und ich uns privat häufig. Manchmal kam er abends direkt nach der Arbeit vorbei, übernachtete in meinem Haus und fuhr dann morgens zum Verlag zurück. Dadurch war ich über das gespannte Arbeitsklima und die sich permanent zuspitzende Situation im Verlag relativ gut unterrichtet. Werner Geismar hatte schon lange keine Lust mehr, unter diesen Bedingungen zu arbeiten. Er harrte trotzdem weiter aus. Zum einen konnte er nur so seine schützende Hand über die Redakteure seiner Abteilung und die für sie arbeitenden Freelancer halten. Und zum anderen war die Vorproduktion der anstehenden Bastei-Fernsehserie dank ihm so weit fortgeschritten, dass er diese unbedingt fertigstellen wollte.
Dazu sollte es aber nicht mehr kommen. Am 18. Mai 1995 verstarb Gustav Lübbe. Eine der ersten Amtshandlungen Dr. Roggens – nur wenige Tage nach der Beisetzung des Verlagspatriarchen – war die offizielle Schließung der Jugendredaktion. Allerdings war das Ende der Abteilung bereits an einem denkwürdigen Tag im Sommer 1994 eingeläutet worden, dessen Ablauf an Dramatik kaum zu überbieten war.
Fortsetzung folgt …

Von „WASTL” erschienen von Mai 1968 bis Januar 1972 insgesamt 173 Hefte.
Copyright © Bastei Verlag

Von „ROY TIGER” erschienen von August 1968 bis Juni 1970 insgesamt 79 Hefte.
Cover Artwork: Chacopino
Copyright © Bastei Verlag

Von „SILBERPFEIL” erschienen von Juni 1970 bis November 1988 insgesamt 768 Hefte.
Cover Artwork: Gerd Werner
Copyright © Bastei Verlag

Von „DER ROTE KORSAR” erschienen von Juli 1970 bis August 1971 insgesamt 15 Hefte.
Cover Artwork: Antonio Parras
Copyright © Bastei Verlag

Von „PHANTOM“ erschienen von Juli 1974 bis August 1983 insgesamt 238 Hefte.
Cover Artwork: Lopez Espi
Copyright © Bastei Verlag

„BUFFALO BILL” erschien von 1975 bis 1984. Seine eigene Serie endete mit Ausgabe 671. Bis Heft 376 erschienen seine Abenteuer (u.a.) in der Serie „Lasso“. Nach Auskopplung der Reihe wurden 295 Comics unter dem Titel „Buffalo Bill“! veröffentlicht.
(Danke für den Hinweis an Jörg Sicher
und Stefan Meduna)
Cover-Artwork: Vicente Ramon Gonzales
Copyright © Bastei Verlag

Von „KUNG FU” erschienen von Oktober 1975 bis Dezember 1981 insgesamt 155 Hefte.
Cover-Artwork: Sebastià Boada
Copyright © Bastei Verlag

Von „BIENE MAJA” erschienen von August 1976 bis Juli 1981 insgesamt 163 Hefte.
Copyright © Bastei Verlag

Von „TOPIX” erschienen 1976 bis September 1978 insgesamt 29 Hefte.
Copyright © Bastei Verlag

Von „NILS HOLGERSSON” erschienen von September 1981 bis Oktober 1983 insgesamt 56 Hefte.
Copyright © Bastei Verlag

Von „MANOS – Der Dämonenjäger“ erschienen von August 1983 bis Dezember 1984 insgesamt 35 Hefte.
Cover-Artwork: Ertuğrul Edirne
Copyright © Bastei Verlag

Von „ROBIN HOOD“ erschienen von 1973 bis März 1977 insgesamt 97 Hefte.
Cover Artwork: Martin Sievre (links) und Gerd Werner (rechts)
Copyright © Bastei Verlag

Von „GESPENSTER GESCHICHTEN“ Taschenbuch erschienen von April 1980 bis Juli 1996 insgesamt 99 Bücher.
Cover Artwork: SAM (links) und Ugurcan Yüce (rechts)
Copyright © Bastei Verlag

Von „JOHN TORNADO“ erschienen von Juni 1980 bis März 1981 insgesamt 20 Hefte.
Cover Artwotk: Ertuğrul Edirne
Copyright © Bastei Verlag

Von „VANESSA – Die Freundin der Geister“ erschienen von 1982 bis Februar 1990 insgesamt 215 Hefte .
Cover Artwork: Celal Kandemiroglu
Copyright © Bastei Verlag

Von „VANESSA“ Taschenbuch erschienen von 1982 bis September 1990 insgesamt 40 Bücher
Cover Artwork: Ugurcan Yüce
Copyright © Bastei Verlag

Von „FILMATIONS GHOSTBUSTERS“ erschienen von August 1988 bis August 1989 insgesamt 6 Hefte.
Copyright © Bastei Verlag

Von „Elvira“ erschien im Mai 1989 1 Heft.
Cover Artwork: Joe Jusko
Copyright © Bastei Verlag