Hölle und zurück – „H.ell“

Ritter sein ist eine feine Sache. Tafelrunde, Turniere, das holde Burgfräulein, so in diese Richtung. Nur leider läuft das Leben für Harmond Ellmander etwas anders als in einem einschlägigen Hollywood-Streifen ab. Etwas zu keck war er, zu rabiat bei den Turnieren, so dass man ihn als Strafe vom Hof verbannt und eigentlich ins Exil schicken will. Nachdem er aber nun einmal zu den besten Kämpfern des Reiches gehört, wird die Buße gewandelt: all seine Besitztümer sind verloren, aber er darf sein Leben immerhin als Quästor fristen – als Mitglied des Ordens der Wachleute macht er fortan Jagd auf die finstersten Elemente unter der Sonne, immer gequält von der Sehnsucht nach seiner geliebten Frau Erline, die sich von ihm abgewendet hat. Unter dem neuen Namen H.ell begibt sich Harmond auf den dornenreichen Weg der Erlösung: ein bestialischer Killer treibt sein Unwesen im Reich. Bevorzugt leichte Mädchen sucht dieser Wüterich heim, hängt sie von der Decke, trennt Gliedmaßen ab und verspeist diese auch teilweise. Eine namenlos böse Kraft scheint hier am Werk, vielleicht sogar ein Gestaltwandler wie die „Freudenspenderin“ Navade, die irgendwie in die Sache verwickelt ist…

Stephen Desberg, der als Schreib-Kompagnon von Enrico Marini ja durchaus Erfahrung mit historischen Sujets hat („Der Skorpion“, „Der Stern der Wüste“) und auch mit den „Golden Dogs“ in die Geschichtskiste griff, legt mit „H.ell“ eine Mischung aus Ritter-Epos, Fantasy/Horror-Story und Kriminalgeschichte vor. Wie die „Meister der Inquisition“ in der gleichnamigen Serie ist auch der ex-Ritter Harmond Ermittler für schwere Fälle, der in einer mittelalterlich geprägten Welt (Feudalstaat, Orden) auf allerlei übernatürliche Elemente trifft (die Metamorphosen der Freudendame), dabei gerne handgreiflich vorgeht, aber auch kriminalistische Spurensuche und logische Schlussfolgerungen betreibt. Darüber schwebt der Bogen der persönlichen Erlösung: alle seine Prüfungen scheinen dem Zweck zu dienen, Harmond aus der Hölle zu holen und wieder ans Licht zu führen. Bisweilen ein wenig arg plakativ in diesem Symbolismus, liefert Desberg dennoch ein spannendes Rätselraten um die mysteriösen Morde. Der gar nicht heimliche Star dabei ist allerdings die Gestaltung durch Bernard Vrancken, dessen Zeichnungen fein detailreich mit ruhigem Strich an Gemälde erinnern und wohltuend jenseits aller Knalligkeit zutiefst europäische Akzente setzt. Ein wunderbar gediegener Bildrausch, dem mit „Die Nacht, das Reich der Mörder“ hoffentlich bald Band 2 folgt.

Stephen Desberg, Bernard Vrancken: H.ell 1: Facetten des Todes. Splitter, Bielefeld 2017. 56 Seiten, 14,80 EUR