1889 im viktorianischen London: In der inzwischen gut frequentierten Wohnung von Malcolm Max taucht eine unerwartete Besucherin auf. Der Name der jungen Dame ist Solace und nach eigenen Angaben und zum Erstaunen v. a. von Malcolms „Kollegin“ Charisma Myskina soll sie seit zwei Jahren die Ehefrau von Herrn Max sein. Der weiß jedoch noch nichts von seinem Glück, er wird als Spezialist für Übersinnliches gerade von Inspector Blunt von Scotland Yard zu einem delikaten Fall gerufen. Denn dessen Nichte Lydia wurde nackt aufgefunden und wiederholt seitdem völlig geistesabwesend immer wieder denselben lateinischen Satz („Durch Blut und Tod“). Ratlos lassen die beiden das Mädchen zurück, denn ein neuer Tatort erwartet sie: In den Docks gab es ein Gemetzel mit etlichen auf Übelste zugerichteten Toten. Der Täter, so erfahren Max und Blunt bald am eigenen Leib und in höchster Not, kann kein Mensch gewesen sein…
Nach der Krise um und mit den Maschinenmenschen, die im letzten Band ihren fulminanten Höhepunkt und Abschluss erfuhr, startet jetzt der neue, zweite Zyklus der Serie. Und Autor Peter Mennigen eröffnet gleich und in flottem Tempo verschiedene Story-Baustellen, deren Zusammenhänge untereinander naturgemäß noch unklar sind. Da ist zum ersten die Dame, die angeblich Malcolm Max‘ Angetraute sein soll. Dass mit ihr irgendetwas faul ist, wird bald klar. Dann die Morde und ein hochgefährlicher Tatort in der Kanalisation, dem Max und der Inspector nur knapp entkommen können. Und was Lydia widerfuhr, wissen wir noch nicht, es wird aber kein Einzelfall bleiben, so viel steht fest. Zu dem Geschehen gesellt sich noch ein geflügelter Rächer, der ganz in Schwarz über den Dächern Londons kreist und einen (eher unglücklich agierenden) viktorianischen Superhelden gibt. Außerdem begegnen wir noch der resoluten „Schwesternschaft der Nacht“, deren Ziele ebenfalls unklar sind.Es wird also nie langweilig auf den Seiten und Panels, die immer reichlich mit Text versehen sind, denn die Charaktere tauschen sich gerne wortreich und gewählt aus – mittlerweile ein Markenzeichen der Serie. Die Mischung aus süffisanten, leicht ironischen Dialogen gepaart mit britischem Understatement liest sich gerne mit einem Augenzwinkern. Dazu gesellt sich ein inzwischen beachtliches Figuren-Ensemble, das auch die Einflüsse und Anleihen der Story widerspiegelt. Neben den Hauptfiguren, dem paranormalen Ermittler Malcolm Max aus der Geheimloge „Custodes Lucis“ und der Halbvampirin Charisma Myskina, die beide miteinander wollen, aber irgendwie nicht können, sind das die Reporterin Fiona Pankhurst, die in Band 3 wie weiland Maria in „Metropolis“ zur Maschinen-Dame verwandelt wurde. Oder die beiden aufgeweckten Mädchen Emmeline und Miranda, die ihre Kombinationsgabe einem Detektiv verdanken, der in der Baker Street 221 B wohnt…
Auf Seiten der Polizei wirkt Inspektor Blunt als typisch pflichtbewusster, aber leicht engstirniger Vertreter des Gesetzes, gemeinsam mit seinem jungen Assistenten Jimmy, der wohl mehr auf dem Kasten hat, als es scheint. Blunt hat inzwischen Max als hilfreiche Quelle in Sachen Übernatürliches akzeptiert, nachdem im ersten Zyklus Malcolm für ihn als Hauptverdächtiger galt. Für den historischen Zeitbezug (nach der wunderbaren Königin-Victoria-Episode in Band 3) sorgt u. a. die Suffragetten-Bewegung (Stichwort Frauenwahlrecht). Aber was wäre eine gute Story ohne die passenden Zeichnungen? Die stammen etatmäßig vom Frankfurter Ingo Römling, der als zweites (und sicher auch lukratives) Standbein Star-Wars-Comics zeichnet. Seine feinen, farblich dezent und doch perfekt abgestimmten Bilder und die leicht funny-mäßigen Charaktere haben die inzwischen auch international erscheinende Serie längst geprägt und sind stets wunderbar anzuschauen. Diverse Erläuterungen und Skizzen (u. a. von Gastzeichnern) beschließen den gelungenen Auftakt der neuen Story.
Dieser Text erschien zuerst auf: Comicleser.de
Bernd Weigand ist schon über vier Jahrzehnte in Sachen Comics unterwegs: lesen, sammeln, übersetzen. Schreibt auch seit 20 Jahren über Comics, seit 2010 auf comicleser.de.