Echse homo: Godzen-Dämmerung im Blackout-Blockbuster – „Godzilla“

© Warner Bros.

Dieser „Godzilla“ hat zweierlei in großem Stil und in mehrerem Sinn: Monster und Blackouts. Der Monster hat er viele. Auch wenn man nicht groß auf die Fan-Expertise in Sachen der vor genau sechzig Jahren gestarteten japanischen Riesenechsenfilmreihe zurückgreift (die zum Kinostart massiv in Umlauf gebracht wird) – in der medialen Erinnerung ist zumindest irgendwie präsent, dass es in diesen als kindisch geltenden fernöstlichen Produktionen oft mehrere Großgeschöpfe gab. Die befetzten sich zwischen Hochhausmodellen, und ihr Status gegenüber den Menschen war oft ambivalent: Tödlicher Feind? Heimlicher Freund? Destruktives Double? (Oder allzu verdiente Städtezertrümmerungsstrafe für böse Taten der alten, Augenklappe tragenden Kriegsherrengeneration wie in Inoshiro Hondas todernstem „Godzilla“ von 1954?)

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2014 ist „Godzilla“ demonstrativ monströs: Der Film lässt die turmhohe Titelfigur gegen ein Rieseninsektenpärchen beim kernkraftbasierten – also „schnellen“ – Brüten antreten; er erweist japanischen, kunstvoll-klobigen Monster-Looks und Locations bis hin zu einem zeitversetzten Quasi-Fukushima Reverenz, und er liefert einige schlicht umwerfende Actionpanoramen mit bröckelnden Bauten oder einer Eisenbahnbrücke im nächtlichen Nebel zu Orchesterscore samt Drones und Fanfaren.

Eine weitaus kürzere Monstertradition führt zu „Monsters“, zu dem 2010 noch bescheiden gestarteten Debüt des britischen „Godzilla“-Regisseurs Gareth Edwards. „Monsters“ kam im Modus eines Liebes-Roadmovie durch eine alien-infected-zone in Mexiko daher und bezog sich in Bild- und Tonmotiven immer wieder auf „Apocalypse Now“, quasi als neokolonialer Reisefilm und insofern dunkles Schattenbild zur Traditionen des Flucht- und Dschungelfilms. (Ein Bilder-Komplex, den „Godzilla“ immer wieder recht direkt ansteuert, sind die Knochenarchitektur-Designs des unlängst verstorbenen H.R. Giger in „Alien“.)

Vor allem aber warf Edwards‘ „Monsters“ – dessen Titel zu prägnant war, um nicht die Frage, wer gemeint ist, nahezulegen – einen skeptischen Blick gerade auf Grenzregimes und Notstandsverwaltungen, die beim „humanen“ Umgang mit unerwünschten – und, so zeigte sich, an sich harmlos verschmusten – Fremdexistenzen errichtet werden. Am Ende wurde das Liebesverhalten brünftiger Menschen und Monstren recht unverblümt analog gesetzt, als etwas, das jeweils von der bewaffneten Staatsmacht (und ihren Anti-Immigrationsmauern) brutal unterbunden wird.

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Edwards‘ Hollywood-Einstand enthält nun Reste dieser Staatssicherheits-Kritik; er verrät viel vom Gespür des Regisseurs im Umgang mit bizarren Ruinen (zumal im Dschungel gestrandetem Kriegsgerät); er zeigt Schwärzungen nach Art von Geheimdienstakten in den Credits (die dann im Paranoia-Investigationsplot mit Bryan Cranston wiederhallen), versetzt übrigens die Anfänge von Godzillas Wiederauftauchen zurück zu den US-Atombombentests im Pazifik nach 1945 – nachdem Roland Emmerichs Hollywood-Godzilla-Film von 1998 vom Vorspann an rezenten französischen Kernwaffentests die Schuld gegeben hatte (dafür setzt Edwards‘ Vorgeschichte nun just 1999, im Jahr 1 nach Emmerichs Echse, ein); und schließlich zeigt der neue „Godzilla“ viel US-Militär aller Waffengattungen im Großeinsatz. Mitunter kommt er da dem Echsenshooter-Gestus von Emmerichs Version (die vom Autor dieser Zeilen 1998 in der Wiener Zeitschrift Falter unter dem Titel „In Godzilla We Trust“ zu Recht verrissen wurde) zu nah. Dann wird, zumal seitens Ken Watanabe (in Japan ein Star), durch Sager mit ominösem Öko-Gleichgewichts-Pathos und Hiroshima-Vergleich eher unelegant gegengerudert.

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Blackout heißt der stilistische Ausweg aus dieser ideologischen Unentschiedenheit. Um dem Handlungsschema „Tatmenschen vs. Volksfeind“ zu entgehen, betont der in Japan, Honolulu, Nevada und San Francisco spielende Film seinen disaster movie-Aspekt: Tsunami, Super-GAU, Stromausfall (nicht in dieser Reihenfolge). Hinzu kommt die Art, wie Hauptfiguren jäh eliminiert und Szenen unerwartet per Schwarzblende abgebrochen oder durch die Optiken von Neben- bzw. ohnmächtigen Figuren aufgefächert werden: die Perspektiven kleiner Kinder hier, eines Schulbusfahrers dort, und immer wieder der in jedem Sinn gebrochene Blick des in ein vielstimmiges Ensemble eingebetteten Protagonisten. Der junge Mann betont, dass er sich mit Bomben nur deshalb auskennt, weil er für die US-Streitkräfte an deren Entsorgung und Entschärfung arbeitet. Gespielt wird er von Aaron Taylor-Johnson, dem hilfsbedürftigen Wannabe-Hero der „Kick-Ass“-Filme.

Zackig ist an dem immer wieder angenehm gemessen inszenierten Film letztlich nur der Rücken, den der Titelheld uns zukehrt (wie schon programmatisch auf dem Postersujet). Insgesamt präsentiert sich „Godzilla“ als der nicht allzu häufgige Fall eines Blockbusters, der nicht nur malerisch ist (wie etwa Peter Jacksons unterschätzter „King Kong“), sondern oft regelrecht traumwandlerische Noten hat: frontaler Monsterauftritt in lang gehaltener, grauer Totaleinstellung mit roten Lampions im Vordergrund, dazu ein Ton auf dem Klavier; Fallschirmsoldaten im freien Fall, dies nicht als Bungeejump oder sonstiger Sport inszeniert (wie es etwa noch in Guillermo de Toros vorjähriger Japan-Monster-Hommage „Pacific Rim“ geschah), sondern als ein Dämmern vor einem Inferno, mit subjektivem Eigen-Atemhören und heulendem Ligeti-Score aus Kubricks „2001“, bevor wir in ein Soundloch fallen. Vieles hier ist gewagt und gewaltig.

Dieser Text erschien zuerst in: filmgazette.de

Godzilla
USA / Japan 2014 – 123 min.

Regie: Gareth Edwards – Drehbuch: Max Borenstein, Dave Callaham, Frank Darabont, David S. Goyer – Produktion: Jon Jashni, Mary Parent, Brian Rogers, Thomas Tull, Yoshimitsu Banno, Alex Garcia, Kenji Okuhira, Patricia Whitcher – Kamera: Seamus McGarvey – Schnitt: Bob Ducsay – Musik: Alexandre Desplat – Verleih: Warner Bros. – FSK: ab 12 Jahren – Besetzung: Aaron Taylor-Johnson, Bryan Cranston, Elizabeth Olsen, Juliette Binoche, Ken Watanabe, David Strathairn, Sally Hawkins, Al Sapienza, Richard T. Jones, Brian Markinson, Victor Rasuk, Patrick Sabongui, Primo Allon, Jeric Ross, Warren Takeuchi, Anthony Konechny, CJ Adams, Kevin O’Grady, Corey Craig
Kinostart (D): 15.05.2014

Drehli Robnik, geb. 1967, Theoretiker in Sachen Film und Politik, Edutainer, Kritiker, Disk-Jockey. Doktorat Universität Amsterdam (2007). Universitäre Lehrtätigkeit in A, D, CZ, FL 1992-2015. Monografien zu Stauffenberg im Film, zu Jacques Rancière und zur Regierungs-Inszenierung im Kontrollhorrorkino. Herausgeber der Film-Schriften von Siegfried Mattl. In Arbeit: DemoKRACy: Siegfried Kracauers Politik[Film]Theorie. Im Frühjahr 2019 erscheint bei neofelis der von ihm herausgegebene Sammelband „Put the X in PolitiX: Machtkritik und Allianzdenken mit den X-Men-Filmen“.