Die betagten Zwillingsbrüder Helis und Helias bergen aus einem See das Wrack eines stattlichen Oldtimers. Gemeinsam polieren die beiden das antike Automobil wieder auf, um kurze Zeit später damit einen waschechten, amerikanischen Road Trip zu unternehmen. Da ältere Herren nun mal des Öfteren die Notdurft ereilt, erleichtert sich Helias schon kurz darauf an einem monströsem Abschlepptruck. Als sie sich wieder auf den Weg machen wollen, müssen die Brüder feststellen, dass der Fahrer des stählernen Kolosses offensichtlich noch hinterm Steuer saß. Und nun scheint er ausgesprochen schlecht gelaunt und angriffslustig…
Ganz offensichtlich stark inspiriert vom Spielberg-Filmklassiker „Duell“ liefert das von „Tin Lizzie“-Künstler Dominique Monfery sowohl geschriebene als auch visuell umgesetzte „Evil Road“ eine herrlich verschrobene Mischung. Hier treffen Bleifuß-Thriller wie „Duell“ oder Tarantinos „Death Proof“ auf schrulligen Altherren-Humor in der Tradition von Jack Lemon und Walter Matthau. Wenn wir bei Vergleichen im Comicbereich verbleiben wollen, wird Herr Monfery gewiss auch mal einen Blick auf die international gefeierten „Alten Knacker“ geworfen haben. Wer kann es ihm verdenken.
„Evil Road“ ist ein ungeheuer sympathisches Buch. Voll von lebendiger Mimik, dynamischen Actionsequenzen, bildgewaltigen Metaphern und großen kleinen Momenten. Daran kann auch das völlig übereilte und deshalb etwas konstruiert wirkende Finale samt Auflösung nicht wirklich etwas ändern. Vielleicht hätte Monsieur Monfery gut daran getan, dem künstlerischen Vorbild von Stephen Spielberg etwas konsequenter nachzueifern. Der wollte „Duell“ ursprünglich nämlich gänzlich ohne Dialoge stattfinden lassen, was „Evil Road“ auch ganz ausgezeichnet zu Gesicht gestanden hätte. Die vielen verschiedenen Nuancen von Wut, Ärger und Verwunderung der Zwillings-Opis sind ein visueller Hochgenuss und funktionieren auch hervorragend ohne Worte.
Trotz dieser Ecken und Kanten ist „Evil Road“ ein wundervoll hervorstechendes Comic-Vergnügen, das sich einen Dreck um klar ersichtliche Zielgruppen und kommerzielle Verwertbarkeit schert. Gezeichneter Punkrock, ein ungeschliffener Diamant. Da bleibt dem Splitter-Verlag nur zu wünschen, dass dieses mutige Bekenntnis zur Comic-Kunst im Grabenkrieg zwischen Feuilleton-Anspruch und Superhelden-Kirmes auch wahrgenommen wird. Verdient hätte „Evil Road“ es allemal.
Dominique Monféry: Evil Road. Splitter, Bielefeld 2017. 48 Seiten, 14,80 Euro