Seien wir doch mal ehrlich: Auch wenn man Spaß am Marvel-Kino-Universum hat, ist der große Wurf in Sachen charismatischer Bösewicht bislang nur einmal wirklich konsequent geglückt. Tom Hiddlestons Verkörperung des nordischen Lügengottes Loki lässt im Kino-Asgard jede noch gestählte Brust und jedes (für die geforderten Verhältnisse) noch so ambitionierte Schauspiel vor Neid erblassen. Das wird der maßgebliche Grund dafür sein, warum der durchtriebene Schurke auch eine immer größere Rolle in den Marvel Comics spielte.
In „Wählt Loki“ entschließt sich der Meister der Täuschung nun in ein ausgesprochen nahe liegendes Geschäftsfeld einzusteigen: Die Politik. Anders als die republikanischen und demokratischen Kandidaten für die Wahl des US-Präsidenten macht Herr Laufeyson gar keinen Hehl aus seinen unlauteren Absichten und pöbelt seine potentielle Wählerschaft frech über alle TV-Kanäle an. Ist das nicht viel ehrlicher? Macht das nicht viel mehr Spaß? Geht es ihm dabei nicht tatsächlich um den „Kleinen Mann“? Es gibt hübschere Politsatire-Comics als „Wählt Loki“, auch wenn der unruhige Underground-Strich des abgeschlossenen Sammelbandes eine wohltuende Grenze zum hübschen, aber auch bewusst anspruchsfreierem Inhaltsgros von Lokis Heldenkollegen zieht. Und unter diesen vielen, hervorragend recherchierten, scharfsinnig formulierten und bewegenden Graphic Novels gibt es auch viele Bücher, die deutlich kunst- und eindrucksvoller erzählt sind, als in Lokis augenzwinkernder Reality-Show.
Was „Wählt Loki“ als politisches Statement, als Demaskierung medialer Strukturen und unreflektiertem Konsum der Bürger auszeichnet, ist seine Zielgruppe. Wer einen hübsch gebundenen, pfiffigen Satireband mit einem sichtbar politischem Thema kauft, der hat in aller Regel bereits eine klare, kritische politische Tendenz. Ich möchte doch schließlich nicht die zeichnerische Hinrichtung eines Politikers kaufen, den ich eigentlich unterstützenswert finde, oder? „Wählt Loki“ erreicht den Mainstream, die Popkultur. Und damit sicher auch unpolitische oder vielleicht sogar undemokratische Menschen. Wenn solche Menschen durch eine unterhaltsame Analogie erklärt bekommen und begreifen, wie Populismus funktioniert, dann ist das genau so ein Impuls, wie ihn Kritiker vom festgefahrenen Mainstream-Comic stets fordern. Daher bleibt „Wählt Loki“ zu wünschen, dass auch der Feuilleton ihn entsprechend würdigt. Kommerziell nötig hat er es sicher nicht, künstlerisch verdient aber gerade deshalb sehr wohl.
Christopher Hastings, Langdon Foss: Wählt Loki. Panini, Stuttgart, 2017. Softcover, 100 Seiten, 12,95 Euro.