Bei Fantasyfilmhelden gehört es zum guten Ton, dass sie am Handlungsende – entwicklungsromanhaft, fortsetzungshoffnungsgerecht und vorzugsweise per Off-Kommentar – bekräftigen, dass sie nun wissen, wer sie sind und wie sie heißen. Das tut auch dieser. Er heißt eben nicht Virginia – daraus, dass die örtlichen Aliens, also eigentlich indigene „Indianer“, im holprigen interkulturellen Dialog seinen Herkunftsort für seinen Namen halten, resultiert hier ein Running Gag –, sondern John Carter. Und aber auch nicht John Carter von der Erde, sondern, wie er sagt, John Carter vom Mars. Also wie der Film, dessen Held er ist. Der heißt allerdings „John Carter – Zwischen zwei Welten“ und situiert ihn zwischen ebendiesen, außerdem zwischen drei Populationen (wovon eine ein Stamm von vierarmigen Humanoiden ist), zwei Planeten (einer davon die Erde), zwei bis drei Erzählebenen, diversen dynastischen und intergalaktischen Machtstrategieverwicklungen und 150 (gefühlten 160) Eigennamen, vom Reich Zodanga bis zum Volk der Therns.

© Walt Disney Studios Motion Pictures Germany GmbH
An letzteren Film muss man nicht nur dann unwillkürlich denken, wenn John Carter, nach schaukampfförmiger Metzelung zweier weißpelziger Riesenaffen ganz in deren Blut gebadet und insofern blauhäutig, die Hand zum Salut ans Haupt hebt: Das ist wie eine Grußadresse an einen Blockbuster, dem gegenüber sich „John Carter“ als die spleenigere Variante erweist. Was in James Camerons Inszenierungen von Initiationsriten und Stammesgemeinschaften oft ins unangenehm Völkische und Vitalistisch-Heilsame ausgreift (und was hier, schon von der Vorlage her, kolonialistisch bis „Edle Wilde“-faschistoid geraten könnte), das wird in „John Carter“ konterkariert und gegengewichtet: Dies geschieht zum Einen durch die unmäßig – und an der Grenze zum Strapaziösen – sprudelnde Lust am Akkumulieren von Erzählmaterial (eben: noch ein Name hier, eine Machination dort, ein Kreatürchen obendrauf, eine Deadline zwischendurch, das Ganze gerahmt in einer Jahrzehnte später auf der Erde angesiedelten Rückblendenrahmenhandlung, die zunächst in ein Sezessionskriegswesternuniversum führt, daher der Name Virginia und der militärische Gruß … Are you still with me?); zum Anderen durch eine Erzählform, die im Kleinen ihrer Jumpcuts und lustig-episodischen Montagen wie auch im Großen ihrer abrupten Schauplatz- und Handlungsstrangwechsel auf kunstvolle Zeitsprünge und Implizitsetzungen baut. Wie gesagt: Die Sache wird dadurch nicht leichter zu verfolgen und der Film noch formloser, aber es fügt Konturen und Reize hinzu.

© Walt Disney Studios Motion Pictures Germany GmbH
Der im Original einfach „John Carter“ (ohne Zwischen-Zusatz) betitelte Film frönt der Magie (und Unzahl) ominöser, mehrfach geschichteter Namen und ist somit in der Hauptrolle fast programmatisch besetzt: Neben einem als Vierhänder unkenntlichen Willem Dafoe sowie Lynn Collins, Ciarán Hinds, Samantha Morton und Dominic West, macht passable Figur ein kanadischer Neo-Star mit dem prägnanten Namen Taylor Kitsch. Nicht nur sein Gesicht erinnert an den jungen Johnny Depp. Ja, diese Namen: Für uns klingen die so seltsam wie „John Carter aus Virginia“ für einen Mars-Indianer. Taylor… Johnny…: Wer heißt schon so?
Diese Kritik erschien zuerst in: filmgazette.de
John Carter – Zwischen zwei Welten
(John Carter)
USA 2012 – 132 min.
Regie: Andrew Stanton – Drehbuch: Andrew Stanton, Mark Andrews, Michael Chabon – Produktion: Lindsey Collins, Jim Morris, Bob Roath, Colin Wilson – Kamera: Daniel Mindel – Schnitt: Eric Zumbrunnen – Musik: Michael Giacchino – Verleih: Disney – Besetzung: Taylor Kitsch, Lynn Collins, Samantha Morton, Willem Dafoe, Thomas Haden Church, Mark Strong, Ciarán Hinds, Dominic West, James Purefoy, Bryan Cranston, Polly Walker u.a.
Kinostart (D): 08.03.2012
Drehli Robnik, geb. 1967, Theoretiker in Sachen Film und Politik, Edutainer, Kritiker, Disk-Jockey. Doktorat Universität Amsterdam (2007). Universitäre Lehrtätigkeit in A, D, CZ, FL 1992-2015. Monografien zu Stauffenberg im Film, zu Jacques Rancière und zur Regierungs-Inszenierung im Kontrollhorrorkino. Herausgeber der Film-Schriften von Siegfried Mattl. In Arbeit: DemoKRACy: Siegfried Kracauers Politik[Film]Theorie. Kürzlich erschien von ihm bei Neofelis „Ansteckkino. Eine politische Philosophie und Geschichte des Pandemie-Spielfilms von 1919 bis Covid-19“.