Die Verachtung der Massen – Wie faschistisch sind eigentlich Superman, Batman & Co?

Bild aus "Man of Steel" (2013) (© Warner)

Unter Faschismusverdacht geraten die Helden der populären Kultur, vom rassistischen Cowboy bis zum Staatsterroristen James Bond, vom stählernen Superman zum patriotischen Captain America, mit schöner Regelmäßigkeit seit mehr als einem halben Jahrhundert. Zwischendurch versuchen sie sich mit Selbstironie, sozialem Bewusstsein oder einer Portion Melancholie davon zu befreien. Ganz gelingt das nie. Das reicht bis in die Zeit, als die Helden der populären Kultur eigentlich ihre Aufgabe darin fanden, Freiheit und Demokratie gegen den realen Nationalsozialismus aus Deutschland zu verteidigen, in der Zeit des Zweiten Weltkrieges.

Seite aus „Flash Gordon Band 1“ (Hannibal Verlag)

So klar es scheint, dass sich Gegenpropaganda immer auch an der Propaganda entzündet und vergiftet, so schwierig ist es doch nachzuvollziehen, dass auch in der Geschichte der populären Kultur der kapitalistischen Demokratie par excellence, der USA, immer wieder Bilder, Erzählungen und Begriffe auftauchen, die man im Nachhinein durchaus als „teilfaschistisch“ oder „faschistoid“ bezeichnen könnte. Tarzan, der Herr des Dschungels, war in seinen besten oder eben schlimmsten Zeiten ein postkolonialer Rassist übelster Sorte; der Weltraumheld Flash Gordon hätte nicht nur wegen seines blond-blauäugig-athletischen Äußeren die feuchten Träume vom arischen Übermenschen erfüllt; antisemitische Klischees spukten nicht nur durch die europäischen „Tintin“-Comics; die Heldengruppe der „Black Hawks“ wirkten in ihren Uniformen wie eine Pop-Parodie des SS-Männerbundes. Superman, der den Phantasien zweier jüdischer Teenager entstammte, deren europäische Angehörige in deutschen Konzentrationslagern umkamen, musste seinen kosmischen Migrationshintergrund durch Supertaten bearbeiten, die sich der faschistischen Männerphantasie, der Verschmelzung von Fleisch und Stahl, so naiv als möglich bedienten, während sich Batmans „Gotham City“, die Stadt der amerikanischen Gothik, in die Mischung aus mittelalterlicher Düsternis und technischer Überwältigung verwandelte, die auch die Nazis liebten. „Metropolis“, der Film von Fritz Lang und Thea von Harbou, spukte in vielen dieser Phantasien, und wie faschistisch der eigentlich war, mit seiner bizarren Verbrüderung von Geist und Hand, seinem Rothwang-Verschwörer und seinen Überflutungsphantasien, darüber ist sich die Filmgeschichte bis heute nicht einig.

In der großen Zeit der Jugendrevolte

In den sechziger und siebziger Jahren verabschiedeten sich die Heroen der populären Kultur weitgehend von solchen, mindestens, zwiespältigen Attributen, vom Pathos der heroischen Männerkörper, dem Traum der Elite-Krieger, den Meta-Architekturen à la „Festung der Einsamkeit“ oder „Batcave“, die immer zugleich Ruhmeshallen und „Trophäensammlungen“ waren. Comic-Helden wie Green Arrow oder auch Superman selbst entwickelten eher soziales Bewusstsein als Riefenstahlsche Macho-Posen, der Rock’n’Roll gab sich betont zivil, Uniformen kamen höchstens in der märchenhaft-ironischen Form der „Sergeant Pepper“-Beatles vor und sogar die Westerner verloren gründlich den Glauben an die Überlegenheit der „weißen Rasse“. Der Übergang ins „postheroische“ Zeitalter fiel diesen Helden allerdings nicht leicht. Manchmal drehten sie auch einfach durch oder verweigerten die heroische Arbeit und die faschistoide Zeichenproduktion für eine Portion Sex & Drugs & Rock’n’Roll.

Seite aus „Trigan Band 1“ (Panini)

Aber kaum war die große Zeit der Jugendrevolte vorbei, da meldete sich auch schon wieder die Sympathy for the (fascist) devil. Mick Jagger und David Bowie wollten sich unbedingt von Leni Riefenstahl fotografieren lassen, New Wave Gruppen wie die Deutsch Amerikanische Freundschaft kokettierten mit Nazi-Posen, Comic-Serien wie „Judge Dredd“ oder „Das Reich Trigan“ breiteten faschistische Allmachtsphantasien in hochsymbolischen Gewaltbildern aus. Und im Kino delektierte man sich an Nazi-Chic und Nazisploitation.

„Hitler geht immer“

Seit den achtziger Jahren spielt der konstruktive wie der dekonstruktive Nazi-Chic seine Rolle an den kulturellen Rändern; die slowenische Band Laibach, nur zum Beispiel, provozierte ihre Zuhörer jahrelang, indem sie Nazi-Symbole und -Gesten zugleich benutzten und demontierten, am Ende aber traten sie in Theaterstücken auf und steuerten den lahmen Soundtrack zu dem lahmen Nazitrash-Film „Iron Sky“ bei. Den Transport rechtsextremer Phantasiewerte in den Mainstream besorgen mittlerweile Bands wie Rammstein in Deutschland, die in ihren Videoclips Riefenstahl-Filme verwenden oder Frei.Wild in Italien, die von Fahnen und Kampf und Opfern singen. Madonna spielte ebenso mit der Nazi-Ästhetik wie Lady Gaga, die freilich im dekonstruktiven Furor weiterging, indem sie die in dieser Inszenierung verborgene Sexualität wieder in den Vordergrund rückt. Da wird sie zu den Klängen des eher schlagerhaften Songs „Alejandro“ von Riefenstahlschen Männerkörpern eher militärisch umtanzt, weshalb sie auch ihr Stacheldrahtherz verlieren und Nonne werden muss. Die faschistische Reminiszenz taucht in Pop-Installationen gleichsam willkürlich auf, als ein Element der Aufmerksamkeitsstrategien unter anderen. Im besten Fall bedeutet es einfach – nichts. Im schlimmsten ist es das Ausloten der Grenze zwischen dem Gerade-noch-Erlaubten und dem „echten“ Nazi-Pop aus dem braunen Untergrund. Das ist so zynisch wie man in Deutschland Magazine und Bücher nach dem Motto verkauft: „Hitler geht immer“. Der Faschismus und seine Ästhetik haben sich einerseits in einen Oberflächenreiz verwandelt, und andererseits haben sich neofaschistische Subkulturen ganz gezielt der Popkultur-Codes bemächtigt, benutzen Comics, Musik und (YouTube-)Filme oder „unterwandern“ Szenen, wie sie sich aus Musik, Mode und Körperbildern immer wieder so schnell bilden wie sie auch wieder zerfallen.

Die Frage ist immer, ob das frivole Spiel mit „faschistischer Ästhetik“ im Pop-Mainstream und die real existierende faschistische Subkultur etwas miteinander zu tun haben. Bedienen, verstärken, zitieren sie einander? Oder lässt, umgekehrt, das Oberflächenspiel mit Nazi-Reminiszenzen, die Luft aus den schweren Zeichen der faschistischen Inszenierung? Und wie bewusst werden eigentlich diese Fascho-Reminiszenzen im Pop-Kosmos eingesetzt?

Bild aus „Watchmen“ (Panini)


Nach ihrer reinen Pop-Phase (in der Comics und ihre Verfilmungen ein Spiel mit Zeichen und Effekten wurden, wie die Kunst umgekehrt die Comic-Effekte zu zitieren lernte) und nach ihrer „sozialen“ Phase (in der sich Green Arrow und Spider-Man um Mietpreise und die hygienischen Verhältnisse im Ghetto kümmerten) gerieten die Superhelden in die bislang größte Krise: Was tun mit Helden wenn die postheroische Epoche angebrochen ist? Superman musste sterben, das war die Pathos-Lösung. Spider-Man litt unter Schnupfen und Liebeskummer. Die Watchmen dagegen, ein durchaus provokantes Projekt der Superhelden-Dekonstruktion, machten sich nichts daraus, im Stadium ihrer Entmachtung den sublimen faschistischen Untergrund ihres Wesens auszudrücken (und da ist es nur logisch, dass einer auf eine Band namens „Krystallnacht“ steht und einer Millionen Menschen umbringen will, damit der Weltfriede eintreten kann).

Comic-Helden auf der Leinwand

Aber in der nächsten Phase, nämlich in unserer Gegenwart, sind Comic-Helden auf der Leinwand eine der Erfolgsformeln für das globale Blockbusterkino geworden. Dabei verloren sie ihren leichtfüßigen Popcharakter, ihren Hang zu Spiel und Unernst, ihre Lust an Zeichen, an Camp, an Selbstironie. Augenblicklich sieht’s im Kino so aus, als müssten die Superhelden die Wende zum Postheroismus revidieren, die Welt retten und auf jede Krise eine Antwort geben. Auf 9/11, auf die Finanzkrise, auf Guantanamo. Und in dieser Renaissance der Superhelden taucht die Frage nach ihrem faschistischen Anteil wieder auf, dringlicher und aktueller denn je, wo doch „faschistische Ästhetik“, das Zitieren von Riefenstahl, von Breker und von Speer in den Körper-, den Massen-, den Architekturbildern, in jedem zweiten Computerspiel, in einer Mehrzahl von Fantasy-Parallelwelten, in jedem dritten Videoclip und in etlichen Fernsehserien auftaucht.

Auch die Science Fiction wandelte sich in dieser Zeit. Von der technischen Dystopie wie in Stanley Kubricks „2001“ entwickelte sich der „Science Fiction noir“, in dem es nicht nur derbe Alien-Phantasmen gab, sondern auch Zukunftsgesellschaften, die verdächtig nach faschistischen Architekturen und Inszenierungen aussehen. Und war nicht die große Schluss-Apotheose von George Lucas’ „Weltraummärchen“ „Star Wars“ eine Pop-Rekonstruktion der Reichsparteitags-Ästhetik, komplett mit mächtig wagnernder Musik und Albert Speerscher Beeindruckungsarchitektur? Die Zukunftsgesellschaften in Filmen von „Blade Runner“ bis „Day of the Dead“ scheinen dem Modell von „Metropolis“ zu entsprechen; die Eliten, das (chaotische und dumme) Volk und dazwischen der „neue Mensch“, der genetisch aufgepimpte, halbkünstliche Superkrieger. Die Schlachtenszenen aus „Herr der Ringe“ und die allseits gepflegte und ausgesprochen unreflektierte Bewunderung für die mittlerweile digital so einfach zu errichtenden Kulissen-Architekturen, die so aussehen, als wären sie weder für das Leben der Menschen noch für den Prozess demokratischer Öffentlichkeiten, sondern ausschließlich als „erhabene“ Repräsentationen der Macht gedacht, das bedenkenlose Hinmetzeln von (ebenfalls digital erzeugten) Menschenmassen oder gleich „bugs“ wie in „Starship Troopers“ – all das scheint zu belegen: Im postheroischen Zeitalter (in dem die Drohnen das Mörderhandwerk übernehmen sollen und Soldaten aussehen wie Klonkrieger) ist das Heroische in die Popcorn-Universen der Cineplexe abgewandert, und deren todessehnsüchtiges Pathos nimmt so viel Anleihen bei der faschistischen Heldenpose, wie sich die Inszenierung der Popmusik an der unterschwelligen Erotik von Körper, Masse und Architektur bedient. Und Superhelden scheinen ohnehin einen Hang dazu haben, an der Schnittstelle zwischen Halbgott und Übermensch die faschistische Vorstellung zumindest zu streifen.

Was heißt schon „faschistische Ästhetik“?

In den durchaus hitzigen Debatten unter den Fans und in den Internet-Foren wird der Begriff des Faschismus, den die einen ins Feld führen (insbesondere in Bezug auf Christopher Nolans Neuinterpretation von „Batman“, aber auch in Bezug auf den Weltenkrieg im neuen Superman, „Man of Steel“), und gegen den die anderen sich verwahren, eher unscharf, gefühlsmäßig benutzt, mehr in Bezug auf die Motivation und Handlungsweise der Helden (gewalttätig, selbstgerecht, nationalistisch; todessehnsüchtig, opferbereit, performativ). Und noch unschärfer sind die Bezüge zu einer „faschistischen Ästhetik“.

Bild aus „Olympia. Fest der Völker“ (Arthaus)

Und in der Tat: Was heißt schon „faschistische Ästhetik“? Was einem dazu einfällt sind die Filme von Leni Riefenstahl, die Olympia- und die Reichsparteitagsphantasien zumal, die Skulpturen von Arno Breker, die Bauten von Albert Speer und der Militärkitsch der Massenproduktion, der die Wohnzimmer mit Porzellanfiguren, drallem arischen Landvolk und Führerbildern füllte, Porzellanfiguren von HJ-Jungen und Schäferhunden, Uniformgeilheit und Hakenkreuze in allen Variationen. Aber all das kommt ja schon seinerseits aus zweiter Hand; mehr als um eine kanonisierbare faschistische Ästhetik könnte man daher von einer faschistischen Form der Inbetriebnahme des Ästhetischen sprechen, mit etlichen höchst tückischen Tricks: Die Übertragung des Religiösen ins Politische, der Gigantismus, die Erzeugung von Bewegungsräuschen, die Heroisierung des Volkstümlichen, sogar eine Monumentalisierung des Pornographischen, die Zusammenfügung aller erdenklichen Pathosformeln und vieles mehr. Viele der Tricks der ästhetischen Inbetriebnahme durch den Faschismus sind den Tricks von Popkultur und Werbung sehr ähnlich, und daher ist es kein Wunder, dass die Popkultur in Hitler den Popstar, in der faschistischen Ornamentalisierung der Masse den Eventcharakter, in der faschistischen Herrschaftsarchitektur die Bühnenarchitektur für starke Auftritte, im Wuchern der allgegenwärtigen Embleme des Faschismus ein gelungenes Branding sehen. So besehen wäre es ein Wunder, oder wenigstens eine kollektive moralische Anstrengung, wenn sich die populäre Kultur und die „faschistische Ästhetik“ nicht überschneiden würden. Immer mal wieder.

Man of Steel – „Nolanisierung“ des Superhelden

Aber sowohl die „Batman“-Trilogie von Christopher Nolan als auch Zack Snyders „Man of Steel“ (bei dem Nolan wiederum als Produzent wirkte: man spricht bereits sarkastisch von der „Nolanisierung“ der Superhelden) gehen wohl über das Maß einer „natürlichen“ Verwandtschaft der ästhetischen Strategien der faschistischen Ästhetik und der popkulturellen Erzeugung von Heroismus und Pathos hinaus. Sogleich ins Auge fällt die direkte Übernahme religiöser Ikonographien in den Kontext der politischen Heldenbildung: Batmans Höllentrip und seine Wiederauferstehung, Supermans Geburt aus der Katastrophe seines himmlischen Heimatplaneten Krypton (das Geheimnis) und seine Weltraum-Reise in der Christus-Pose. Die Superhelden streifen das Messianische nicht mehr ab, und sie akzeptieren schließlich, wenn auch unter Zögern, eine „Führer“-Rolle. In ihren Gegnern, wie Bane, der einen „antikapitalistischen“ Volksaufstand anzettelt, das Chaos anrichtet, in dem er sich als einzige Lösung anbietet, bei Batman, und wie dem schwarzgekleideten General Zord in „Man of Steel“, der bereit ist „alles für seine Rasse“ zu tun, einschließlich der Ausrottung der anderen „Rasse“, der Menschen nämlich, finden beide Superhelden ihr Echo: Bösewichte, die ihren Faschismus ganz explizit machen, und so direkt oder assoziativ Hitler oder Mussolini zitieren, dass auch der historisch weniger gebildete Zuschauer gleich Bescheid weiß.

Bild aus „The Dark Knight“ (Warner)

Diese Superfaschisten zwingen den Helden ein Verhalten auf, das wir aus ihren früheren Phasen nicht kennen. In einer Schlüsselszene in „Man of Steel“ bricht Superman am Beginn seiner Initiation eben das, was ihn immer radikal von allem Faschismus trennte: sein Tötungstabu. Der neue Superman müsste wohl den Spruch „Meine Ehre heißt Treue“ glatt unterschreiben; seine Entscheidung für die neue Heimat Erde (Superman, der Super-Immigrant) schließt nicht nur das Sterben und das Töten ein, sondern führt auch von einer Verteidigung zur Vernichtung des Feindes als Ganzes. Zack Snyder hat schon bei seiner Verfilmung von „Watchmen“ die zynisch-kritische Intentionen der Comic-Vorlage beinahe ins Gegenteil verkehrt: Der gute Zweck heiligt die („faschistischen“) Mittel, und wie in seiner Spartaner-Phantasie „300“ zeigt sich der Regisseur auch in seiner Superman-Variante vom heroischen Übermenschen und seiner vollkommen ironiefreien Sendung und vom Last-Stand-Mythos fasziniert. Es ist eine sehr spezielle Art von Männlichkeit, die da konstruiert wird (folgerichtig funktioniert in diesem Superman alles mögliche, nur die angedeutete Liebesgeschichte nicht). Sein Superman empfindet im übrigen kaum „Freude am Fliegen“, weder einen Hochzeitsflug gibt es da, wie in der vergangenen Superman-Filmserie mit dem charmanteren Christopher Reeves, noch einen Peter-Pan-haften Übermut der freien Bewegung. Stattdessen sehen wir schon auf dem Plakat die Verwandlung des Körpers in ein Projektil, unter Erzeugung eines Speerschen Lichtdoms. Aber auch Batman bricht ein Tabu, wenn er sich implizit für das Mittel der Folter und des Terrors entscheidet. Es geht schließlich immer darum, das Volk und die Familie zu verteidigen.

Eine funktionierende „Zivilgesellschaft“ scheint es in beiden Superhelden-Mythen nicht mehr zu geben. Und wie in den derzeitig populären Katastrophenfilmen, in denen gerade einmal wieder das Weiße Haus angegriffen wird, geben Politiker nur dann eine halbwegs gute Figur ab, wenn sie sich einer rein militärischen Logik unterwerfen. In „Man of Steel“ spuken, nebenbei bemerkt, nicht allein Werbefilme für eine gewisse Kamera-Marke, sondern auch für das Militär: Was die Superhelden in den beiden Jahrzehnten vorher gerade vermeiden wollten, das strebt dieser Superman offenbar an: eine lebende Wunderwaffe zu werden. So nimmt es nicht mehr wunder, dass sich sein Dress vom bunten „Kostüm“ zum kernigen Panzer entwickelt hat. (Der Film widerspricht damit übrigens vehement einer Linie in den Comics, in denen Superman auf seinen Zeichen-Dress verzichtet und in Jeans und T-Shirt agiert: einer von uns.)

Vom faschistischen Helden hat man gesagt, er setze sich aus drei Elementen zusammen: dem Hang zum Irrationalismus, dem Kult von Gesundheit und Kraft, und der Ableitung aus dem Recht des Stärkeren. Diese drei Elemente leben die nolanisierten Kino-Helden bis zum Exzess aus, auch wenn sie sie immer als Reaktion auf eine gewaltige Herausforderung entwickeln. Krypton, Supermans erste Heimat, ist offensichtlich eine halbfaschistische Gesellschaft, die ihn wie seinen Gegner prägt; Batman erlebt seine Initiation in einem mönchischen Meister/Schüler-Verhältnis, immer geht es um Auserwählung und Prädestination, der Held wird nicht der Einzelne, sondern der Einzige; immer sind prägend auch die pathetischen Räume, immer geht es um übermächtige Vater-Bilder. Helden-Pathos und faschistische Ästhetik als Bühne treffen sich zwar zunehmend in Zukunftswelten wie der der japanischen „Casshern“-Filme und -Comics; wir sind daran in einer zeichenhaften Stilisierung schon gewöhnt. Doch während man eine Stufe weiter unten in der populären Kultur kein Blatt vor die Bilder nimmt, wird das Zitat von faschistischem Heldenbild und faschistischem Architekturtraum in den Blockbustern ambivalenter angedeutet. Es geht schließlich um „Faszination“, nicht unbedingt um Affirmation. Doch die Bild-Elemente finden sich auch zu einem „Text“: Indem in „Man of Steel“ die Bewohner der Phantomzone mit Raumschiffen angreifen, die wie riesige, fette Käfer oder „Schmeißfliegen“ wirken, bedienen sie eine wohlbekannte Insekten-Metapher. Aber in beiden Filmserien spiegeln sich auch die realen Katastrophen, der Hurricane Kathrina und das Attentat auf die Twin Towers, die Imobilienpleite und der Bankencrash. Die fiktiven und symbolischen Bedrohungen sind offensichtlich bewusst mit den realen verknüpft. Diese Superhelden suchen den Zutritt zur wirklichen Welt jenseits der Leinwand. Schon deshalb müssen sie genauer angesehen werden, auch was ihre politisch-mythologische Tiefenstruktur anbelangt.

Riefenstahlisierung, Brekerisierung, Speerisierung des Popcorn-Universums

Muss man sich also fürchten vor den Elementen der „faschistischen Ästhetik“ im Körper- und Heldenbild, in der Architektur als Pathos-Maschine, im Kult der phallischen Waffe und dem Clash of the civilizations, die nur durch das Recht des Stärkeren gelöst werden kann, der Militarisierung der Körper und der Gesellschaften, vor der Riefenstahlisierung, Brekerisierung, Speerisierung des Popcorn-Universums?

Bild aus „The Dark Knight Rises“ (Warner)

In der Regel funktioniert das Zitieren der faschistischen Ästhetik in der Pop-Kultur in einem frivolen Enttextualisieren und Parodieren. War es, wie die Kritische Theorie nicht müde wurde zu betonen, das Ziel des Faschismus die Politik zu ästhetisieren, so entpolitisiert Pop diese Ästhetik wiederum; es bleibt nur die sexuelle Komponente (wie in den Fotos von Helmut Newton, denen man immer wieder das Faschistische nachsagte), das Pathos, die Dramaturgie der Einschüchterung (das Dröhnen und Brüllen, das Call & Response, die Lust am Befehl), die Ausrichtung der Massen auf den Star bzw. den Führer, die Maschinisierung des Menschen und Vermenschlichung des Maschinellen, alles Dinge, die es auch in anderem Zusammenhang gibt.

Aber die leere faschistische Ästhetik, das Faschismus-Bild ohne Inhalt (nicht umsonst liebt die populäre Kultur derzeit die Wiederkehr des Faschismus in Form von Klonen, Zombies oder Maschinen) könnte auch wirken wie eine leere Hülle, die nach ihrem Kern sucht. Während faschistische Zeichen und Architekturen in Filmen, Comics und Computerspielen immer ungenierter verwendet werden, stellen sich an anderen Stellen der populären Kultur wiederum ganz andere Teil-Aspekte des Faschismus dar, denken wir an den bösartigen Rassismus in den Fußballstadien, an die idiotischen „Kunst“-Inszenierungen eines Jonathan Meese, der es für eine gute Idee hält, die „Diktatur der Kunst“ mit dem Hitlergruß zu unterstreichen, die Rhetorik der Rechtspopulisten. Die Frage besteht darin, ob sich die verschiedenen so oder so „faschistoiden“ Partikel zusammenfinden, oder ob sie einander womöglich gar nicht verstehen. In der Pop-Kultur selber jedenfalls mag nicht nur das Fandom darüber diskutieren, wie in den Superhelden-Phantasien das ästhetische Zitat faschistischer Faszinationen selber schon wieder kontextualisiert wird.

Während beim „Man of Steel“ das Problem eher an der Oberfläche der Zeichen und des Plots ist, ist es bei den Batman-Filmen im Allgemeinen und bei „The Dark Knight Rises“ im Besonderen tiefer in der Charakterentwicklung. Die amerikanischen Kritiker erkannten in dem Film „ein großes (und faschistisches) Spektakel“, wie Andrew O’Hehir auf seiner Webpage salon.com. Es geht um eine kulturpessimistische Geste gegen die Masse, gegen das Volk und gegen die Demokratie; nur der todessehnsüchtige, elitäre, verachtende und soldatisch geformte Mann oder Supermann kann sich der Gefahr stellen, die aus dem chaotischen, ungeformten, organischen stammt: aus dem Volk. Und diese Beziehung spielt sich nicht nur auf der Ebene der Kämpfe ab, sondern auch auf der der Zeichen und Architekturen. Was für Superman die „Festung der Einsamkeit“ im ewigen Eis werden wird, das ist für Batman die Höhle unter seinem „Manor“, ein Raum eben nicht nur voller Gadgets, sondern auch voller Fetische; die „phallischen Kulte“ werden diesen Helden nicht nur beinharte Psychoanalytiker nachweisen. Batman verlässt sein Fetisch-Grab, um gegen einen Volksaufstand anzutreten, so wie er im Film zuvor gegen einen anarchistischen Revolutionär, den Joker, antreten musste, der es auf das Währungssystem abgesehen hatte. Ist er links, ist er rechts? Ist er heroisch oder tragisch als Held? Das tut nicht viel zur Sache. Die Hauptsache ist, dass er seinen Mantel breitet zwischen den Angreifern und dem chaotisch-dummen Volk und der unfähigen Politik. Was immer Superman und Batman verteidigen, die Demokratie ist es nicht.

Und doch bieten diese beiden Konstruktionen eines postfaschistischen Helden, einmal in einer hellen Weise, einmal in einer dunklen, immer auch zugleich ihre eigenen Revisionen an, vorzugsweise durch Frauen mit einem anderen Lebenskonzept. Auch hier verkörpert Superman die Tag-, und Batman die Nachtseite sowohl des Traums als auch des Albtraums. Zur Konstruktion jedes Pop-Mythos vom partialfaschistischen Superhelden in einer partialfaschistischen Zeichenwelt gehört es nämlich, dass er irgendwann seinen größten Feind erkennt: sich selbst. Und dass der in ihm selber und in der Welt steckende Faschismus nur durch eines, das Schwerste, ganz märchenhaft, ganz direkt, überwunden werden könnte. Durch die Liebe.

Dieser Beitrag erschien gekürzt am 24.03.2013 in Der Tagesanzeiger, vorliegende Langfassung erschien zuvor auf getidan.de.

Georg Seeßlen, geboren 1948, Publizist. Texte über Film, Kultur und Politik für Die Zeit, Der Freitag, Der Spiegel, taz, konkret, Jungle World, epd Film u.v.a. Zahlreiche Bücher zum Film und zur populären Kultur, u. a.: Martin Scorsese; Quentin Tarantino gegen die Nazis. Alles über INGLOURIOUS BASTERDS; Blödmaschinen. Die Fabrikation der Stupidität (zusammen mit Markus Metz); Tintin, und wie er die Welt sah. Fast alles über Tim, Struppi, Mühlenhof & den Rest des Universums; Sex-Fantasien in der Hightech-Welt (3 Bände) und Das zweite Leben des ›Dritten Reichs‹. (Post)nazismus und populäre Kultur (3 Bände). Kürzlich erschien im Bertz+Fischer Verlag Liebe und Sex im 21. Jahrhundert. Streifzüge durch die populäre Kultur.