Der US-Autor und Illustrator Eric Carle ist tot. Er starb, wie die Familie auf der Webseite des Künstlers mitteilte, bereits am Sonntag in Northampton im US-Bundesstaat Massachusetts im Alter von 91 Jahren. Berühmt wurde der Sohn deutscher Auswanderer mit dem Kinderbuch „Die kleine Raupe Nimmersatt“.
Die grünrote Raupe also: Zuerst ist sie wirklich sehr klein, aber eben auch sehr hungrig, weshalb sie sehr viel futtern muss. So viel und so viel verschiedenes Zeug, jede Menge Obst, Wurst, Käse, Eis, dass sie davon Bauschmerzen bekommt. Weshalb es den nächsten Tag nur ein saftiges grünes Blatt gibt. Ah, besser. Sehr groß ist sie von all der Futterei geworden, danach macht sie erst mal – in Kindersprache – „Bubu“ in ihrem Kokon. Nach zwei Wochen schlüpft sie dann als, tata, wunderhübscher Schmetterling.
Eine einfache Geschichte? Ja und nein. Verwandlung ist ja im Grunde ein ziemlich komplexes Thema. Kinder lieben sie jedenfalls, die Geschichte, fast mehr noch als die tollen expressionistischen Illustrationen mit ihren unkonventionellen Farben; sie können durchaus ein wenig gruselig wirken, mit all ihren Abstraktionen und Verzerrungen.
„Ich erinnere mich daran, dass ich als Kind immer das Gefühl hatte, nie erwachsen und groß und redegewandt und intelligent zu werden“, erzählte Carle einmal der New York Times. Und: „Die kleine Raupe“ sei ein Buch der Hoffnung: Auch du kannst groß werden, und auch dir können Flügel wachsen.
Klingt ein bisschen kitschig? Egal. „Die kleine Raupe Nimmersatt“ verkaufte sich seit ihrem ersten Erscheinen im Jahr 1969 über 50 Millionen Mal und wurde in 60 Sprachen übersetzt. Ungerecht ist daran höchstens, dass sie einen ganz schön großen Schatten warf, der die anderen, ebenfalls sehr schönen Bücher Carles – 75 waren es insgesamt – regelrecht verschluckte.
Dieser Beitrag erschien zuerst am 28.05.2021 in: Junge Welt
Michael Saager ist Publizist und Redakteur. Zahlreiche kulturjournalistische Texte u. a. in KONKRET, Jungle World, Taz, ND, Fluter, WOZ und Intro.