Das Erika-Fuchs-Haus – Ein Interview mit Museumsleiterin Dr. Alexandra Hentschel

Schon auf dem Weg zum Erika-Fuchs-Haus in Schwarzenbach entdecken die BesucherInnen mit etwas Aufmerksamkeit für die Umgebung am Ufer der Saale eine Statue von Emil Erpel und beinahe gleichzeitig kommt auch schon das Äußere des Museums in Sichtweite. Betritt man das Museum, so gelangt man in einen großen Aufenthaltsraum, dessen Blickfang ein großes Wandmosaik mit den beliebten Comic-Helden aus Entenhausen ist: Zu sehen sind Tick, Trick & Track, Dagobert, Daisy, Donald, Oma Duck sowie Franz & Gustav Gans. Michael Hüster führte ein Interview mit Museumsleiterin Dr. Alexandra Hentschel über Geschichte und Programmatik des Erika-Fuchs-Haus.

Michael Hüster: Beschreiben Sie doch bitte, was es im „Entenhausen“-Museum so alles zu entdecken gibt.
Dr. Alexandra Hentschel: Der Kern des Museums ist die Dauerausstellung in der ersten Etage. Diese besteht aus sechs Räumen. Es beginnt mit einer allgemeinen Einführung in die Comicgeschichte, in Form eines 8-minütigen Films, der extra für das Museum produziert wurde. Das ist vor allem wichtig für die große Mehrzahl der Besucher, die keine eingefleischten Comicfans sind und auch über keine Hintergrundkenntnisse verfügen.

Anschließend geht es in das Herzstück des Hauses, das nachgebaute Entenhausen. Hier haben Kinder natürlich viel Spaß mit dem Talerbad, dem Klettertunnel hinter Oma Ducks Scheune oder dem Schiff am Hafen. Ältere Besucher freuen sich, auf diese Weise Kindheitserinnerungen aufzufrischen. Menschen aus der Region finden den interaktiven Stadtplan interessant, bei dem man sieht, wie viel Erika Fuchs aus ihrer Umgebung übernommen hat. Interviewfilme mit Donaldisten geben Einblicke in ganz spezielle Themen wie das Münster von Entenhausen, das Rechtswesen oder die Geschlechterverhältnisse bei den Ducks.

Fenster in andere Comicwelten (u.a. Little Nemo, Prinz Eisenherz, Tim und Struppi, Mumins, Donjon, Maus) laden dazu ein, über den Tellerrand hinaus zu schauen. Der mittlere Raum stellt das Leben von Erika Fuchs dar, präsentiert in einem raumhohen biografischen Comic von Simon Schwartz. Diesen kann man übrigens in Druckform exklusiv nur im Shop des Museums erwerben (zwölf einzelne Blätter in einer Mappe).

Der größte Raum ist der Sprachkunst von Erika Fuchs gewidmet. Neben Originalen wie Notizbuch, Wörterbuch und Manuskriptseiten besteht der Raum vor allem aus interaktiven Stationen. Dort kann man verschiedene Elemente ausprobieren und nachvollziehen, was die Übersetzungen von Erika Fuchs so besonders machen, wie Lautmalereien, Alliterationen, Erikative, Wortschöpfungen, Zitate, Kulturtransfer. Die Ausstellung soll dazu anregen, sich selbst spielerisch mit Sprache auseinanderzusetzen.

Dass ihre Sprache heute noch funktioniert, beweisen einige der renommiertesten deutschsprachigen Comiczeichnerinnen und –zeichner in einer Hommage an Erika Fuchs. Sarah Burrini, Flix, Aisha Frantz, Reinhard Kleist, Ralf König, Ulli Lust, Nicolas Mahler und Martina Peters haben jeweils einen Satz von Erika Fuchs zum Ausgangspunkt für eine eigene kurze Geschichte in ihrem jeweiligen Zeichenstil gemacht. Die Originalzeichnungen kann man im Museum anschauen. Den Abschluss bilden eine Bibliothek, in der man alle Werke nachlesen kann, die in der Ausstellung thematisiert werden, und noch vieles mehr. Die Sammlung von Gerhard Severin – oder zumindest ein kleiner Ausschnitt daraus – ist in einer großen Vitrine noch vor dem Einstieg in den Film zu bewundern.

Wie und wann entstand die Idee zum Erika-Fuchs-Haus?
Die Idee zur Museumsgründung entstand 2006. Damals fand der Kongress der D.O.N.A.L.D. in Schwarzenbach a.d. Saale statt. Bei dieser Gelegenheit kamen der damalige Bürgermeister Alexander Eberl und der Sammler Gerhard Severin ins Gespräch. Severin hatte eine umfangreiche Sammlung von Donald-Figuren, Tassen, Buttons etc. und natürlich Comics zusammengetragen, die er – wie jeder Sammler – gern ausstellen wollte. Beide kamen überein, dass Schwarzenbach als der langjährige Wohnort von Erika Fuchs der geeignete Standort wäre. Und eine Würdigung ihrer Arbeit war ohnehin überfällig.

Nach einigen baulichen Verzögerungen öffnete das Museum am 1.8.2015 seine Türen. Was ist Ihnen in Erinnerung geblieben? Waren auch Mitglieder der Familie Fuchs anwesend?
Am 1.8.2015 ging es los mit einem Tag der offenen Tür. Das war sehr spannend: Wie viele Menschen würden kommen? 200, 300, vielleicht gar 500. Ich erinnere mich, dass eine Freundin eine SMS geschickt hat: „Ich wünsche Euch 1000 Besucher!“ Das war natürlich ein Scherz. Am Ende waren es dann unglaubliche 1600 Menschen. Zwischenzeitlich mussten wir den Aufgang zur Ausstellung sperren, damit es nicht zu voll wird. Es war ein wirkliches Volksfest bei strahlendem Wetter mit Bewirtung auf dem Vorplatz und fantastischer Stimmung.

Der 1.8. war wichtig als Eröffnungsdatum, weil an diesem Tag die bayerischen Sommerferien begannen. Allerdings wussten wir bis etwa 6 Wochen vorher nicht, ob wir den Termin schaffen würden. Als wir dann sicher waren, war es zu spät, noch einen großen Festakt zu planen. Den haben wir dann Anfang Oktober nachgeholt, mit allen Förderern, Planern, beteiligten Firmen, Unterstützern, Lokalpolitik, Museumsberatungsstellen, Kulturschaffenden in der Region, Verlagen, Künstlern und so weiter. Alles in allem so viele Gäste, dass wir die Feier über zwei Tage verteilen mussten. Bei der Gelegenheit waren auch mehrere Mitglieder der Familie Fuchs und alte Freunde der Familie anwesend. Und schließlich gibt es ja noch unseren Förderkreis, den Klub der M.I.L.L.I.A.R.D.Ä.R.E. Dessen 250 Mitglieder konnten wir unmöglich auch zum Festakt einladen, so dass es noch eine weitere Feier am 31. Oktober für den Freundeskreis gab. Eine bewegende Erinnerung ist für mich, an diesem Abend noch lange mit Jürgen Wollina zusammengesessen zu haben, dem Schöpfer des Stadtplans von Entenhausen, der drei Tage später ganz plötzlich verstarb.

Welche Sonderausstellungen waren seit der Eröffnung zu sehen? Wie sind die weiteren Planungen für 2018?
Als erste Sonderausstellung haben wir die Max-und-Moritz-Preisträger von 2014 gezeigt. Das fand ich einen passenden Einstieg, um den Besuchern, die ja in erster Linie wegen Entenhausen kommen, einen Eindruck zu vermitteln, was derzeit im deutschsprachigen Raum so passiert. Im Sommer 2016 haben wir 100 Jahre zurück geblickt und gezeigt, wie der erste Weltkrieg, insbesondere der Grabenkrieg an der Westfront, im Comic dargestellt wird. Also ein starker Bruch mit der heilen Welt von Entenhausen und wieder ein Einblick in ganz andere Zeichenstile, wie Sacco oder Tardi. Danach kam ein heiteres Thema, nämlich das überbordende Tierleben bei Carl Barks mit den kongenialen Namensgebungen von Erika Fuchs. Eine kleine Foyerausstellung widmete sich 500 Jahren bayerischem Reinheitsgebot und der Kulturgeschichte des Biers. Anfang 2017 zeigten wir mit Wilhelm Busch und Rodolphe Töpffer zwei Großväter des Comics. Seit Mai waren wieder die Max-und-Moritzpreisträger zu sehen, diesmal die von 2016. Diese Ausstellung wanderte im Herbst weiter in das Cöln Comic Haus. Hier gab es dann „Re-Animate Europe“, einen europaweiten Wettbewerb für Comiczeichner, die sich Gedanken über die Zukunft Europas machen. Die Gewinner wurden am 11. Juli im Belgischen Comiczentrum in Brüssel ausgezeichnet und anschließend tourte die Ausstellung durch Europa. Außerdem gibt es im Winter wieder eine Foyer-Ausstellung und zwar über die deutsch-israelische Schauspielerin Channa Maron. Das Goethe-Institut Tel Aviv hatte Barbara Yelin und David Polonsky beauftragt, ihr Leben zu zeichnen und stellt uns diese Ausstellung für zwei Monate zur Verfügung. Die Pläne für 2018 stehen auch fest, aber da die Verträge noch nicht unterschrieben sind, darf ich noch nichts sagen. Nur so viel: es werden wohl zwei Ausstellungen über unterschiedliche Enten sein.

Wie viel Besucher waren bisher im Erika Fuchs-Haus?
In den ersten zwei Jahren werden es etwa 35.000 Besucher gewesen sein. Dabei lassen sich mehrere Gruppen unterscheiden: Einmal natürlich die Bevölkerung im Ort und der Region. Zahlenmäßig ist das gar nicht die größte Gruppe, da wir ja im ländlichen Raum sind. Diese Besucher sind aber sehr wichtig, weil das diejenigen sind, die öfter kommen und auch Veranstaltungen und Sonderausstellungen wahrnehmen. Auch Schulklassen – von der Grundschule bis zum Abitur – kommen überwiegend aus der Region. Eine große Rolle zahlenmäßig spielen Besucher aus dem größeren Umland, die eine Anfahrt von bis zu anderthalb oder zwei Stunden in Kauf nehmen, um das Museum zu sehen, etwa aus Nürnberg, Leipzig, Dresden, Regensburg. Besucher von weiter her haben wir durchaus, aber die verbinden ihren Besuch dann meist mit einem Tages- oder Wochenendausflug. Zum Beispiel merken wir regelmäßig die Ferien in Berlin. Eine weitere große Gruppe sind Menschen, die im Fichtelgebirge Urlaub machen und dabei auch das Museum besuchen. Hardcore-Fans kommen natürlich von überall in das bislang einzige Comicmuseum Deutschlands. Das ist aber eher eine kleine Gruppe, mit der allein das Museum nicht laufen könnte.

Welche speziellen Angebote macht das Museum?
Für Gruppen bieten wir Führungen an, die jeweils auf das Alter, die Schulklasse oder die besonderen Interessen der Gruppe angepasst werden. Bei jungen Besuchern kombinieren wir das mit einer kreativen Bastel- oder Malaufgabe. Die Führungen geben wir auch auf Englisch und Französisch. Einmal im Monat bieten wir öffentliche Führungen zu wechselnden Themen an. Eine Kollegin entwickelt gerade eine Führung für blinde Menschen. Insgesamt ist die Ausstellung so konzipiert, dass man sie auch ohne Führung anschauen und ohne Vorkenntnisse verstehen kann.

Sicher möchten viele Besucher ein Andenken an den Museumsbesuch erwerben. Welches Angebot umfasst der Museums-Shop?
Der recht große Shop stellt für das Museum ein wichtiges finanzielles Standbein dar. Angeboten werden natürlich in erster Linie Comics. Disney-Titel machen erwartbar einen großen Teil aus, aber darüber hinaus decken wir einen großen Bereich von Klassikern über Graphic Novels, Kindercomics bis zu Superhelden und Funnies ab. Dazu kommen Merchandising-Produkte wie Figuren oder Tassen von beliebten Comiccharakteren. Ergänzend gibt es eine kleine Auswahl von Schreibwaren mit intelligenten Sprüchen und Merchandising der „Duckomenta“, das passt ja sehr gut zum Museum. Als eigene Produkte haben wir den biografischen Comic, Poster und Postkarten der Hommage, Cappies und Tassen mit Logo sowie die Taler aus dem Talerbad und kleine Schokotäfelchen.

Wie man der Homepage des Museums entnehmen kann, gibt es diverse Möglichkeiten, das Museum als Förderer zu unterstützen. So gibt es zum Beispiel den Klub der M.I.L.L.I.A.R.D.Ä.R.E. Beschreiben Sie doch bitte kurz die Konditionen. Kann man das Erika Fuchs-Haus auch auf andere Weise fördern?
Der Klub der M.I.L.L.I.A.R.D.Ä.R.E. ist der Förderkreis des Museums. Er wurde bereits mehrere Jahre vor der Eröffnung gegründet, um die Idee zu unterstützen. Die Mitgliedsbeiträge helfen zum Beispiel, Veranstaltungen zu finanzieren, Sammlungsstücke anzukaufen und Sonderausstellungen zu ermöglichen. Derzeit haben wir über 250 Mitglieder, die monatlich 3,13 Euro spenden – viele geben allerdings freiwillig mehr.

Eine weitere Möglichkeit, das Museum zu unterstützen, ist über die Patenschaft für ein Teil des Wandbildes im Eingangsbereich. Dort ist die gesamten Familie Duck fast in Lebensgröße als Acrylfries angebracht. Das Gesamtbild ist in etwa 200 Teile unterteilt, für die Patenschaften übernommen werden können. Auf unserer Homepage erkennt man, welche Teile noch frei sind und wer die Paten der vergebenen Teile sind – falls die Paten ihren Namen angegeben haben. Ein großer Teil hat sich für eine anonyme Patenschaft entschieden. Die Idee dahinter war, dass Menschen auf diese Weise symbolisch Teil der Enten- und Museumsfamilie werden können.

Vielen Dank für die interessanten Einblicke in das Erika Fuchs- und Entenhausen-Universum!

Erika-Fuchs-Haus
Museum für Comic und Sprachkunst
Bahnhofstraße 12
95126 Schwarzenbach a. d. Saale
Tel: +49 (0)9284/9498120
www.erika-fuchs.de

Öffnungszeiten: Dienstag– Sonntag von 10–18 Uhr