I HATE FAIRYLAND 2 – Die hohe Kunst der rohen Gewalt

reguläre Ausgabe

Anstatt dem farbenfrohen, beschissen-fröhlichen Fairyland endlich zu entfliehen, wurde Gert unverhofft zur Königin dieser Ansammlung fröhlich quiekender Schwachköpfe. Vom Regieren hat sie aber nicht nur ausgesprochen wenig Ahnung, sondern auch noch weniger Freude daran. Gerts Qualitäten liegen in der hohen Kunst der rohen Gewalt, im Abschlachten und im Abfackeln. Nicht in Diplomatie oder Politik. Als die Personalabteilung von Fairyland in Form von Frau Winter (Winter is coming!) feststellt, wie schlecht die im Körper eines Kindes gefangene, bedrohlich frustrierte Enddreißigerin eigentlich in ihrem Amt ist, wird die freudestrahlende Gert doch tatsächlich aus dem Monarchendienst entlassen. Nun will sie erneut versuchen, einen Weg zurück in ihre Welt zu finden…

I Hate Fairyland“ polarisiert auffallend. Wo mancher Leser oder Rezensent eine uninspirierte, aufgesetzt freche Cartoon-Sammlung zu erkennen glaubt, gibt es auch eine standhafte Fraktion, die in Skottie Youngs anarchischer Zuckerschock-Saga eine brillante, brutal überspitzte Popkultur-Satire sieht. Der Schlüssel zur Perspektive auf „I Hate Fairyland“ liegt dabei in der eigenen, kulturellen Sozialisation. Selbst mit Anfang vierzig kann man unter Umständen bereits zu alt sein, um die künstlerische Leistung hinter Gertrudes bluttriefenden Wutanfällen zu würdigen. Wer aber bereits in seinem Kinderzimmer einen Fernseher stehen hatte, die unsägliche Techno-Epoche in der Popmusik der Neunziger bei vollem Bewusstsein durch- und überlebt hat, wer sich selbst manchmal dabei ertappt, sich erst nach Stunden ziellosem Dahintreiben in den unendlichen Weiten des Internets vom Stroboskopgewitter hysterisch schnell geschnittener Katzenvideos loszureißen – der wird „I Hate Fairyland“ verstehen.

limitierte Luxusausgabe

Gert und Fairyland lassen sich alternativ auch vortrefflich als Parabel auf amerikanische Fandom-Kultur verstehen. Wie unzählige Comic- oder Filmfans wünscht sich die kleine Antiheldin als Kind zunächst nichts sehnlicher, als Teil des Fairyland zu werden, eine durch Kinderaugen perfekte Welt. Im Laufe der Jahre erkennt sie jedoch die repetitiven Srukturen dieser Welt, wie wenig niedlich, perfekt und erfüllend die niemals enden wollenden Wiederholungen dieses immer gleichen Prinzips eigentlich sind. Trotzdem kann sie dieser Welt nicht entkommen, ist sie komplett von ihr vereinnahmt. Klingelt da was, liebe Plastik-Tricorder-Träger und LED-Lichtschwert-Ritter?

Wer sich von all diesen Theorien über den tiefen Sinn oder Unsinn von „I Hate Fairyland“ nicht überzeugen lassen will, wird trotzdem nur schwer widerlegen können, dass Skottie Young ein begnadet ausdrucksstarker Cartoonist ist, der mit nicht einmal vierzig Jahren mit seinem Stil einen ikonischen Standard geschaffen hat. Möchte man von so jemandem illustriert nicht gegebenenfalls auch gern eine vermeintlich generische Fantasy-Story mit anzüglich-derbem Humor lesen? Ganz ehrlich?

Skottie Young: I Hate Fairyland 2 – Zwick mein Leben. Popcom, Hamburg 2017. 144 Seiten. Hardcover, € 14,–. Limitierte Luxusausgabe, € 59,95 Euro