Hätte man eigentlich erwartet, dass derselbe Regisseur, der 1996 in „Mars Attacks!“ seinen damals von Hochkarätern überquellenden Cast bereits nach wenigen Minuten von dauergrinsenden Marsmännchen reihenweise dezimieren ließ, die deshalb die Erde heimsuchten, weil ihn die Erinnerung an die ähnlich gestalteten Comicfiguren auf den Kaugummibildern seiner Jugend noch als Erwachsenen verfolgte, hätte man also geglaubt, dass so ein herzensguter Sadist des Kinos und Liebhaber der noch so ranzigsten Popkultur-Erscheinungen seiner späteren Lesart von „Alice im Wunderland“ einzig quietschbunte Texturen und schauwertsfixierte Technikbegeisterung abringen würde?
So bedauerlich es mit anzusehen war, wie in Tim Burtons letzten Filmen das eigenwillige Zusammenspiel aus bedingungsloser Verbrüderung mit den gesellschaftlichen Outcasts, Neigung zum Horrorklassizismus als Geste der biografischen Verbeugung, Begeisterung für den nicht nur melancholischen sondern auch destruktiven Geist der Schwarzen Romantik und Archivierung der randständigsten Erscheinungen und Protagonist/inn/en des Phantastischen Kinos zur linkischen Formel erstarrte, auf dem Gebiet des Stop-Motion-Animationsfilms bleibt er ein Zepterträger.

© Walt Disney Pictures
Burton konserviert und restauriert nunmehr auch sein eigenes Werk, und dass er dieses abermals von Disney budgetierte Puppentrickfilm-Remake als 3D-Produktion in, wie schon den Vorgänger, schwarz-weiß präsentiert, darf man wohl als filmgeschichtliche Verbeugung (schließlich schwamm schon Jack Arnolds „Schrecken vom Amazonas“ 1954 in 3D-Optik durch die Lagune), im Hinblick auf kommerzielle Richtlinien mindestens aber auch als nachgeholte Selbstbehauptung verstehen. Am im Kern identisch gebliebenen Plot wurde natürlich etwas geschraubt, um ihn auf 80 Minuten zu dehnen.

© Walt Disney Pictures
Durch das Burtonville in „Frankenweenie“ lustwandelt man vom Universal- und Hammer-Horror zu Godzilla und zurück, ist aber schon deshalb eine Spur näher an den Vorbildern dran, weil beiden dieselben tricktechnischen Bedingungen zugrunde liegen. Zitat und Demut vor der Herkunft aus der gemeinsamen Schule reichen sich stets die Hände. Das besitzt, wie zu Burtons besten Zeiten, mal einen utopischen, mal einen gehässig-subversiven Anstrich: Vincent suspendiert nicht die Vernunft, die sich rächt, weil er, traurig über seinen Verlust, etwaige Grenzen der Naturwissenschaft überschreiten würde. Vincent reinstalliert das Kino ganz unnostalgisch als Traummaschine, indem er dem Tod ganz einfach und ohne böses Nachspiel ein Schnippchen schlägt. Sparky jedenfalls ist, abzüglich ein paar neuer Nähte auf dem Fell, fidel und gutmütig wie zu Lebzeiten, der reaktionäre Regelkanon des Genres mitsamt seinem Bestrafungskatalog ist Burtons Sache nicht. Da ist die New Holland-Gesellschaft, die das Fremde sogleich kontrollieren oder vernichten will, ein ganz anderes Kaliber. Wenn durch ihre Reihen eine (da will man dem hiesigen YPS-Relaunch glatt noch etwas abgewinnen) Gruppe wildgewordener Urzeitkrebse tobt, ist Burtons Versöhnung mit den Außenseitern endlich auch mal wieder Rache der popkulturellen Auslegeware.
Dieser Text erschien zuerst in: filmgazette.de
Frankenweenie
USA 2012 – 87 min.
Regie: Tim Burton – Drehbuch: Tim Burton, Leonard Ripps, John August – Produktion: Allison Abbate, Tim Burton – Kamera: Peter Sorg – Schnitt: Chris Lebenzon, Mark Solomon – Musik: Danny Elfman – Verleih: Disney – FSK: ab 12 Jahren – Besetzung: (Stimmen) Catherine O’Hara, Martin Short, Winona Ryder, Martin Landau, Charlie Tahan, Atticus Schaffer
Kinostart (D): 24.01.2013
Sven Jachmann ist Comic.de- und Splitter-Redakteur und Herausgeber des Filmmagazins filmgazette.de. Beiträge u. a. in KONKRET, Tagesspiegel, ND, Taz, TITANIC, Junge Welt, Jungle World, Das Viertel, Testcard sowie für zahlreiche Buch- und Comicpublikationen und DVD-Mediabooks.